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E-Book

Musizieren auf Rhythmusinstrumenten an der Geistigbehindertenschule

AutorBjörn Weuster
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl78 Seiten
ISBN9783959341967
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Der Rhythmus ist ein allgegenwärtiges Phänomen, das natürliche Prozesse wie beispielsweise zeitliche Faktoren, körperliche Vorgänge und Musik ordnet und strukturiert. Durch Zyklen wie Tag und Nacht oder die Mondphasen wird der Mensch von äußeren Rhythmen beeinflusst. Er selbst ist ein polyrhythmisches, organisches System, was durch rhythmische Prozesse wie Atmung und Puls zum Ausdruck kommt. Menschen mit geistiger Behinderung fehlt oftmals das Gefühl für Rhythmus als strukturierendes und ordnendes Element. Es ist didaktische Aufgabe der Geistigbehindertenschule, diese Prozesse erfahrbar zu machen. Musikalische Rhythmen nehmen dabei Einfluss auf den Eigenrhythmus. Musik für Menschen mit geistiger Behinderung wird im Spannungsfeld zwischen Therapie und Pädagogik, zwischen 'Erziehung durch Musik' und 'Erziehung zur Musik' diskutiert. Daraus ergeben sich unterschiedliche Zielsetzungen, die sich jedoch durch gemeinsames Musizieren in der Geistigbehindertenschule vereinbaren lassen. Mit der vorliegenden Arbeit soll verdeutlicht werden, welchen Stellenwert das Musizieren auf Rhythmusinstrumenten in der Schule haben könnte, aber noch nicht hat.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4, Förderbereiche - Heilpädagogische Wirkung des Trommelns: Die Einheit von Musik, Rhythmus und Körper ist bereits aus der Rhythmik bekannt. Förderung ist aus ganzheitlicher Perspektive als Sinnesschulung zu verstehen, die sich mit der Absicht auf den ganzen Menschen bezieht, die Entwicklung wichtiger Fähigkeiten zu fördern. [...] Der Rhythmus ist hier als musikalischer Rhythmus zu sehen. Die Konsequenz ist aber nicht, dass damit nur der Lebensbereich Musik gefördert wird. Das Trommeln trägt vielmehr zu einer Festigung rhythmischer Strukturen bei, die sich positiv auf alle dargestellten Lebensbereiche auswirkt. Das Musizieren und der Rhythmus und somit auch das Trommeln können also für die Entwicklung vieler Fähigkeiten einen enormen Beitrag leisten. Amrhein stellt heraus, dass 'in jedem Akt musikalischen Verhaltens' Zusammenhänge zwischen der 'psychomotorischen, affektiven, kognitiven und sozialen Erlebnisdimension' bestehen (AMRHEIN 1980, S.316). Diese Erlebnisdimensionen finden Ausdruck in der Bewegungs-, Ausdrucks-, Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeit. Dies sind zugleich musikalische, sowie lebensnotwendige Fähigkeiten. Amrhein spricht von Zusammenhängen der o.g. Erlebnisdimensionen, die es an dieser Stelle sehr schwer machen, die vier Bereiche getrennt voneinander darzustellen. Gerade der Aspekt Wahrnehmung greift sehr stark in die anderen Bereiche über. Daher werde ich versuchen, mit einer anderen Gliederung dem Sachverhalt gerecht zu werden. 4.1, Sensomotorik: Der von Amrhein angeführte Begriff ´Psychomotorik` wird im therapeutischen, pädagogischen und psychologischen Bereich synonym für den Begriff ´Sensomotorik` verwendet (vgl. HIRLER 1999, S.41). Im ursprünglichen Sinne bezeichnet Psychomotorik die Einheit emotionaler Wahrnehmung und motorischer Handlung. Somit spiegelt sich ein Teil der ´psychomotorischen Erlebnisdimension` in der nonverbalen Kommunikation und dem Ausdrucksverhalten, der affektiven Erlebnisdimension, z.B. in Form von zuneigenden und abweisenden Gesten wider. Diese Aspekte greife ich später separat auf. Dennoch sei hier betont, dass gerade in diesem Bereich die Beobachtungsgabe der Pädagogen gefragt ist. Haltung, Bewegung und gerade die Kraft und der Enthusiasmus, mit der die Instrumente bearbeitet werden, können sehr viele Aussagen über den Gefühlszustand, die Sicherheit (im sozialen Gefüge der Gruppe) etc. machen. Die Betonung des Zuganges zum Kind über die sinnliche Wahrnehmung macht im Zusammenhang mit der Bewegung beim Trommeln die unmittelbare Verknüpfung zwischen den Sinnen und der Motorik, also die Sensomotorik, zum zentralen Aspekt der folgenden Ausführungen. In den Richtlinien des Landes NRW wird die Entwicklung von Fähigkeiten im Bereich Bewegung sogar vollständig mit dem Begriff ´Sensomotorik` abgedeckt (vgl. MINISTERIUM FÜR SCHULE UND WEITERBILDUNG DES LANDES NRW 1996, S.20). Beim Trommeln wird die taktile, visuelle und akustische Wahrnehmung angesprochen, benötigt und gefördert. Beispielsweise erfordert das Folgen eines Dirigenten, visuell Aufgenommenes in Bewegung umsetzen zu können. Ein zielgerichtetes Schlagen, das besonders beim Umgang mit mehreren Klangkörpern gleichzeitig (z.B. Schlagzeugset) erforderlich ist, kennzeichnet die Auge-Hand-Koordination. Die Motopädagogik und andere Methoden, die die Förderung der Motorik zu ihrer Aufgabe machen, vernachlässigen sehr stark die Verbindung von Akustik und Bewegung (vgl. HIRLER 1999, S.33). Die Schlagbewegungen beim Trommeln im Hinblick auf Tempo und Anschlagsdynamik erfordern eine gezielte Verbindung von Gehörtem und der Bewegung. Um sich überhaupt auf der Trommel musizierend in einen Rhythmus einschwingen zu können, ist die Ohr-Hand-Koordination also unabdingbar. Mit der Beschreibung der Sensomotorik werden nicht alle Bereiche der Bewegung und Wahrnehmung abgedeckt. 4.2, Körperliche Aspekte: Das in der Pädagogik der Rhythmik formulierte Ziel, sich in Rhythmen einpendeln und wieder herauslösen zu können, ist u.a. ein Aspekt der Körperbeherrschung. Erfahrungsgemäß fällt es sehr vielen Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung beim Trommeln schwer, das Ende eines Liedes zu markieren, da der mit der Zeit verinnerlichte Rhythmus, in den man sich eingependelt hat, recht abrupt verlassen wird. Die Produktion der verinnerlichten Rhythmen geschieht über die Bewegungskoordination der beim Trommeln benötigten Körperteile. Durch regelmäßiges Trommeln wird das Zusammenspiel der Körperfunktionen und damit der taktil-kinästhetische Bereich gefördert. Weitreichender ist der taktil-kinästhetische Bereich für die Beweglichkeit und Ausdrucksfähigkeit als Inhalt der Wahrnehmung musikalischer Tätigkeiten (vgl. AMRHEIN 1993, S.577) von zentraler Bedeutung. So ist jede Art der Bewegung beim Trommeln in der Gruppe gleichzeitig als Kommunikations- und Ausdrucksmittel zu verstehen. Die motorische Koordination aller in diesem Kapitel beschriebenen Vorgänge fördert und bedingt die Konzentrationsfähigkeit, Körper- und Raumwahrnehmung. Zudem werden alle Sinne einbezogen. Der Zusammenhang zwischen Wahrnehmung über die Sinne und dem Rhythmus ist im Zuge des ganzheitlichen Ansatzes immer wieder betont worden. Tatsächlich bildet die menschliche Sinneswahrnehmung die Grundlage der Intelligenz- und Persönlichkeitsentwicklung, wodurch der Wahrnehmungsschulung der Kinder mit geistiger Behinderung ein besonderer Stellenwert beizumessen ist. Alle genannten Ergebnisse gelten als Grundlage für die folgenden Betrachtungen. Damit das Kind im Sinne einer Trommelgruppe agieren kann, bedarf es der Voraussetzung, die Gruppe und die Tätigkeit des Trommelns wahrzunehmen. Dafür muss zunächst an die Eigenwahrnehmung des Kindes angeknüpft werden. 4.3, Eigenwahrnehmung: Ein charakteristisches Ziel der Rhythmik ist es, den körpereigenen Rhythmus erfahrbar zu machen. [...] Die Produktion von Rhythmen durch den eigenen Körper, sowie der gehörte Rhythmus wirken sich auf Tempo und ggf. Intensität körpereigener Rhythmen aus. Auf diese Art und Weise werden körpereigene Rhythmen, wie Puls, Atmung, etc. spürbarer (vgl. GOLL 1993, S.252). Hegi meint, das Bewusstsein über solche persönlichen Rhythmen gebe Sicherheit oder Selbstbewusstsein und charakterisiere die Persönlichkeit (vgl. HEGI 1993, S.33). Das Trommeln bezeichnet Meyberg als energieintensive körperliche Betätigung, die das Reaktionsvermögen zu Höchstleistungen fordert und das Gedächtnis und die Wahrnehmung schult (vgl. MEYBERG 1984, S.267). Die körperliche Betätigung ´Trommeln` wirkt sich also positiv auf die Wahrnehmung aus. Primär im taktilen Bereich stellen sich durch die mannigfaltigen Berührungsarten mit der Trommel spürbare Gefühle ein. Bei intensiver Bespielung der Trommel kann ohne weiteres der Zustand einer geröteten, stark durchbluteten und juckenden Hand eintreten. Aber auch Schulter, Arme, Nacken- und Rückenmuskulatur werden beim Trommeln beansprucht (vgl. MEYBERG 1989, S.26ff) und damit bewusst wahrgenommen. 4.4, Wahrnehmung des Instrumentes: Bereits den Ausführungen zur Sensomotorik ist zu entnehmen, dass das Trommeln hauptsächlich über den auditiven, taktilen und visuellen Sinn stattfindet. Es ist sehr leicht, Trommeln Töne zu entlocken [...] - sei es durch gezieltes Schlagen oder durch Kratzen, Streicheln, etc. - und sie damit auditiv und taktil wahrzunehmen. Eine wichtige Leistung ist es, die Verbindung zwischen Kraft des Anschlages und Lautstärke des Tones herzustellen. Bei starken Impulsen wirkt der Klang der Trommeln über das Gehör hinaus auf die gesamte Körperoberfläche (vgl. MEYBERG 1989, S.28). Die visuelle Wahrnehmung richtet sich zunächst auf das eigene Spiel: das Treffen der Trommel, Beobachtung der eigenen Koordination (Abwechselung der Hände), etc. Mit wachsender Übung auf dem Instrument können Rhythmen unabhängig von der visuellen Kontrolle produziert werden, wodurch anderen Gruppenmitgliedern eine größere visuelle Aufmerksamkeit beigemessen werden kann. Damit richtet sich die Wahrnehmung nach außen und schafft eine Voraussetzung für Kommunikation. Kommunikation in der Trommelgruppe geschieht aber natürlich nicht ausschließlich auf visueller Basis. Eine weitere Voraussetzung ist das Ausdrucksverhalten, das hier - ebenso wie die Kommunikation - auf nonverbaler Ebene stattfindet. Vielmehr geschieht Ausdruck durch Mitteilung über das Medium Trommel. Im Gegensatz zu der Möglichkeit, im Sinne der Trommelgruppe kommunizieren zu können, werden zur Mitteilung der Gefühlswelt über die Trommel keine spielerischen Fähigkeiten vorausgesetzt.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Musizieren auf Rhythmusinstrumenten an der Geistigbehindertenschule1
Inhaltsverzeichnis3
0. Einleitung – zur Vorgehensweise5
1. Rhythmus8
1.1 Mensch und Rhythmus9
1.1.1 Der natürliche Rhythmus9
1.1.2 Der gesellschaftsbedingte Rhythmus10
1.2 Etymologische Bedeutung des Rhythmus und seine Merkmale11
1.3 Der musikalische Rhythmus12
1.4 Rhythmus in der Pädagogik13
2. Grundlagen zum Unterricht für das Musizieren auf Rhythmusinstrumenten an der Geistigbehindertenschule16
2.1 Anriss der geschichtlichen Entwicklung16
2.2 Personenkreis17
2.2.1 Menschen mit geistiger Behinderung – ein Beschreibungsversuch17
2.2.2 Der Begriff ´Geistige Behinderung`18
2.3 Grundlegendes zum Unterricht19
2.3.1 Unterrichtsform19
2.3.2 Einordnung in den Stundenplan20
2.3.3 Allgemeine Prinzipien des Unterrichtes21
2.3.4 Didaktische Prinzipien nach Speck22
2.4 Musikunterricht in der Geistigbehindertenschule23
2.4.1 Musikalität24
2.4.2 Einordnung des Musikunterrichtes in die Geistigbehindertenschule24
2.4.3 Erziehung durch Musik – Erziehung zur Musik25
2.4.4 Lage des Musikunterrichtes in der Geistigbehindertenschule29
3. Rhythmusinstrumente30
3.1 Eignung der Rhythmusinstrumente30
3.2 Einteilung32
3.3 Rhythmusinstrumentarien33
3.3.1 Orff´sches Schulwerk33
3.3.2 Afrikanische Rhythmusinstrumente35
3.3.3 Vorschlag für eine mögliche Zusammensetzung37
3.4 Die Conga40
4. Förderbereiche – Heilpädagogische Wirkung des Trommelns43
4.1 Sensomotorik43
4.2 Körperliche Aspekte44
4.3 Eigenwahrnehmung45
4.4 Wahrnehmung des Instrumentes46
4.5 Ausdruck47
4.6 Wahrnehmung der anderen Gruppenmitglieder / Soziales Handeln48
4.7 Selbstbestimmung50
5. Trommeln im Unterricht51
5.1 Rhythmusspiel52
5.2 Vorgegebene Rhythmen53
5.2.1 Erlernen des Rhythmus mit Notationen54
5.2.2 Sprechsilben als Hilfe zum ´Erlernen` des Rhythmus55
5.3 Improvisation58
5.3.1 Improvisation als elementare Erfahrung58
5.3.2 Improvisation beim Rhythmusspiel58
5.4 Didaktische Prinzipien beim Umgang mit Rhythmusinstrumenten60
5.4.1 Polarität als didaktisches Prinzip ?60
5.4.2 Erfüllung der didaktischen Prinzipien nach Speck ?62
6. Zusammenfassung und Ausblick im Gedankenstrom67
Literaturliste72

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