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E-Book

Wie man in eine Seifenblase schlüpft

Die Welt der Mathematik in 100 Experimenten

AutorAlbrecht Beutelspacher
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783406681363
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Man zieht an einem Seil, ein Reifen hebt sich nach oben, dabei bildet sich eine Seifenhaut und man schlüpft für einige Augenblicke in eine große Seifenblase. Dieses und weitere 99 mathematische Experimente beschreibt Albrecht Beutelspacher. Und er erklärt, wie aus diesen Erfahrungen 'wie von selbst' mathematische Erkenntnisse werden. Ob 'Würfelschlange', 'Chaospendel', 'Faxenspiegel', 'Quadreieck', 'Verschwundenes Kind', 'Parabelrechner' oder eben die 'Riesenseifenhaut': Alle hier vorgestellten Experimente stammen aus dem Mathematikum in Gießen, dem weltberühmten Mitmachmuseum für Mathematik.

Prof. Dr. Dr. h.c. Albrecht Beutelspacher ist Professor für Diskrete Mathematik und Geometrie an der Universität Gießen sowie Gründungsdirektor des Mathematikums. Er ist Träger zahlreicher Auszeichnungen und Preise, darunter des Communicator-Preises des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft (2000), des Deutschen IQ-Preis (2004), des Hessischen Kulturpreises (2008) sowie der Medaille für naturwissenschaftliche Publizistik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (2014). Bei C.H.Beck sind von ihm lieferbar: Albrecht Beutelspachers Kleines Mathematikum. Die 101 wichtigsten Fragen und Antworten zur Mathematik (32010); Geheimsprachen. Geschichte und Techniken (52013); Zahlen. Geschichte, Gesetze, Geheimnisse (2013).

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Leseprobe

Vorwort


Das Mathematikum in Gießen ist das erste mathematische Mitmachmuseum (Science Center) der Welt. Es hat das Ziel, Menschen einen neuen Zugang zur Mathematik zu erschließen. Seit seiner Eröffnung im Jahr 2002 haben die vielen Experimente jährlich etwa 150.000 Besucher angezogen.

Dieses Buch ist für die Besucher des Mathematikums nützlich, die mehr über die Experimente erfahren möchten. In gleicher Weise ist dieses Buch aber auch für Leser geeignet, die das Mathematikum nicht besucht haben. Sie gewinnen einen Einblick in die faszinierende Welt mathematischer Experimente und damit auch einen ersten Eindruck von der Mathematik selbst.

Mit der Vermittlung von Mathematik durch Experimente hat das Mathematikum Neuland betreten. Der spielerische Zugang über Knobelspiele, durch Brückenbauen, durch Experimentieren mit Seifenhäuten hat eine Haltungsänderung gegenüber der Mathematik bewirkt. Jedenfalls äußern sich viele Besucher geradezu beglückt über den befreienden Zugang, den sie im Mathematikum zur Mathematik gefunden haben. Die «Mathematik zum Anfassen» mit Experimenten zu den Themen Zahlen, Funktionen und Zufall hat viele Lehrerinnen und Lehrer motiviert, ihren Mathematikunterricht für Experimente zu öffnen. Das Mathematikum hat eine ganze Reihe von vergleichbaren Institutionen angeregt oder war sogar stilbildend, so zum Beispiel für das Erlebnisland Mathematik Dresden, das MoMath New York und das Museu de Mathemàtiques a Catalunya in Barcelona.

Das zugrunde liegende Prinzip hat bereits eine Geschichte. So war schon für den Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) der Dreiklang «Kopf, Herz und Hand» die Grundlage für die Unterstützung kindlicher Entwicklung. In der heutigen englischsprachigen Science-Center-Szene heißt das entsprechende Schlagwort «hands-on, minds-on, hearts-on».

Nun könnte man einwenden, dass in der Mathematik Experimente keine Rolle spielen. In den Naturwissenschaften – Physik, Chemie und Biologie – werden Experimente durchgeführt, um Naturgesetze zu verifizieren beziehungsweise Hypothesen zu falsifizieren. Demgegenüber beruht die Wahrheitssicherung in der Mathematik ausschließlich auf dem logischen Argumentieren, den berühmten Beweisen.

In der Mathematik haben Experimente eine ganz andere Funktion als in den Naturwissenschaften. Äußerlich haben sie alles, was ein Experiment ausmacht: Man sieht bunte Klötze, die darauf warten, zusammengesetzt zu werden, vor einem liegen Kugeln, die man eine Bahn hinabrollen lässt, man möchte mit einer Schnur einen Weg nachlegen. Man spricht auch von «interaktiven Experimenten». Das bringt zum Ausdruck, dass jedes Experiment nur dann funktioniert, wenn es zu einer Interaktion, einem Zusammenspiel zwischen eigentlichem Experiment und dem Besucher kommt. Es verändert sich etwas: Das Experiment sieht nach dem Experimentieren anders aus als vorher. Aber auch beim Besucher verändert sich etwas. Denn das Experimentieren regt die eigenen Gedanken an. Man kann gar nicht anders, als sich Fragen zu stellen: Ist das wirklich so? Wie kann das sein? Wie kann ich mir das erklären? Daraus bilden sich Vorstellungen, und schließlich bekommt man Einsichten. Es macht «klick», weil man plötzlich erkennt, wie alles zusammenhängt. Diese Aha-Momente mit einer plötzlichen Erkenntnis sind charakteristisch für die Mathematik, sie sind die Augenblicke, in denen man ausgesprochen positiv erlebt, dass man etwas verstanden hat!

Welche Eigenschaften muss nun ein Experiment haben, das unsere Gedanken stimulieren kann? Die Idee, die wir im Mathematikum verfolgen, besteht aus zwei Aspekten.

Zum einen gewähren die Experimente einen außerordentlich niedrigschwelligen Zugang. In der Regel bestehen die Experimente aus physischen Objekten, mit denen man ohne Schwierigkeiten hantieren kann. Nur in Ausnahmefällen sind die Experimente elektronisch gestützt: Die Besucher erfahren echte Phänomene und nicht durch Computer vermittelte Effekte. Der erste Eindruck suggeriert einem, dass das Experiment einfach durchzuführen ist, dass keine Vorkenntnisse vorausgesetzt werden, kurz: dass es ein Experiment für jeden ist.

Zum anderen ist es allerdings so, dass die Experimente keineswegs so einfach sind, wie sie zunächst scheinen. Denn beim Ausprobieren stellt sich bald eine unerwartete Schwierigkeit, eine Überraschung oder eine Verblüffung ein. Und genau diese Stolperstelle bringt unser Denken in Bewegung.

Man fängt dann unwillkürlich an, sich mit anderen Besuchern zu unterhalten und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Wenn man diese gefunden hat, ist man glücklich und stolz. Zu Recht, denn man hat ein Erfolgserlebnis, das einem niemand wegdiskutieren kann. Denn der Erfolg steht sichtbar vor einem: Ich habe die Pyramide zusammengesetzt, wir haben den Bogen gebaut, ich habe den Code geknackt.

Diese Art der Beschäftigung mit der Mathematik

• macht deutlich, dass Mathematik mit Denken zu tun hat und dass man durch eigenes Nachdenken zu Ergebnissen kommt,

• ermöglicht eine Haltungsänderung gegenüber der Mathematik und Naturwissenschaften im Allgemeinen,

• macht die Menschen nicht klein, sondern stärkt ihr Selbstbewusstsein.

Das Mathematikum in Gießen, das erste mathematische Mitmachmuseum der Welt

Der Zugang zur Mathematik über Experimente funktioniert für alle Menschen. Und tatsächlich ist das Mathematikum Gießen ein Magnet für alle möglichen Besucher, für Besucher jeden Alters und jeden Bildungshintergrunds (und übrigens auch jeden Geschlechts).

Sie sehen eine große Themenvielfalt, in der Tat werden viel mehr Themen aufgegriffen, als der Schulunterricht (der ja andere Ziel hat) dies vermag. Denn kein Bereich der Mathematik ist ausgeschlossen. Natürlich gibt es Experimente zu Geometrie, aber auch Algebra, insbesondere die Zahlen, und Analysis, insbesondere die Funktionen, sind vertreten. Überraschend viele Experimente findet man im Bereich Stochastik, also der Lehre vom Zufall. Und viele Experimente und Objekte zur Kombinatorik, zur Topologie und auch zur Geschichte der Mathematik sind zu finden.

Es gibt natürlich viele Experimente, die eng an den Schulunterricht anschließen, etwa der Satz des Pythagoras, die Berechnung der Kreiszahl Pi, das Galtonbrett, aber auch zahlreiche attraktive Experimente, deren formal-mathematische Behandlung im Schulunterricht nicht möglich ist. Beispiele dafür sind die Seifenhäute (Minimalflächen), die Brachystochrone, die Deutschlandtour (das Travelling Salesman Problem). Insofern bietet das Mathematikum einem Blick in die Mathematik, der repräsentativer ist als die Sicht des Schulunterrichts.

Das gesamte Mathematikum und die einzelnen Exponate sind so gestaltet, dass die Besucher die größtmögliche Autonomie haben. Sie dürfen beginnen, wo sie wollen, sie müssen keinem roten Faden folgen und können wählen, mit welchen Experimenten sie sich intensiv beschäftigen und welche sie nur oberflächlich betrachten. Es gibt kein heimliches Curriculum. Und trotz dieser Freiheit – vielleicht gerade deswegen – bleiben die Besucher an den Experimenten hängen, bilden sich selbst ein Bild und erklären sich selbst die Phänomene.

Das Lernmodell des Mathematikums basiert auf einem radikal konstruktiven Ansatz. Tatsächlich ist jeder Besucher ein Forscher, der bei jedem Experiment ein Problem lösen kann. Dabei werden die Lösungen nicht verraten, sondern die Besucher haben – alleine oder in einer kleinen Gruppe – selbst Erfolgserlebnisse.

Das Mathematikum ermöglicht einen ersten Schritt in die Mathematik. Und das bedeutet zweierlei. Es ist tatsächlich ein Schritt in die Mathematik, denn man löst das Problem durch eigenes Nachdenken. Es ist aber auch nur ein erster Schritt in die Mathematik, denn man kann zum Beispiel in der Ausstellung praktisch keine vertiefte und schon gar keine formale Behandlung der Phänomene vornehmen.

Was ist dieses Buch?

Dieses Buch ist keine Voraussetzung dafür, die Experimente im Mathematikum durchzuführen. Im Gegenteil: Das Mathematikum ist – wie andere Science Center auch – ein Haus, in dem man auch ohne Vorbildung und ohne Vorbereitung viel verstehen kann und ein Besuch auch ohne Führung erkenntnisreich ist.

Aber jedes gute mathematische Experiment ist auch anschlussfähig an weitergehende Überlegungen und Erkundungen, seien sie mathematisch, seien sie historisch, … Dazu soll dieses Buch beitragen. Es zeigt die große Vielfalt mathematischer Experimente, es beschreibt das Potenzial dieser Experimente, stellt historische Bezüge her und beleuchtet den mathematischen Hintergrund. Dadurch wird ein zweiter Schritt in die Mathematik möglich. In 100 Abschnitten wird ein Großteil der Experimente des Mathematikums vorgestellt.

Natürlich habe ich beim Schreiben dieses Buches zuerst an die Besucher des Mathematikums gedacht, die es vielleicht nach ihrem Besuch zur Hand nehmen. Wenn sie in diesem Buch blättern, erinnern sie sich an das eine oder andere Exponat, manches klingt in ihnen nach, über viele Exponate können sie Neues erfahren – und sie werden zahlreiche Experimente...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Impressum4
Inhalt5
Vorwort9
Kapitel 1: Zahlen und Zählen15
1. Die ältesten Zahlen16
2. Römische Zahlen18
3. Ein Brotstein21
4. Pythagoras und die Musik22
5. Der Zahlenschrank26
Kapitel 2: Zahlen und Unendlichkeit29
6. Wer ragt am weitesten heraus?30
7. Primzahlen34
8. Pi38
9. Mein Geburtstag in Pi43
10. Unendlich viele Bruchzahlen45
Kapitel 3: Hier wird gerechnet49
11. Der Abakus50
12. Die Binäruhr55
13. Hochstapelei58
14. Pi binär61
15. Die Unendlichkeitsmaschine63
Kapitel 4: «Kombiniere!»65
16. Wörtersalat66
17. Das Wabenpuzzle68
18. Das musikalische Würfelspiel70
19. Bunte Steine73
20. Magische Quadrate77
21. Lights on!80
22. Der Pentomino-Kalender83
Kapitel 5: Die Macht des Zufalls85
23. Die Würfelschlange86
24. Rote Würfel raus!89
25. Das Galtonbrett93
26. Zwei an einer Linie96
27. Der Zweite ist immer der Erste99
28. Smarties102
29. Das Chaospendel104
Kapitel 6: Verwürfelte Buchstaben107
30. Knack den Code!108
31. Geheimcodes mit Schablonen111
32. Die ENIGMA113
33. Zeichen im Nebel117
Kapitel 7: Gut in Form!119
34. Der Formenschrank120
35. Das Tangram121
36. Das T123
37. Das Quadreieck125
38. Der Soma-Würfel127
39. Der Conway-Cube130
Kapitel 8: Pythagoras133
40. Pythagoras zum Wiegen134
41. Pythagoras zum Legen136
42. Pythagoras beweisen139
43. Das Quadratpuzzle142
Kapitel 9: Viele Wenig ergeben ein Viel145
44. Das Känguru-Puzzle146
45. Wie viele Bären?148
46. Das Penrose-Puzzle150
47. Kreispackungen154
48. Schwingende Kugeln158
49. Das verschwundene Kind161
Kapitel 10: Körper mit Ecken und Kanten165
50. Die Kugelpyramide166
51. Die Pyramiden169
52. Platonische Körper171
53. Tetraeder im Würfel176
54. Formen fühlen179
55. Schatten von Körpern181
Kapitel 11: Spieglein, Spieglein an der Wand185
56. Der Faxenspiegel186
57. Spiegelbuchstaben188
58. Blick in die Unendlichkeit189
59. Der Drehspiegel191
60. Das Spiegelbuch193
61. Der Eckspiegel195
62. Das Riesenkaleidoskop197
63. Der Spiegeltrichter200
Kapitel 12: Hauptsache, die Proportionen stimmen203
64. Der goldene Schnitt204
65. Fibonacci-Zahlen208
66. Fibonacci-Zahlen in der Natur212
67. Der goldene Schnitt in der Kunst214
68. Der Vitruvianische Mann218
Kapitel 13: Alles eine Frage der Perspektive221
69. Auf den Blickpunkt kommt es an222
70. Was ist perspektivisches Zeichnen?226
71. Groß und Klein229
72. Alle Dreiecke sind gleich231
73. Die Eins234
74. Der schiefe Raum235
75. Das unmögliche Dreieck236
Kapitel 14: Rasante Kurven239
76. Die Sinuskurve240
77. Wo geht’s am schnellsten runter?243
78. Gleichdicks247
79. Die Kettenlinie249
80. Quadratische Räder253
Kapitel 15: Der Weg ist das Ziel257
81. Eulers Linien258
82. Die Deutschlandtour261
83. Die Leonardo-Brücke263
84. Ich bin eine Funktion265
85. Funktionen fühlen267
86. Weltbevölkerung269
Kapitel 16: Kegel trifft Ebene271
87. Kegel und Kegelschnitte272
88. Ellipsen275
89. Eine Parabel durch Drehung278
90. Der Parabelrechner281
Kapitel 17: Lob der Oberfläche285
91. Wunderbare Seifenhäute286
92. Die Riesenseifenhaut289
93. Alles gerade, trotzdem rund!290
94. Kürzeste Wege auf dem Globus294
95. Das Möbiusband297
Kapitel 18: Geschichten und Legenden301
96. Die Geschichte vom Schachbrett302
97. Der Turm von Ionah305
98. Sokrates und der Junge309
99. Die besten MathematikerInnen312
100. Mathematische Träume316
Anhang317
Literaturhinweise317
Bildnachweis318
Der Autor319
Zum Buch320
Über den Autor320

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