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E-Book

Kulturgeschichte des Klimas

Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung

AutorWolfgang Behringer
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783406625053
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR

Zum Buch
Alle sprechen vom Wetter. Darüber, wie es werden wird, gibt es derzeit mehr Voraussagen als je zuvor. Aber was wissen wir über Klimaschwankungen vor 500 oder vor 5000 Jahren? Wie können wir überhaupt etwas über die Geschichte des Wetters herausfinden? Schließlich: Wie haben sich die Klimaschwankungen der Vergangenheit auf den Menschen, seine Lebensweise und seine Kultur ausgewirkt?
 Der Historiker Wolfgang Behringer erschließt uns in einem faszinierenden Streifzug, was wir über Klimaänderungen und ihre kulturellen Konsequenzen vom Holozän bis ins 21. Jahrhundert wissen. Er führt uns ein in die historische Forschung zur Klimaentwicklung und zeigt uns, welche Schwankungen es gab und wie sie das Fortkommen des Homo sapiens behinderten oder beförderten. Sein spannendes Buch führt uns plastisch vor Augen, mit welchen Schwierigkeiten, manchmal aber auch mit welch angenehmen Wetterepochen unsere Vorfahren konfrontiert waren und wie sie damit umgingen. Das lehrt uns nicht zuletzt Mut zu fassen, den Klimawandel als die Herausforderung unserer Gegenwart zu begreifen und in einem besseren Sinne als bisher zu beeinflussen.



<p><strong>&Uuml;ber den Autor</strong><br /> Wolfgang Behringer, geb. 1956, ist Professor f&uuml;r die Geschichte der Fr&uuml;hen Neuzeit an der Universit&auml;t des Saarlandes. Bei C.H.Beck sind von ihm u.a. erschienen: Hexen. Glaube, Verfolgung, Vermarktung (62015) und Tambora und das Jahr ohne Sommer. Wie ein Vulkan die Welt in die Krise st&uuml;rzte (2015).</p>

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Leseprobe

Einleitung


Ausgangspunkt unserer Untersuchungen ist ein dreigeteiltes Diagramm aus dem ersten Bericht des Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC) aus dem Jahr 1990. Es zeigt sehr schön die Wandelbarkeit des Klimas in der letzten Million Jahre. Das oberste Diagramm zeigt den Temperaturverlauf während des Eiszeitalters: Die wenigen kurzen Interglaziale, in denen es wärmer war als heute, erscheinen als kostbare Ausnahme und suggerieren die Verletzlichkeit unserer Modernen Warmzeit. Die gestrichelte Linie repräsentiert den Mittelwert der Normalperiode von 1961–1990. Das mittlere Diagramm zeigt die geringeren Temperaturschwankungen während der letzten 10.000 Jahre, also nach dem Ende der letzten großen Kaltzeit. Das klimatische Optimum lag demnach vor etwa fünf- bis sechstausend Jahren, das entspricht dem 4. Jahrtausend vor Christus. Das unterste Diagramm zeigt den Temperaturverlauf der letzten 1000 Jahre. Wir sehen darauf das hochmittelalterliche Optimum in Kontrast zur Kleinen Eiszeit sowie nach 1900 Anzeichen einer neuen Erwärmung, die aber bis 1990 bei weitem nicht den Wert des Hochmittelalters, geschweige denn den des Temperaturmaximums des Holozäns, erreicht.

Für viele Betrachter war dieses Szenario verwirrend genug, denn nach Jahrzehnten, in denen viele von einer grundsätzlichen Stabilität des Weltklimas ausgegangen waren oder sogar angenommen hatten, dass Gaia – die Erdgöttin des James Lovelock – alle Störungen von selbst ausgleichen werde,[1] kam die Darstellung einer solchen Wechselhaftigkeit überraschend. Andere fühlten sich in ihren Ansichten auch bestätigt, denn in den 1960er Jahren hatte es – nach einigen kühlen Jahren – eine heftige Debatte über eine kommende globale Abkühlung gegeben. Manche Klimaforscher sahen in diesen Graphiken hingegen eine Verharmlosung ihrer jüngsten, alarmierenden Erkenntnisse. Denn bereits seit den späten 1970er Jahren stand nicht mehr Abkühlung, sondern globale Erwärmung auf ihrer Agenda: Global Warming. Und dieser Aspekt kam auf den Diagrammen des IPCC von 1990 eindeutig zu kurz. Sie ließen eine Erwärmung nach all der Kälte geradezu als wünschenswert erscheinen, während eine wachsende Mehrheit von Klimaforschern wegen Veränderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre in der kommenden Erwärmung eine große Gefahr sah. Diese sorgten dafür, dass die graphische Darstellung der Klimageschichte im nächsten großen Bericht völlig anders aussah.

Abb. 1 Das Märchen vom Gleichgewicht des Klimas wurde bereits im ersten Klimareport des IPCC von 1990 widerlegt. Sowohl auf der Ebene der letzten Jahrmillion, als auch der letzten 12.000 Jahre, als auch der letzten 1000 Jahre finden wir einen ständigen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten.

Die Bedeutung des Hockeyschlägers


Im Juli 2005 eröffnete die Fachzeitschrift Nature ihr Heft mit der Meldung, der texanische Kongressabgeordnete Joe Barton (geb. 1949), Mitglied der Republikanischen Partei und Vorsitzender eines Committee on Energy and Commerce, fordere im Namen der Steuerzahler Rechenschaft über die Forschungen dreier Klimaspezialisten. Er verlange Auskünfte über den wissenschaftlichen Werdegang, ihre Finanzierung sowie Zugang zu ihren Daten und Computerprogrammen.[2] Bereits früher hatte Barton dieselben Wissenschaftler wegen angeblich fehlerhafter Methoden im Wall Street Journal gezielt angegriffen. Ihre Arbeit hatte den Abschlussbericht des Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC) aus dem Jahre 2001 beeinflusst, der die Umweltpolitik der Bush-Administration an den Pranger gestellt hatte.[3]

Die Welt der Wissenschaft sah die Freiheit der Forschung in Gefahr. Denn seit dem Ende der Präsidentschaft Bill Clintons (r. 1993–2001) war wiederholt politischer Druck auf Wissenschaftler in Bundesbehörden ausgeübt worden.[4] Wegen ihrer kompromisslosen Haltung geriet die Klimaforschung zwischen die Fronten der Parteipolitik. Der kalifornische Abgeordnete Henry Waxman von den Demokraten forderte Barton auf, seine Briefe zurückzuziehen. Die Klima-Experten erhielten Schützenhilfe von amerikanischen und internationalen Wissenschaftsinstitutionen, etwa der National Science Foundation, der American Association for the Advancement of Science, vom Präsidenten der National Academy of Sciences und auch von der europäischen Geophysikalischen Union.

Im Auge dieses politischen Hurrikans standen die Urheber der «Hockeystick Theory», die Klimaforscher Michael Mann (Pennsylvania State University), Raymond S. Bradley (University of Massachussetts) und Malcolm K. Hughes (University of Arizona), die 1998 eine Arbeit über die globale Erwärmung der letzten 600 Jahre vorgestellt hatten. Sie behaupteten darin, dass die 1990er Jahre im Durchschnitt wärmer gewesen seien als jedes Jahrzehnt in den vergangenen sechs Jahrhunderten, und dass diese globale Erwärmung «anthropogen» sei, zurückzuführen auf die von Menschen verursachten Treibhausgase.[5] Ihre Klimakurve war zunächst nicht weiter überraschend, denn der längste Teil dieses Zeitraums war durch die globale Abkühlung der Kleinen Eiszeit gekennzeichnet. Doch kurz vor den Millenniumsfeiern verlängerten die Klimaforscher ihre Zeitachse um weitere vier Jahrhunderte in die Vergangenheit. Damit umfasste sie das hochmittelalterliche Klima-Optimum, eine der wärmsten Zeiten der jüngeren historischen Vergangenheit. Die Klimakurve der letzten 1000 Jahre besaß die Form eines Hockeyschlägers: Über 900 Jahre habe sich wenig getan, bevor im späten 20. Jahrhundert die Temperaturkurve steil nach oben zeigt. Wir hätten es damit mit einer in der bisherigen Geschichte beispiellosen globalen Erwärmung zu tun. Symbol dieser Sichtweise wurde die Form des Hockeyschlägers.[6]

Klimageschichte als Politikum


Der Streit um die Hockeyschläger-Kurve nahm seit 2001 beinahe religiöse Qualität an. Von ihren Verfechtern wurde sie zum wichtigsten Argument für die Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls erhoben, mit dem sich 36 Industriestaaten vier Jahre zuvor zur Abgasreduzierung verpflichtet hatten. Zum Zeitpunkt des Streites ging es um die Ratifizierung des Protokolls, die erst im November 2004 mit Russland abgeschlossen werden konnte. Im Februar 2005 traten die Vereinbarungen zur Abgasreduzierung und zum Emissionshandel im Zeitraum 2008–2012 in Kraft. Von den Industriestaaten blieben Australien und die USA, der weltweit größte Emittent von Klimaschadstoffen, der Vereinbarung fern.[7] Das Kyoto-Protokoll war allerdings bereits vor Erscheinen der Hockeyschläger-Kurve beschlossen worden, vor allem aufgrund der älteren IPCC-Berichte von 1990 und seinem update von 1996.[8]

Der Streit hält an. Da jede Seite sich im Besitz der Wahrheit wähnt, werden die jeweiligen Gegner als bezahlte Agenten hingestellt. Die Kohle- und Ölindustrie, mit der die Bush-Administration in engen Beziehungen steht, hält wenig von einer Kosten treibenden Reduzierung von Abgasemissionen und unterstützt unternehmensfreundliche Wissenschaftler mit Forschungsaufträgen. Robert F. Kennedy jr. (geb. 1954), ein Neffe des großen Präsidenten, sprach von «einer kleinen Armee von der Industrie bezahlter Scharlatane».[9]

Abb. 2 Das Klima der letzten 1000 Jahre als Hockeyschläger: Im IPCC-Bericht von 2001 werden frühere Temperaturschwankungen eingeebnet, indem hohe aktuelle Messwerte den rekonstruierten Proxydaten aus früheren Jahrhunderten entgegen gehalten werden.

Natürlich funktioniert der Korruptionsvorwurf auch in der anderen Richtung, denn die akademischen Arbeitsgruppen besitzen ein vitales Interesse an der Alimentierung ihrer Forschungen und ihrer Forschungsinstitute. Paul Andrew Mayewski, der wissenschaftliche Leiter des bahnbrechenden Eiskernbohrprojekts GISP2, gibt in seiner Darstellung der Paläoklimaforschung zu, dass Klimaforscher keine unparteiischen Wissenschaftler seien, sondern persönliche Anliegen verfolgen und sie über Seilschaften und Pressure Groups durchsetzen. Es geht um Karrieren, um Geld und um Macht.[10]

Die Unterstellung, Klimaforscher kämen aus finanziellen Gründen zu ihren Forschungsergebnissen, dürfte jedoch kaum haltbar sein. Eher schon entspringen manche Äußerungen einer kalkulierten Übertreibung. So sagte Stephen H. Schneider (University of California, Stanford), Mitautor des IPCC-Reports von 2001 und einer der frühen Propagandisten der Globalen Erwärmung,[11] in einem Interview: «Um die öffentliche Aufmerksamkeit zu erringen, müssen wir erschreckende Szenarien entwerfen und mit vereinfachten und dramatischen Stellungnahmen in die Offensive gehen.»[12] Doch solche Auffassungen vertritt nur eine Minderheit der Klimaforscher.

Abb. 3 Der Alarmismus mancher Klimaforscher ist Vielen nicht geheuer. Die These von der anthropogenen Erwärmung wird als Waffe im Kampf um Forschungsmittel interpretiert. Götz Wiedenroth, Zweierlei Standpunkte, zweierlei Rentabilität. Karikatur von 2005

Apokalyptische...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel2
Zum Buch3
Über den Autor3
Impressum4
Inhalt5
Vorwort zur 5. Auflage7
Einleitung9
Was wissen wir über das Klima17
Quellen zur Klimageschichte19
Ursachen von Klimawandel27
Das Paläoklima seit Entstehung der Erde33
Globale Erwärmung: Das Holozän47
Kinder der Eiszeit49
Globale Erwärmung und Zivilisation59
Vom Optimum der Römerzeit zur Mittelalterlichen Warmzeit86
Globale Abkühlung: Die Kleine Eiszeit117
Das Konzept «Kleine Eiszeit»119
Veränderung der Umwelt123
Tanz des Todes142
Winter-Blues156
Kulturelle Konsequenzen der Kleinen Eiszeit163
Der zürnende Gott165
Die Sündenökonomie als Motor der Veränderung180
Die kühle Sonne der Vernunft196
Globale Erwärmung: Die Moderne Warmzeit223
Die scheinbare Abkoppelung von den Kräften der Natur225
Die Entdeckung der Globalen Erwärmung243
Reaktionen auf den Klimawandel254
Umweltsünden und Treibhausklima: Ein Epilog273
Anhang289
Anmerkungen290
Danksagung326
Literaturauswahl327
Bildnachweis329
Register333

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