Französische Revolution
Die Französische Revolution von 1789 bis 1799 gehört zu den folgenreichsten Ereignissen der neuzeitlichen europäischen Geschichte. Die Abschaffung des damaligen feudalabsolutistischen Ständestaats sowie die Propagierung und Umsetzung grundlegender Werte und Ideen der Aufklärung als Ziele der Französischen Revolution – das betrifft insbesondere die Menschenrechte – waren mitursächlich für tiefgreifende macht- und gesellschaftspolitische Veränderungen in ganz Europa und haben das moderne Demokratieverständnis entscheidend beeinflusst. Die heutige Französische Republik als liberaldemokratischer Verfassungsstaat westlicher Prägung stützt ihr Selbstverständnis unmittelbar auf die Errungenschaften der Französischen Revolution.
Die revolutionäre Umgestaltung und Nationwerdung der französischen Gesellschaft war ein Prozess, bei dem drei Phasen zu unterscheiden sind.
Die erste Phase (1789–1791) stand im Zeichen des Kampfes für bürgerliche Freiheitsrechte und für die Schaffung einer konstitutionellen Monarchie.
Die zweite 1792–1794 führte angesichts der inneren wie äußeren gegenrevolutionären Bedrohung zur Errichtung einer Republik mit radikaldemokratischen Zügen und zur Ausbildung einer Revolutionsregierung, die mit Mitteln des Terrors und der Guillotine alle „Feinde der Revolution“ verfolgte.
In der dritten Phase, der Direktorialzeit 1795–1799, behauptete eine von besitzbürgerlichen Interessen bestimmte politische Führung die Macht nur mühsam gegen Volksinitiativen für soziale Gleichheit einerseits und gegen monarchistische Restaurationsbestrebungen andererseits.
Ausschlaggebender Ordnungs- und Machtfaktor wurde in dieser Lage zunehmend das in den Revolutionskriegen entstandene Bürgerheer, dem Napoleon Bonaparte seinen Aufstieg und den Rückhalt bei der Verwirklichung seiner sich über Frankreich hinaus erstreckenden politischen Ambitionen verdankte.
Ein wirkungsgeschichtliches Hauptereignis der europäischen Geschichte
Als ein Gründungsereignis, das so tief wie kaum ein anderes die Geschichte der Moderne geprägt habe, wird die Französische Revolution in einer neueren Überblicksdarstellung bezeichnet. Nicht nur im Bewusstsein der Franzosen hat diese Revolution eine enorme Bedeutung. Mit der Erklärung der Menschenund Bürgerrechte vom 26. August 1789 wurden auf dem europäischen Kontinent jene Prinzipien bekräftigt und gegen absolutistische Monarchien in Stellung gebracht, die in der Unabhängigkeitserklärung der nordamerikanischen Kolonisten angelegt waren und die heutzutage von den Vereinten Nationen weltweit propagiert und eingefordert werden.
Für Staaten mit schriftlich fixierter Verfassung und entsprechenden Bürgerrechtsgarantien hat die dreiphasige Revolution gleich mehrere Modelle hervorgebracht, die jeweils abweichende Akzente hinsichtlich Freiheit, Gleichheit und Vermögensdifferenzierung (etwa beim Wahlrecht) aufwiesen. Zeitgenossen des Revolutionsgeschehens meinten schon bald nach dem 14. Juli 1789 (Sturm auf die Bastille): „Wir haben in drei Tagen den Raum von drei Jahrhunderten durchquert.“
Als Erfahrungs- und Forschungsobjekt für die Wechselwirkungen von Innen- und Außenpolitik wie von Krieg und Bürgerkrieg, als ein Beispiel für Gefährdungen und Labilität einer demokratischen Ordnung wie für die Eigendynamik revolutionärer Prozesse bleibt die Französische Revolution auch künftig ein ergiebiges Studienfeld.
Die vorrevolutionäre Krise des französischen Absolutismus
Bei der Vielzahl der Ursachen, die im Zusammenhang mit der Französischen Revolution in der Geschichtsforschung diskutiert werden, kann zwischen kurzfristig-akut wirksamen und längerfristig-latenten unterschieden werden. Zu den letzteren werden z. B. sozioökonomische Strukturveränderungen wie der in Entwicklung befindliche Kapitalismus gezählt, der mitsamt der sich seiner bedienenden Bourgeoisie durch das feudalabsolutistische Ancien Régime in seiner Entfaltung eingeengt, gleichsam gefesselt gewesen sei. Der Wandel des politischen Bewusstseins, der mit der Aufklärung vor allem im Bürgertum Rückhalt fand, konnte so gesehen von diesem als Instrument zur Durchsetzung eigener wirtschaftlicher und sozialer Interessen genutzt werden. Für die konkrete Entstehung der revolutionären Ausgangssituation des Jahres 1789 waren aber vor allem die in aktueller Zuspitzung wirksamen Faktoren ausschlaggebend: die Finanznot der Krone, die Opposition des Amtsadels (und damit zusammenhängend die Reformunfähigkeit des Landes, weil der Adel nötige Reformen blockierte) sowie die teuerungsbedingte Brotnot speziell in Paris.
Finanznöte als Dauerproblem
Als der Generalkontrolleur der Finanzen Jacques Necker 1781 erstmals die Zahlen des französischen Staatsbudgets (Compte rendu) veröffentlichte, war dies als Befreiungsschlag zur Herstellung allgemeiner Reformbereitschaft in einer ansonsten ausweglosen Finanzkrise gemeint. Seine Amtsvorgänger hatten da bereits vergebliche Anläufe zur Stabilisierung der Staatsfinanzen unternommen. Neckers Zahlenwerk schockierte: Einnahmen von 503 Millionen Livres (Pfund) standen Ausgaben von 620 Millionen gegenüber, wovon allein die Hälfte auf Zins und Tilgung für die enorme Staatsverschuldung entfiel. Weitere 25 % verschlang das Militär, 19 % die Zivilverwaltung und ca. 6 % die königliche Hofhaltung. Dass für höfische Feste und Pensionszahlungen an Höflinge eine Summe von 36 Millionen Livres anfiel, wurde als besonders skandalös angesehen.
Zu dem Schuldenberg erheblich beigetragen hatte die Beteiligung der französischen Krone am Unabhängigkeitskrieg der amerikanischen Kolonisten gegen das britische Mutterland. Zwar war die beabsichtigte Niederlage und machtpolitische Schwächung des Handels- und Kolonialmacht-Rivalen eingetreten, aber der Preis für das Regime Ludwigs XVI. war ein doppelter: Nicht nur wurden die Staatsfinanzen dadurch zusätzlich enorm belastet, sondern die aktive Beteiligung französischer Militärs an den Befreiungskämpfen der amerikanischen Kolonisten und die Beachtung von deren Anliegen in der meinungsbildenden französischen Öffentlichkeit schwächten die Position der absolutistischen Herrschaft auch auf ideologischer Ebene nachhaltig.
Reformblockade der Privilegierten
Wie alle Amtskollegen vor und nach ihm stieß Necker mit seinen Plänen zur Verbesserung der Staatseinnahmen auf energischen Widerstand, der einen bereits geschwächten monarchischen Absolutismus schließlich zu Konsequenzen zwang. Das Einnahmen- und Verwaltungssystem des Ancien Régime war trotz zentralistischer Tendenzen, wie sie vor allem von den Intendanten als königlichen Verwaltungsbeauftragten in den Provinzen verkörpert wurden, uneinheitlich und zum Teil ineffektiv (vgl. Historische Provinzen Frankreichs). Neben solchen Provinzen, in denen die Besteuerung unmittelbar durch königliche Beamte geregelt werden konnte (pays d’Élection), gab es andere, wo die Zustimmung der Provinzialstände für Steuergesetze nötig war (pays d’État). Von direkten Steuern ausgenommen waren dabei die ersten Stände, Adel und Klerus. Die Hauptsteuerlast trugen die Bauern, die zusätzlich Abgaben an Grundherrn und Kirchensteuern aufzubringen hatten. Für die Steuereintreibung waren Steuerpächter zuständig, die gegen einen an die Krone abzuführenden Festbetrag die Abgaben bei den Steuerpflichtigen erhoben und dabei Überschüsse für sich behalten konnten – eine gleichsam institutionalisierte Einladung zum Missbrauch. Die Haupteinnahmen wurden bei der Salzsteuer (Gabelle) erzielt, die dafür nach zahlreichen Erhöhungen im Volk besonders verhasst war.
Von ausschlaggebender Bedeutung als Reformbremse waren schließlich die Obersten Gerichtshöfe (Parlements), die den von der monarchischen Regierung erlassenen Gesetzen durch Einregistrierung Gültigkeit verleihen, Einwände erheben oder ihnen die Zustimmung verweigern konnten. Die Parlamente waren eine Domäne des Amtsadels (Noblesse de robe). Innerhalb ihres Standes waren die Amtsadligen Emporkömmlinge, die sich zumeist durch Ämterkauf den Adelsstatus erworben hatten. Bei der Wahrung ihrer Privilegien und Interessen waren sie aber nicht weniger engagiert als der alteingesessene Schwertadel (noblesse d’épée). Die in den Parlamenten praktizierte zunehmende Verweigerungshaltung gegenüber Steuergesetzen der Krone fand Rückhalt auch im Volk. Nachdem alle Einschüchterungsversuche des Hofes erfolglos geblieben waren und auch die Initiative Ludwigs XVI. gescheitert war, die Privilegierten in einer 1787 und 1788 eigens zusammengerufenen Notabelnversammlung auf seinen Kurs zu verpflichten, versuchte die Regierung die Privilegien der Parlamente zu beschneiden. Es kam daraufhin zu einer breiten Solidarisierung mit den Parlamentsangehörigen. Diese gipfelte in Unruhen, die in Grenoble am „Tag der Ziegel“ Verlauf und Forderungen der späteren Revolution in mancher Hinsicht vorausnahmen. Letztlich kam der König an der Wiedereinberufung der seit 1614 ausgesetzten...