Eine Tagespflegeeinrichtung hat eine Reihe von Zielen, die es zu erfüllen gilt. »Tagespflegeeinrichtungen nach dem Pflege-Versicherungsgesetz sollen insbesondere
• die Tagespflegegäste unterstützen, trotz ihres Hilfebedarfs ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht,
• im Einzelfall fachlich kompetente und bedarfsgerechte Pflege nach den allgemein anerkannten pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen gewährleisten,
• die körperlichen, geistigen und seelischen Fähigkeiten der Tagespflegegäste erhalten, fördern oder wiedergewinnen,
• durch Information und Austausch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Beteiligten ermöglichen,
• eine Vertrauensbasis zwischen Tagespflegegästen und Leistungserbringern schaffen,
• flexibel auf die Notwendigkeiten des Einzelfalls reagieren,
• ein an Lebensqualität und Zufriedenheit orientiertes Leben unter Berücksichtigung der individuellen Lebenssituation und der Biografie des Pflegebedürftigen fördern,
• die pflegenden Angehörigen durch die Leistungen der Tagespflege unterstützen und entlasten,
• die Tagesstrukturierung gästeorientiert ausrichten und dabei die religiösen und kulturellen Bedürfnisse der Tagespflegegäste berücksichtigen.«4
Soweit die Grundlagen. Wir möchten Ihnen in diesem Buch die Qualitätsaspekte einer Tagespflege zeigen sowie viele praktische Beispiele, wie das tägliche Leben in einer solchen Einrichtung aussehen kann. Unsere langjährigen Erfahrungen in diesem Feld haben uns die Gewissheit gegeben, dass Tagespflege weit mehr ist als ein Angebot zur Unterstützung pflegender Angehörigen, auch wenn deren Gesundheit und Bereitschaft zur Pflege meist eine wesentliche Voraussetzung für den Verbleib der Pflegebedürftigen in der eigenen Häuslichkeit ist.
Doch auch bei Menschen, denen keine Angehörigen mehr zur Seite stehen können, kann Tagespflege ein sinnvolles Angebot sein, um die Selbstständigkeit in der eigenen Häuslichkeit zu unterstützen, der Vereinsamung entgegenzuwirken und eine Heimeinweisung zu vermeiden oder hinauszuzögern.
Bitte folgen Sie uns nun in unsere Einrichtung, die »Geriatrische Tagespflege ›Villa Albrecht‹«. Wir werden Ihnen unser tägliches Einsatzgebiet vorstellen – selbstverständlich in seinen fachlichen Grundzügen, vor allem aber auch aus der Perspektive unserer Gäste. Die wissen nämlich selbst am besten, warum sie so gern zu uns kommen. Vielleicht können unsere Erfahrungen eine Anregung für Sie sein, sich selbst mit dem Angebot einer Tagespflege zu beschäftigen. Vielleicht finden Sie aber auch die ein oder andere Anregung für Ihre schon bestehende Einrichtung.
Unsere Geriatrische Tagespflege »Villa Albrecht« liegt in der Albrechtstraße in Berlin-Tempelhof und hat von montags bis freitags zwischen 8 : 00 und 17 : 00 Uhr geöffnet. Es handelt sich um eine eigenständige Einrichtung mit 16 Plätzen, eingebettet in das Konzept des »Integrativen ambulanten Seniorenwohnens«. Träger ist der DRK Landesverband Berliner Rotes Kreuz e.V. Unter dem Motto »Lange gut zuhause leben« verfügt die »Villa Albrecht« außerdem über 29 seniorengerechte Mietwohnungen und zwei Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz mit jeweils acht Bewohnern. Ebenfalls in der »Villa«: der Stützpunkt eines Anbieters für ambulante Pflege.
Das Gesamtkonzept zielt auf die Förderung und den Erhalt der Selbstbestimmung und Selbstständigkeit der Menschen innerhalb der Villa und im nachbarschaftlichen Umfeld, dem Kiez. Wir bieten unseren Mietern und den Menschen aus dem Kiez individuelle Pflege und Betreuung. Sie müssen dafür weder ihre Wohnung noch ihren angestammten Kiez verlassen.
Der zentrale Ort in der »Villa Albrecht« ist das »WaschCafé«. Hinter dem etwas ungewöhnlichen Namen verbirgt sich ein Begegnungs- und Veranstaltungsraum, in dem es Kaffee, Getränke und Snacks gibt – aber auch einige Waschmaschinen und Trockner. Die Mieter des Hauses sitzen gemütlich zusammen, klönen, trinken ein Tässchen Kaffee und erledigen ganz nebenbei ihre Wäsche. Dieses Angebot gilt für alle Mieter des Hauses. Es wird von vielen regelmäßig genutzt, etwa zur gemeinsamen wöchentlichen Brotzeit. Mit einer geschickten Raumaufteilung ist ein Begegnungsraum entstanden, der wirklich genutzt wird. Wäsche waschen muss schließlich jeder Mieter. Warum sollte er das einsam und verloren im Untergeschoss eines Mietshauses tun?
Die Mieter der »Villa Albrecht« haben ein hohes Maß an Lebensqualität, auch wenn sie keine Pflegeunterstützung brauchen. Nur manchmal nehmen sie die geriatrische Tagespflege in Anspruch. Der überwiegende Teil unserer Tagesgäste kommt von außerhalb.
»In unserer Geriatrischen Tagespflege »Villa Albrecht« werden ältere Menschen mit körperlichen, geistigen und/oder seelischen Erkrankungen betreut. Dazu zählen insbesondere:
• Menschen, die allein in ihrer Wohnung leben und Hilfe im täglichen Leben, bei der Pflege und bei der Tagesstrukturierung bedürfen.
• Menschen, die vereinsamt oder altersdepressiv sind und mittels aktivierender und therapeutischer Maßnahmen wieder zur selbstständigen Lebensführung begleitet werden.
• Menschen, deren Angehörige überwiegend die Pflege und Betreuung übernehmen und Entlastung benötigen.
Unser Ziel
Unsere Tagespflege ist ein Ort der Begegnung, dessen Schwerpunkt im Bereich der rehabilitativen und sozialpflegerischen Maßnahmen liegt. Zielsetzung in der »Villa Albrecht« ist es, unseren Besuchern den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu sichern. Ein Besuch in der Tagespflege trägt dazu bei, dass stationäre Pflege oder Krankenhausaufenthalte hinausgeschoben oder verhindert werden können.«*
* https://www.drk-berlin.de/angebote/villa-albrecht/geriatrische-tagespflege.html [Zugriff am 07.04.2015]
Feste und Aktivitäten gehören zu unserem Programm, bei schönem Wetter auch im Garten. Besucher sind uns stets willkommen. Schließlich gibt es eine Reihe von Veranstaltungen, die sich an alle richten, die im Kiez wohnen. Das Wort »Kiez« bezeichnet in Berlin übrigens einen Stadtteil, also eine überschaubare Region innerhalb der großen Stadt.
Die Grundsätze unserer Arbeit leiten sich von den Grundsätzen und dem Leitbild unseres Verbandes, dem Deutschen Roten Kreuz, ab. Daraus haben wir – unter Zugrundelegung weiterer Grundsätze5 – unser Pflegeleitbild konzipiert: »Jeder Mensch hat uneingeschränkten Anspruch auf Respektierung seiner Würde und Einzigartigkeit. Menschen, die Hilfe und Pflege benötigen, haben die gleichen Rechte wie alle anderen Menschen und dürfen in ihrer besonderen Lebenssituation in keiner Weise benachteiligt werden. Da sie sich häufig nicht selbst vertreten können, tragen Staat und Gesellschaft eine besondere Verantwortung für den Schutz der Menschenwürde hilfe- und pflegebedürftiger Menschen.«
Unser oberstes Ziel ist es, dass unsere Gäste so lange wie möglich in ihrer eigenen Umgebung leben können. Zufriedenheit und Lebensqualität sollen erhalten und gefördert werden.
Wenngleich wir unsere Gäste nicht nach Krankheitsbildern unterscheiden, versuchen wir dennoch individuelle, an den jeweiligen Gesundheitszustand angepasste Angebote zu machen. Dabei stehen nicht die Einschränkungen der Person, sondern ihre Förderpotenziale im Fokus. Dies ist die Grundlage, auf der wir die Qualitätsebenen »Strukturen«, »Prozesse« und »Ergebnisse« gestalten. Die ersten beiden Ebenen sind jene, die auch der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) prüft. Doch die dritte Ebene, die Ergebnisqualität, ist ebenso wichtig. Denn hier geht es um Erhalt und Förderung von Selbstständigkeit, um Unterstützung in spezifischen Bedarfslagen sowie um die Tagesgestaltung und soziale Beziehungen.6 Besonderen Wert legen wir daher auf unser Pflegeleitbild, auf dessen Kernaussagen wir im dritten Kapitel näher eingehen.
Wir betrachten Pflege als einen gleichberechtigten Prozess
Wir betrachten Pflege als einen gleichberechtigten Prozess zwischen Hilfesuchenden und Hilfegebenden. Sie geschieht auf der Grundlage des Regelkreises des Pflegeprozesses. Pflege ist ein dynamischer Vorgang, der regelmäßig ausgewertet werden muss, um eine optimale Pflege zu gewährleisten. Pflege geschieht nicht...