Was ist inner teaching? oder: Bevor Menschen Details lernen, wollen sie einen Überblick erhalten – Sie auch?
Ich, Georg Schenk, einer der Autoren, bin ein Mensch, der besonders gern Begriffe definiert haben möchte. Ich hoffe, über Definitionsangebote klare, verständliche und gültige Aussagen zu erhalten, damit ich möglichst schnell, ohne große eigene Mühen erfahre, was mit einem Begriff wie z. B. inner teaching gemeint ist.
Diese Lern-Erwartung erfüllte sich in meinem inner teaching Prozess nicht. Ich lernte, dass sich keine Definitionen in Fachlexika oder sonstigen Nachschlagewerken finden lassen, was die Bedeutung von inner teaching betrifft.
Sodann versuchte ich die zwei Wortbestandteile ins Deutsche zu übersetzen und eine Sinnverbindung herzustellen. Haben Sie vielleicht auch ein Übersetzen versucht, als Sie das Wort zum ersten Mal hier lasen?
Mein Ergebnis sah so aus:
• inner = inwendig, seelisch, geheim, verborgen
• teaching = Unterrichten
Ich verband die Adjektive mit dem Verb unterrichten und kam zu folgendem Resultat:
inner teaching = inwendiges Unterrichten, seelisches Unterrichten, geheimes Unterrichten, verborgenes Unterrichten.
Würde Ihnen diese Beschreibung ausreichen, um einer anderen Person zu erklären, was inner teaching ausmacht? Mir reichte dieser Versuch nicht, weil durch diese Beschreibungen noch nichts über Ziele, Inhalte und Methoden des inner teaching ausgesagt wird.
Ich habe mir die Frage gestellt, für welchen Personenkreis inner teaching bedeutsam wäre bzw. werden könnte. Mit dem Wort teaching assoziierte ich Menschen, die sich beruflich den Aufgaben und Anforderungen des „Erziehens“ bzw. Unterrichtens verpflichten – den Eltern & Lehrern, Therapeuten und Erziehern.
Mein Vorverständnis verlief nunmehr in die Richtung, dass ich inner teaching als „eigenunterrichtliche“ Vorgänge verstand, die im Inneren dieser sozialen Helfer ablaufen.
Mein vorläufiges Ergebnis zum inner teaching lautet nunmehr:
Ein sozialer Helfer z. B. Eltern, Lehrer, Therapeuten oder Erzieher unterrichtet sich selbst mit und in seinem/ihrem Inneren.
Konnten Sie meinen Gedanken bis hierhin folgen? Ich vermute, dass Sie das erreichten, denn die wesentlichen Konstruktionsmerkmale unseres inner teaching Vorverständnisses bestehen bis dato alleinig aus der Verknüpfung dreier Begriffe: a) inner b) teaching und c) sozialer Helfer z. B. Eltern, Lehrer, Therapeut. Erzieher.
Wenn wir zu diesem Zeitpunkt gedanklich und inhaltlich auf einer inner teaching „Wellenlänge“ liegen, dürfen Sie nun selbst aktiv in einen weiteren Übungsprozess einsteigen. Wir laden Sie ein, sich mit einer Fragestellung auseinanderzusetzen, die sich für uns und vielleicht auch für Sie konsequenterweise aus dem o. g. Vorverständnis ergibt.
Die Frage lautet: „Was ist im Inneren einer Elternperson, eines Lehrers/Lernbegleiters?“
Damit Sie diese Kernfrage annähernd zufriedenstellend für sich beantworten, bieten wir Ihnen gleich zwei Methoden an. Die Methode des Brainstormings und die Metaphern-Methode.
In Info-Box 2 haben wir das Arbeitsfeld für Sie grob vorgeordnet. Die Antwortvorauswahl, die Sie dort erkennen, stellt einen Auszug aus unseren Einfällen zur oben gestellten Kernfrage dar. Sie darf von Ihnen ergänzt werden. Falls Sie sich zur Bearbeitung dieser Frage entschließen, empfehlen wir Ihnen, sich Lutz’ und Carls Anleitung zum Brainstormen zu bedienen. Diese Anleitung finden Sie in unserer Methodensammlung.
Wenn Sie unsere Auswahl mit Ihren Ideen ergänzen oder Sie sofort mit unserer Vorauswahl weiterarbeiten möchten, dürfen Sie das mit Unterstützung der Metaphermethode tun (Kluge/Frielinghaus: 241). Sinn dieser phantasieanregenden Methode ist es, eine Idee oder Vorstellung von etwas, hier: das Innere eines Lehrenden, intuitiv zu erfassen. Sie werden sich, parallel zur Nennung/Akzeptierung von Ideen, Einfällen oder Inspirationen, persönlich einbringen, indem Sie Ihre Vermutung mit eigenen Erfahrungen verknüpfen.
Ein Beispiel: Wenn ich vermute, dass inner teaching ein inneres unterrichten wäre, sage ich mir im Sinne der Metapher-Methode: „Inneres unterrichten ist wie ein anregendes Gespräch, das ich in anspruchsvoll-entspannter Umgebung mit mir selbst führe.“ Oder: Wenn ich vermute, dass Überzeugungen und Haltungen Teile des Inneren eines Lehrenden sind, dann formuliere ich die Aussage: „Überzeugungen und Haltungen eines Lehrenden sind wie Verkehrszeichen, die pädagogisches Verhalten regeln.“
Konnten wir Ihnen mit diesen Beispielen den „Startschuss“ für Ihr intuitives Denken geben? Ausgezeichnet!
Raum, um Ihre Notizen schriftlich zu erfassen, finden Sie in Info-Box 3. Wir wünschen Ihnen einige kreative Phantasien. Doch zunächst, wie angekündigt, unsere Grobstruktur.
Wenn Sie sich an dieser Stelle für unsere weiteren Studien zur Frage: „Was beinhaltet inner teaching?“ offen zeigen, dann gehen wir davon aus, dass Sie Ihre Übung gedanklich und inhaltlich beendet haben. Wenn dem so ist, präsentieren wir Ihnen eine zusätzlich von Heitger gemachte Äußerung, der von der Wichtigkeit „intrapersoneller Auseinandersetzung“ in der Lehrer(fort)bildung spricht (Heitger: 792). Wir erlauben uns, den Ausdruck in unserem Zusammenhang aufzugreifen und zu erklären, dass es sich im inner teaching um eine intrapersonelle Auseinandersetzung handelt, in dessen Verlauf Sie sich als angehende(r) oder praktizierende(r) Lehrer(in)/Lernhelfer(in) entscheiden, Ihre innere Welt vertieft kennenzulernen. Bei unserem inner teaching-Verständnis geht es darum, dass Sie sich als Person in den Mittelpunkt Ihrer eigenen Betrachtungen stellen. Es handelt sich um die Aufarbeitung möglichst vieler bewusster und vor allem unbewusster Handlungs- und Kommunikationsmuster, um im Berufsfeld des Lehrens und Lernens für sich und für Ihre Lerner erkennbarer zu werden.
Würden Sie sich entschließen, Ihre eigenen Beziehungs- und Krisenerfahrungen, Ihre eigenen positiven pädagogischen Grundhaltungen, Überzeugungen, Wertvorstellungen und Lebensziele verstehen zu wollen?
Es geht im inner teaching nicht darum, dass Sie sich befähigen, sich einem Wunschbild oder fremden Bild von sich selbst zu entsprechen. Durch inner teaching begeben Sie sich auf einen Weg, auf dem Sie nach Ihrer innersten Natur als Lehrer(in) suchen. Wenn Sie diesen Weg ausprobieren, legen wir Ihnen ans Herz, den Menschen, der Sie jetzt sind, zu ermutigen, zu unterstützen, anzunehmen und wertzuschätzen. Sie bauen sich auf diese Weise Ihr notwendiges Fundament, um sich im weiteren Verlauf Ihrer Entfaltung bzw. Vertiefung folgende Fragen zu beantworten:
„So bin ich also?! – Bin ich zufrieden mit dem, wie ich mich verhalte und so, wie ich auf andere wirke? – Wie will mich verstehen? – Wie kann ich mich verändern? Wie will ich wirken?“
Sie entscheiden sich, Ihre innere Welt als Lehrer(in) vertieft kennenlernen zu wollen, haben wir ein paar Zeilen zuvor geschrieben. Über „Kennenlernen“ formulierten wir zu einem früheren Zeitpunkt und in einem anderen Zusammenhang folgende Gedanken. „Soll ich mich kennen oder von mir lernen? – Der Prozess, mich zu erkennen, geht nur über Lernen, weil Lernen für uns heißt: Erfahrungen mit sich und anderen zu machen und das Tun im Tun eigenverantwortlich zu analysieren. Aber wann kann jemand sagen: „Ich kenne mich?“
Karl-Heinz Franze zitiert in diesem Zusammenhang Stella Resnick. Sie macht eine klare Aussage: „Seiner selbst bewusst zu sein, heißt, sich selbst zu kennen, in Harmonie mit dem zu sein, was jeden Augenblick im Inneren passiert ...“ (Franze: 16).
Möchten Sie bezüglich Stella Resnick’s Aussage ein kleines praktisches Experiment wagen?
Gehen Sie bei nächster Gelegenheit z. B. in die Schule und prüfen Sie doch einmal selbst, ob Sie wirklich bewusst wissen, was jeden Augenblick in Ihrem Inneren passiert. Haben Sie Lust dazu? Weil wir annehmen, dass Sie ein praxisorientierter und experimentierfreudiger Lehrer(in)/Lernbegleiter(in) sind oder werden wollen, bieten wir Ihnen mit der Blitzlicht-Methode ein konkretes Vorgehen an. (Kluge/Frielinghaus: 243).
Sinn dieser Übung ist, herauszubekommen und zu trainieren, ob und wie Sie sich Ihre gefühlsmäßigen Ist-Zustände (was jeden Augenblick im Inneren passiert) zu erlebten Situationen vergegenwärtigen.
Suchen Sie sich gleich morgen eine gerade erlebte Schul- oder Unterrichtssituation aus, die Sie, sobald es möglich ist, z. B. in Ihrem Notizbuch oder in Info-Box 4 zunächst anhand der Daten und Fakten beschreiben z. B.:
„Ich betrete nach der großen Pause die Klasse, und werde von einem triefend nassen Tafelschwamm am Kopf getroffen, den Markus auf mich warf; meine Haare, mein Gesicht und mein Hemd sind nass ...“
Wir raten Ihnen, gefühlsmäßig Ihren Ist-Zustand zu dokumentieren, indem Sie sich Ich-Botschaften senden z. B.:
„... ich bin stinksauer, wütend und gleichzeitig unsicher, wie ich reagieren soll; ich vermeide nur mühsam, Markus mit Schimpfworten zu überschütten und mir zuckt es in den Fingern, den Schwamm mit voller Wucht zurückzuwerfen.“
Wenn wir Sie mit unserem Vorschlag neugierig gemacht haben und Sie Spaß an dieser Form des tieferen Verstehens eigener innerer Abläufe gewinnen, weiten Sie Ihr Experimentierfeld aus und nutzen Sie auch Situationen und...