I Was bisher geschah – Die Neuerfindung unseres Lebens
Der tägliche Umgang mit Internet und Smartphone ist für die meisten Menschen hierzulande längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Nicht nur Vertreter der sogenannten Internetgeneration können sich ein Leben ohne Internet und Smartphone nicht mehr vorstellen. Wir werden Zeugen und sind gleichzeitig Beteiligte einer Revolution, die eine Vielzahl von Lebensbereichen umfasst – vom täglichen Einkauf über den Alltag bis hin zur medizinischen Versorgung im Krankheitsfall. Grund genug, kurz wesentliche Entwicklungen zu skizzieren.
1. Lebenszeichen vom PC
Die Verkäufe von Tablets versus PCs und Notebooks sprechen eine deutliche Sprache: Die Zukunft ist flach und lässt sich per Fingerberührung bedienen – nach Einschätzung der Marktforscher von IDC12 werden 2016 gut 220 Millionen Tablets verkauft werden (2011 lag die Verkaufszahl bei knapp 70 Millionen).
Sicher ist der PC damit kein Auslaufmodell – wer jemals versucht hat, einen längeren Text per Touchscreen einzugeben, weiß eine physische Tastatur mit spürbarer Rückmeldung erst richtig zu schätzen. Speziell auf Tablets abgestimmte Zusatztastaturen, die per Bluetooth angebunden werden und im Idealfall wie bei Windows 8 gleich Bestandteil einer Tablet-Hülle sind, befinden sich jedoch bereits auf dem Vormarsch. In jedem Fall gilt: Insbesondere der Medienkonsum verlagert sich zunehmend weg vom PC und hin zu Tablet oder Smartphone – nicht selten unter dem Motto „da gibt es doch eine App für …“. Einfachheit und Benutzerfreundlichkeit der mobilen Endgeräte kosten den PC eindeutig die Gefolgschaft.
Die daraus resultierenden Folgen zeichnen sich bereits ab: Der Anteil des Internetdatenverkehrs, der durch PCs verursacht wird, geht zurück. Noch 2011 waren PCs für 94 Prozent des gesamten privaten Internetdatenverkehrs verantwortlich.13 Bis 2016 – so ist man sich bei Cisco sicher – wird dieser Anteil auf nur rund 18 Prozent zurückgegangen sein. Diese Entwicklung lässt sich jedoch nicht nur an der Verschiebung der Nutzung hin zu Tablet-PC und Smartphone dingfest machen, sondern wird ebenfalls dadurch getrieben, dass man erwartet, dass bis dahin (2015) rund 18,9 Milliarden Geräte mit dem Internet verbunden sind, zu einem nicht unerheblichen Teil mit einer reinen Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M).
Das Ende des PCs oder vielleicht eher seine Reduktion auf eine kleine Nische werden wir am ehesten mit der Weiterentwicklung und breiten Akzeptanz von Sprach- und Gestensteuerung bis hin zu Gedankensteuerung sehen. Erst wenn die Tastatur nicht mehr benötigt wird, ist der PC, wie wir ihn kennen, am Ende.
2. Die Arbeitswelt im Zeichen des Technologiewandels
Die Entwicklung der neuen Technologien beeinflusst aber nicht nur die junge Generation. Auch die Arbeitswelt als Ganzes steht unter dem Anpassungsdruck, eine Vielzahl von Kommunikationskanälen bedienen zu müssen. Nach Brief, Telefon und Fax sind heute E-Mail und Webanwendungen selbstverständlich. Je nach Unternehmen werden diese ergänzt von Audio- und Videokonferenzen, Mobile E-Mail, Social Media und Instant Messaging.
Eine Zusammenfassung der Computerwoche mit den wichtigsten Typen der neuen Arbeitswelt offenbart zumindest teilweise auch den Bezug zur Informationstechnologie:
„Knowledge Workers sind ‚das pulsierende Herz der Wissensökonomie‘. Sie tragen, verbreiten und vermehren Wissen und fungieren als Mittler zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Sie arbeiten in großen Unternehmen im Angestelltenstatus, als Selbständige oder als Gründer. Sie suchen kreativ-kognitive Herausforderungen und motivieren sich stärker über intrinsische Werte, weniger über Geld.
Corporate High Flyers sind die klassischen Karrieristen, die in großen Firmen aufsteigen und sich in ihrer ganzen Identität dem Unternehmen verschreiben. Typischerweise handelt es sich um Männer mit klassischem Lebens-/Arbeitsentwurf: leistungsbereit, statushungrig, aggressiv, machtorientiert. Damit sind sie allerdings auch typische Burnout-Kandidaten. Wesentliches Merkmal ist ihre kommunikative Kompetenz: Sie ‚halten den Laden zusammen‘ und vermitteln zwischen Firmenspitze und Belegschaft. Wenn Intermediäre ihre Arbeit verweigern – das heißt in ihrem Fall: sie machen ‚Dienst nach Vorschrift‘ –, geht es mit dem Unternehmen bergab.
Kreative Downshifter fühlen sich als die gebrannten Kinder der heutigen Erwerbswelt – oft haben sie Burnout oder Boreout hinter sich. Daher legen sie großen Wert auf ihre privaten Lebenswelten. Nichtsdestoweniger sind kreative Downshifter engagiert und verlässlich, allerdings weichen sie anspruchsvollen und absorbierenden Herausforderungen gerne aus.
Loyale Störer. Als gemäßigte Revoluzzer bilden loyale Störer in jedem Unternehmen das kreative Potential innerhalb des Firmenorganismus. Typischerweise handelt es sich um soziale Menschen mit kreativen, optimistischen Ambitionen, die interne Abläufe verbessern wollen. Sie bringen neue Ideen ein, ohne damit Karriere-Ansprüche zu verbinden.
Job Hopper finden es oft schwierig, Beruf und Privatleben zu synchronisieren. Sie können ihre Talente und Neigungen schwer priorisieren. Erfolg erzielen sie eher jenseits der Arbeitswelt, oft in intensiv gelebten Hobbys, die sich nur schwer mit den Zwängen des Jobs verbinden lassen. Daher sind sie permanent auf dem Absprung.
Working Middle. Etwa 20 bis 30 Prozent aller Mitarbeiter verkörpern auch in Zukunft den Durchschnitt: Sie ‚erledigen‘ ihren Job ordentlich, sind meistens fleißig, freundlich und meckern nur wenig. Sie wollen Sicherheit, leben meistens in traditionellen Rollenmodellen und gehen gern früh in Rente.
Passivisten fungieren als Befehlsempfänger, Dulder und Status-quo-Verteidiger. Sie haben keinerlei intrinsische Motivation zu kreativen Leistungen. Sie wollen gesagt bekommen, was sie zu tun haben.
Neue Spezialisten. Vor allem im technischen Sektor und in der Forschung, aber auch bei physischen „Hardcore“-Tätigkeiten wie der Arbeit auf Ölbohr-Plattformen entwickelt sich derzeit eine neue Fraktion von Hyperspezialisten. Typischerweise sind sie projektgebundene Arbeiter, die nach Auftragserfüllung gutes Geld kassieren und serienweise mit verschiedenen Auftraggebern arbeiten.
Prekaristen: Mit Volatilität in der Arbeitsgesellschaft wächst auch der Anteil derer, die vom Absturz bedroht sind oder am Rand stehen. Bei ihnen mangelt es nicht zwingend an Ausbildung und Qualifikation, sondern nicht selten an einer „Ego-Strategie“.
Digital Bohème. Diese Avantgarde der Netzwerkwirtschaft lebt und arbeitet in bewusst offenen Netzwerken. Angestelltenverhältnisse akzeptiert sie nur selten und allenfalls vorübergehend. Die Digital Bohème arbeitet projektorientiert und organisiert sich in losen Zusammenhängen oder Bürogemeinschaften.“14
Praktisch alle aufgezeigten Typen sind mehr oder weniger direkt von der zunehmenden Vernetzung betroffen. Vergleicht man die Profile mit Beschreibungen der Vergangenheit so stellt man fest, dass eine umfassende Vernetzung zu neuen Vorstellungen von Arbeit geführt hat, in jedem Fall aber zumindest die „Knowledge Worker“ und „Digitale Bohéme“ ohne die technologischen Umwälzungen der vergangenen Jahre überhaupt nicht vorstellbar sind.
Ausbildung
Die Ausbildung – insbesondere an Universitäten – wirkt bei genauerer Betrachtung wie ein Anachronismus: Vorlesungen, Hörsäle, Textbücher, Wandtafeln. Im Prinzip hat sich seit Jahrhunderten nichts geändert, sieht man vom Einsatz von Tageslichtprojektor und Beamern einmal ab.
Seit Aufkommen des Personal Computers werden immer wieder Versuche unternommen, elektronische Werkzeuge in der Lehre zu etablieren. Allen Studien und Investitionsprogrammen zum Trotz hat sich E-Learning – jenseits von einigen Nischen – jedoch bisher nicht durchgesetzt. Angebote wie „Udacity“ stehen für eine neue Generation von interaktiven Lehrangeboten und rütteln mit bemerkenswerten Erkenntnissen die Branche auf. Udacity15 ist derzeit nicht mehr als eine offene Lernplattform mit einer Handvoll Kursen. Ins Leben gerufen wurde diese unter anderem von Prof. Sebastian Thrun, Stanford-Universität, der dem einen oder anderen Leser vielleicht als der Kopf hinter dem „selbstfahrenden“ Auto von Google bekannt ist. Die Idee hinter „Udacity“ besteht darin, akademische Top-Ausbildung allgemein zugänglich zu machen, denn diese sogenannten MOOCs (Massive Online Open Courses)16 machen es möglich, sechsstellige Studierendenzahlen je Kurs zu bedienen – verglichen mit den „wenigen“ hundert Studenten in einer Präsenzveranstaltung liegen dazwischen Welten. Interaktive Onlinekurse sollen die Ausbildung für jedermann jederzeit zugänglich machen, lediglich der Prüfungszeitraum findet im festen Zeitrahmen statt.
Dieses Ziel ist ehrenhaft, denn die Kosten für eine „herkömmliche“ Universitätsausbildung sind für viele Interessenten prohibitiv hoch. Kosten für Unterbringung, Verpflegung, Lernmaterialien und Studiengebühren summieren sich auf zigtausende Euro.
Noch problematischer ist die Situation jedoch in den USA: Selbst an staatlichen Hochschulen gehen die Studiengebühren dort in den deutlich fünfstelligen Bereich je Studienjahr.17
Besonders bemerkenswert sind deshalb nun erste Ergebnisse der Onlinekurse: Demnach gab es bei einem Kurs, der gleichzeitig an der Stanford-Universität für Präsenzstudenten angeboten wurde und auf der...