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E-Book

Der Heilungscode der Natur

Die verborgenen Kräfte von Pflanzen und Tieren entdecken

AutorClemens G. Arvay
VerlagRiemann
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641183189
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Das heilende Band zwischen Mensch und Natur
Unser Körper endet nicht an der Hautoberfläche: Mensch und Natur sind tiefgreifend miteinander verbunden. Nach seinem Bestseller 'Der Biophilia-Effekt' tritt Clemens G. Arvay nun den wissenschaftlichen Beweis für die Heilkraft der Natur an: Auf welche Weise stärken Pflanzenstoffe im Wald unser Immunsystem? Welche Anti-Krebs-Wirkstoffe aus der Natur könnten auch in Medikamenten eingesetzt werden? Welche Rolle spielen Tiere in dem großen Organismus Erde, zu dem auch wir gehören? Und was tragen Begegnungen mit Tieren zur Herzgesundheit bei?
Arvay schildert seine Erkenntnisse als Biologe und zieht weltweit führende Forscher zu Rate. So etabliert er die neue Wissenschaft der Ökopsychosomatik, die unser Verständnis von uns selbst und unserer Verbindung mit der Umwelt revolutioniert.



Clemens G. Arvay war Diplom-Ingenieur, Biologe und Sachbuchautor. Er studierte Landschaftsökologie und Pflanzenwissenschaften in Wien und Graz. Arvay beschäftigte sich mit der Beziehung zwischen Mensch und Natur, wobei er die gesundheitsfördernden Effekte des Kontakts mit Pflanzen, Tieren und Landschaften in den Mittelpunkt rückte. Ökologisch produzierte Lebensmittel sowie die Kritik an der Wirtschaftsweise großer Lebensmittelkonzerne stellten einen zweiten Themenkomplex des Autors dar.

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Leseprobe

Kapitel 2

Evolution und Medizin

Die Geschichte meines Kniegelenks

Vor mehreren Jahren litt ich unter Schmerzen im linken Knie. Bei jedem Schritt verspürte ich ein äußerst unangenehmes »Schnappen« im Kniegelenk. Es fühlte sich so an, als würde dort eine Art Gummiband immer wieder ruckartig hinter meiner Kniescheibe hin- und herrutschen. Hinzu kamen ein Entzündungsschmerz und ein leises Knirschen, wann immer ich mich aus der Hocke aufrichtete.

Um den Ursachen für diese Beschwerden auf den Grund zu gehen, landete mein Knie in der Röhre eines Kernspintomografen, auch als Magnetresonanztomograf oder »MRT« bekannt. Unter lautem Rattern und bassähnlichem Klopfen strahlte das Gerät ein starkes Magnetfeld sowie elektromagnetische Radiowellen durch die Gelenkkapsel hindurch, um in Resonanz mit den inneren Strukturen meines Körpers, in diesem Fall meines Knies, zu treten. Da die Atome im menschlichen Körper auf solche Magnetfelder mit der Ausstrahlung elektromagnetischer Energie antworten, konnte das Gerät aus diesen Resonanzen ein Bild der Strukturen in meinem Knie aufbauen. Davon leitet sich der Begriff »Magnetresonanz« ab. Der Arzt interpretierte das Bild und kam zu dem Schluss, dass bei mir ein Einriss des Meniskus vorläge. Eine Operation sei unumgänglich, um die volle Belastbarkeit des Knies wiederherzustellen.

Mit den Bildern aus der Magnetresonanz begab ich mich zu einem ausgewiesenen Kniespezialisten, um eine zweite Meinung einzuholen. Auch dieser riet mir dringend zu einer Operation. Ohne Eingriff, so wurde mir versichert, käme es schon bald zu einer vollständigen Blockade des Kniegelenks. So etwas könne innerhalb eines Augenblicks auftreten. Wer möchte schon im Straßenverkehr oder während einer Wanderung von einem plötzlich blockierten Knie niedergestreckt werden? Ich vereinbarte mit dem Arzt einen Operationstermin.

Was dann im Krankenhaus geschah, hätte Teil einer Komödie sein können. Das Pflegepersonal brachte mich nach meiner Ankunft frühmorgens auf mein Zimmer. Die Anästhesistin führte mit mir ein Routinegespräch, während ich nur mehr mit einem locker sitzenden weißen Kittel bekleidet war. Im Operationssaal bereitete sich mein Operateur vor, um mich zu empfangen. Alle scharrten in den Startlöchern. Ein assistierender Arzt trug inzwischen eine Paste auf mein Knie auf, um die Körperhaare damit aufzulösen und schließlich mit einem Rasiermesser gründlich zu entfernen. Ich blickte von oben auf mein Knie. Die Haut wurde immer nackter. Erst jetzt wurde mir bildhaft und ungeschönt bewusst, was mir als Nächstes bevorstand. Der Operateur würde gleich nach der Rasur mindestens zwei Löcher in mein Kniegelenk bohren, um in die Gelenkkapsel einzudringen und an meinem Meniskus herumzuschneiden und zu schleifen. Ich sah mein unversehrtes Knie und stellte mir vor, wie es in wenigen Minuten aussehen würde. In mir regte sich Widerstand. Ich wollte aus diesem heilen Knie keinen zweifach durchbohrten Körperteil machen lassen.

»Es wird keine Knieoperation geben«, sagte ich. »Zumindest nicht an mir.« Ein Augenpaar blickte mich von unten überrascht an, die Rasur des Knies kam zum Stillstand. Weitere Augenpaare, nämlich die der Krankenschwestern, sahen mich ähnlich verdutzt von rundherum an. Die chirurgische Routine war durchbrochen. Damit hatte offenbar niemand gerechnet. Der Assistenzarzt stemmte sein Augenpaar in die Höhe und sagte, er müsse erst den Operateur holen. Völlig unbeeindruckt davon, dass das gesamte Operationsteam bereits versammelt war, sprang ich auf, schlüpfte aus dem weißen Kittel und packte meine Sachen zusammen.

Der Chirurg kam und versicherte mir noch einmal, dass es zu einer schlimmen Blockade meines Knies kommen werde, wenn ich der Operation nicht doch noch zustimme. Solche Worte haben Macht. Sie schaffen Angst und Verunsicherung, vor allem dann, wenn sie von einem der renommiertesten Knieexperten meines Heimatlandes Österreich ausgesprochen werden. Ich unterzeichnete dennoch die Erklärung, das Krankenhaus auf eigene Verantwortung verlassen zu wollen. Denn zumindest wusste ich mit Sicherheit, dass ich dieses Krankenhaus ansonsten mit zwei Löchern im Knie, einigen Packungen Schmerzmitteln im Gepäck und der Gefahr postoperativer Komplikationen wieder verlassen würde. Und weit und breit war kein Baum zu sehen, der dagegen hätte wirken können. Die angeblich zu erwartende Knieblockade war hingegen vorerst nichts anderes als eine Vorstellung. So kam es, dass ich mit meinem klappernden Knie noch am selben Tag durch das Kliniktor hinausschlenderte, mein Köfferchen in der Hand. Dabei atmete ich erleichtert auf.

Kurz darauf lag ich auf der Untersuchungsbank eines weiteren Orthopäden. Die erfahrenen Hände tasteten mein Knie ab, bewegten mein Kniegelenk und legten sich schließlich im Schoß des Arztes ineinander: »Mit dem Meniskus ist alles in Ordnung.«

Ich verwies auf die Ergebnisse der Magnetresonanz. Doch mein neuer Vertrauensarzt interessierte sich nicht für den Vorbefund. Er setzte ganz auf die guten alten Methoden des Tastens und der physikalischen Untersuchung, die in der Orthopädie lange Zeit beste Ergebnisse geliefert haben. Denn dabei könne ein Orthopäde durch Erfahrung treffsicher feststellen, sagte er, in welchem Zustand sich ein Meniskus befinde.

Die bewährte Methode hatte bei mir ergeben, dass ich einen sogenannten Scheibenmeniskus habe. Ein Blick auf die Bilder aus der Magnetresonanz bestätigte den Verdacht. Mein neuer Behandler interpretierte diese Aufnahme also völlig anders als seine Kollegen zuvor. Der Meniskus ist üblicherweise wie ein Hufeisen geformt. Der Bereich in der Mitte bleibt frei, damit sich die Knorpel des Kniegelenks darin bewegen können. Bei mir und manchen anderen Menschen ist der Meniskus eher wie eine Scheibe geformt. Die Aussparung in der Mitte ist nicht so stark ausgeprägt wie beim Durchschnitt der Menschheit. Dadurch kommt es beim Bewegen des Kniegelenks zu Reibungen der Knorpel am Meniskus. Der kann dabei immer wieder für einen Augenblick eingeklemmt werden, was sich als Schnappen im Kniegelenk bemerkbar macht. Über die Jahre kann der Meniskus in der Mitte auch etwas ausfransen, und das wird in der bildgebenden Diagnostik oft fälschlicherweise als Einriss gedeutet. Ein Scheibenmeniskus ist keine Erkrankung, sondern eine anatomische Spielweise der Natur. Zwar wird er oft chirurgisch therapiert, eine Operation wäre aber nur in seltenen Fällen wirklich notwendig, und wenn, dann hauptsächlich bei übergewichtigen Personen, zu denen ich nicht gehöre. Mein neuer Arzt empfahl mir, Rad zu fahren.

»Einfach nur Rad fahren?«, fragte ich.

»Ja, regelmäßiges Training stärkt die Kniemuskulatur und löst das Problem«, antwortete der Orthopäde.

Ich folgte dem Ratschlag, und binnen zwei Monaten waren sämtliche Beschwerden aus meinem Knie verschwunden. Ich empfand kein Schnappen mehr und kein Knirschen, kein Klappern und keinen Schmerz. Ohne medizinische Maßnahmen und vor allem ohne Operation war mein Problem gelöst. Daraus ist eine große Leidenschaft entstanden, die seit damals zu meinem Leben gehört, nämlich das Mountainbiking.

Das Radfahren ist durch die runden Bewegungen eine besonders kniefreundliche Sportart. Vor allem beim Fahren gegen mittlere Widerstände, also dann, wenn man sich anstrengt, ohne mit Gewalt in die Pedale zu treten, stärkt das Radfahren die Muskulatur, die das gesamte Knie durchzieht. Da es die Muskeln sind, die unsere Knorpeln und Weichteile wie ein Korsett in Form sowie unseren Körper aufrecht halten, sind kräftige Muskeln auch in der Lage, das Kniegelenk von innen heraus zu stabilisieren.

Der Druck auf die Knieknorpel und den Meniskus – in meinem Fall auf den Scheibenmeniskus – nahm ab, und die Symptome verschwanden. Seither hatte ich nie mehr Probleme mit meinem Knie, und ich schließe jede Wette ab, dass ich nie eine Knieblockade erleiden werde, die mir von ärztlicher Seite vorausgesagt, ja regelrecht »garantiert« wurde. Hätte ich mich hingegen einer Operation unterzogen, hätte es zu Folgeschäden kommen können, da bei Meniskusoperationen Teile des Meniskus entfernt werden und die Durchbohrung der Gelenkkapseln außerdem Komplikationen nach sich ziehen kann.

Im Dezember 2013 veröffentlichte das New England Journal of Medicine die Ergebnisse eines klinischen Experiments einer finnischen Meniskus-Forschungsgruppe. Ein großes Team aus Medizinwissenschaftlern und Ärzten führte eine Studie durch, in der sie Patienten mit der Diagnose eines Meniskuseinrisses und entsprechenden Symptomen per Zufallsprinzip in zwei Gruppen einteilten. Beide Gruppen erhielten unter Lokalanästhesie eine Arthroskopie des Knies, also eine Gelenkspiegelung, bei der eine Kamera ins Kniegelenk eingeführt wurde. Dabei handelte es sich um eine Diagnosemaßnahme und nicht um eine therapeutische Behandlung. Bei der ersten Gruppe führten die Ärzte aber in diesem Zuge eine herkömmliche Meniskusoperation durch. Das geschah durch die Löcher, die schon bei der Spiegelung gemacht worden waren. Bei der Operation wurde Meniskusgewebe teilweise entfernt. Es handelte sich um einen standardisierten Eingriff, der häufig durchgeführt wird.

Die zweite Gruppe erhielt nach der Gelenkspiegelung lediglich eine Placebo-Operation. Diese Patienten wurden also getäuscht, indem man ihnen auf dem Monitor die Aufnahme der Knieoperation eines anderen Menschen vorspielte, während sie in dem Glauben waren, sie würden ihre eigene Meniskusoperation beobachten.

Wie nach solchen Eingriffen üblich, mussten alle Patienten danach für Wochen und Monate zur Physiotherapie. Die...

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