Verhaltenstipps von A bis Z
■Aberglaube als überlieferter Volksglaube ist in Japan weit verbreitet und vielen Menschen kaum oder gar nicht bewusst. Mancher Aberglaube ist auch uns vertraut, etwa, dass eine den Weg kreuzende schwarze Katze Unglück bringe. Dies ist übrigens ein importierter Aberglaube, normalerweise gelten nämlich Katzen als Glücksbringer, denken wir nur an die winkende Katze (maneki-neko), die Kunden in den Laden locken soll. Andere Formen resultieren aus sprachlichem Gleichklang: Shi bedeutet „vier“ und kann auch „Tod“ bedeuten, also gibt es diese Zahl häufig nicht als Stockwerk in Gebäuden, als Zimmernummer im Krankenhaus oder Flugzeugsitznummer. Man soll auch keine Geschenke mit vier Dingen machen, z. B. vier Melonen. Apropos Melone, die soll man nicht in derselben Mahlzeit mit Aal essen, das bringe Unglück. Ku (neun) klingt ähnlich wie ku, was „Leiden“ bedeutet. Also vermeidet man diese Zahl ebenfalls häufig. Dass man nicht auf die Ränder von Tatamimatten tritt oder den Daumen in der Faust versteckt, wenn der Leichenwagen vorüberfährt, ist ebenfalls spezifisch japanisch. Denn „Daumen“ heißt oya-yubi (Elternfinger), und man möchte ja nicht, dass die Eltern vorzeitig sterben. Mehr zum Aberglauben im Kapitel „Geschichtlicher und kultureller Rahmen“ ab Seite 50.
■Ahnenkult oder besser „Sorge für die Ahnen“ ist wesentlicher Bestandteil der beiden Hauptreligionen Shinto und Buddhismus. Fast jedes Haus hat einen Hausaltar oder -schrein, der dem Andenken der Ahnen und ihrer Fürsorge dient. Mehr dazu im Kapitel „Geschichtlicher und kultureller Rahmen“ ab Seite 45.
■AIDS ist als Gesundheitsproblem zwar offiziell anerkannt, spielt aber im Bewusstsein der Bevölkerung und in der Öffentlichkeit fast keine Rolle. Die Zahl der mit HIV/AIDS lebenden Japaner beträgt im Vergleich zu Deutschland nur etwa ein Siebtel – bei 50% mehr Bevölkerung, sie gehört zu den geringsten in der Welt. Zur HIV-Infektion kommt es überwiegend durch Geschlechtsverkehr, wobei die Zahl unter Homosexuellen fast die Hälfte aller Neuinfektionen ausmacht. Es herrscht die Meinung vor, dass AIDS von gaijin (Ausländern) komme, weshalb diese in einschlägigen Etablissements meist nicht eingelassen werden. Zwei Drittel der HIV-Infizierten leben in der Kantoebene, Heimat eines Drittels der Gesamtbevölkerung.
■Alkohol ist sehr beliebt als soziales Gleitmittel. Er gehört zum shintoistischen Ritual der Eheschließung (3 × 3 Schälchen Sake, s. a. den Abschnitt „Hochzeit“ ab Seite 121), zu jedem Hochzeitsempfang, zu den Jahresende- und Neujahrspartys, zur abendlichen Entspannung nach der Arbeit usw. Japanern steigt Alkohol schnell zu Kopf, Betrunkenen sieht man Fehltritte im Allgemeinen nach.
■Amulette sind in allen Tempeln und Schreinen erhältlich. Sie heißen omamori. Es gibt sie als allgemeinen Schutz vor Unglück oder speziell für das Bestehen von Examen, zum Finden des idealen Ehepartners, zum Schutz vor Krankheit o. Ä. Schutzgeistern in Gestalt von Schutzund Glücksgöttern begegnet man in Japan auf Schritt und Tritt. Besonders häufig sieht man Standbilder der Kannon, Göttin der Barmherzigkeit, und des Jizō, Beschützer der Kinder, Reisenden und gebärenden Frauen. Häufig sind Schreine der Sieben Glücksgötter, die man in der ersten Woche des neuen Jahres aufsucht.
■Anrede: Personen, denen man in der Gesellschaftshierarchie Respekt zollen soll, redet man bevorzugt mit Titel bzw. ihrer Verwandtschaftsbezeichnung an: onii-san = älterer Bruder, okā-san und otō-san = Mutter und Vater, sensei = verehrter Lehrer, shachō-san = Herr Firmenchef. Das direkte „Du/Sie“, z. B. anata, vermeiden Japaner nach Möglichkeit. Für das deutsche „Du/Sie“ gibt es keine einfache Entsprechung, es gibt ein halbes Dutzend Möglichkeiten. Außer dem Titel benutzt man statt „Du, Sie“ ansonsten lieber Namen, an die man -san, bei jüngeren Männern -kun und bei Kindern und jungen Frauen -chan anhängt. Für sich selbst benutzt man bei der Vorstellung jedoch nie -san, -chan oder -kun. Zur „Begrüßung und Vorstellung“ s. auch den Abschnitt ab Seite 128.
■Ansehen: Das Gesicht zu wahren, ist wie in anderen asiatischen Kulturen von großer Wichtigkeit. Die Regeln der Höflichkeit erfordern Bewahrung der Harmonie und unbedingte Vermeidung von Gesichtsverlust. Man „hebt“ das Gegenüber mit Worten geradezu „empor“ und macht sich selbst kleiner, man kritisiert nie direkt vor anderen, siehe auch das Stichwort „Kritik“ in diesem Kapitel (Seite 22). Es soll in Firmen allerdings schon gelegentlich vorkommen.
■Arbeitskollegen sind für Firmenangestellte die wichtigsten Bezugspersonen, mit denen sie mehr Zeit verbringen als mit der eigenen Familie. Nach der Arbeit ist es üblich, mit den Kollegen noch auf ein paar Snacks und Getränke ins Izakaya und hinterher vielleicht noch auf einige Lieder in eine Karaoke-Box zu gehen. Auf dem Land oder am Meer trifft man sich oft in den Genossenschaften.
■Armut und Bettelei: Armut ist in einer Gesellschaft, in der sich die meisten zur Mittelschicht zählen wollen, zwar nicht weit verbreitet, aber die Camps der Obdachlosen in manchen öffentlichen Parks der Großstädte mit ihren blauen Zeltplanen sind unübersehbar. Es ist unter Obdachlosen nicht üblich zu betteln. Deswegen begegnet man Bettlern heute extrem selten. Nach dem Krieg sah man Kriegsversehrte, bisweilen auch Atombombenopfer, häufig um Spenden betteln. Auffällig, wenn auch selten, sind Bettelmönche. Japaner halten sie oft für unecht.
Generell ist Bettelei in Ostasien verpönt, deshalb erhalten die buddhistischen Klöster eher direkte Spenden. Dass Mönche frühmorgens mit ihren Bettelschalen auf die Straße gehen, wie es beispielsweise in den vom Theravada-Buddhismus geprägten Ländern wie Sri Lanka, Myanmar, Thailand, Laos und Kambodscha üblich ist, gibt es in Japan selten. Japanische Bettelmönche erwarten übrigens keine Speisen, sondern Geld.
■Ausländer/Touristen: Als Ausländer ist man geschätzter Gast und wird entsprechend sehr wohlwollend empfangen. Ausländer, die in Japan jahrzehntelang leben, werden zu deren Missfallen immer noch als Gäste empfunden, wo sich viele von ihnen doch inzwischen sehr mit der Kultur identifizieren. Sie gehören nicht zur geschlossenen Gruppe der Einheimischen. Japaner nehmen generell an, dass sich Ausländer nicht korrekt zu benehmen wissen. Das gilt besonders im öffentlichen Bad, im ryokan – dem traditionell eingerichteten japanischen Hotel –, in speziellen Restaurants usw.
■Baden/Nacktbaden: Wie anderswo in Asien ist Nacktbaden in Japan an Stränden nicht gestattet und war auch nie üblich. Anders in öffentlichen und Thermalbädern, dort gibt es meist unterschiedliche Bereiche für Frauen und Männer. Ausnahmen sind konyoku genannte Bäder, in denen nach alter Tradition beide Geschlechter gemeinsam in das Thermalbecken steigen, allerdings manchmal durch eine „unsichtbare Grenze“ in zwei Hälften des Beckens getrennt. Auf dem Land wurde das traditionelle gemeinsame Nacktbaden mancherorts, trotz gegenteiligen Einflusses puritanischer protestantischer Missionare nach dem Krieg, bis heute beibehalten. Innerhalb der traditionellen Bäder ist Nacktbaden sogar vorgeschrieben. Lediglich ein Minihandtuch wird oft zum Bedecken der Scham benutzt, bis man in das Becken steigt. Das Handtuch wird von manchen Männern gefaltet auf den Kopf gelegt oder bleibt am Beckenrand. Es kommt jedenfalls nicht ins Becken.
362ja-ml
Shika-no-yu (Rehbad) in Yumoto, Nasu – das heißeste Becken hat 46 Grad!
■Begrüßung und Verabschiedung folgen in Japan genau festgelegten Regeln, wobei Verbeugung statt Händeschütteln üblich ist. Grundregel ist: Wer mehr Respekt erweist, verbeugt sich tiefer und länger, auch wer mehr Dank schuldet. Beim ersten Treffen verbeugt man sich, überreicht mit beiden Händen die Visitenkarte, nimmt die hingereichte auch mit beiden Händen an, liest sie sorgfältig und sagt dann „Hajimemashite;...