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Tief in Südamerika

Mit dem Wohnmobil 6 Jahre unterwegs

AutorEika Bernauer, Gerhard Nußbaummüller, Greti Nußbaummüller
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl348 Seiten
ISBN9783739296302
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR
Gerhard und Greti Nußbaummüller erfüllten sich den Traum ihres Lebens: Sie stiegen aus dem Berufsleben aus und gingen auf Reisen. Mit einem selbst gebauten Wohnmobil, einem 40 Jahre alten Steyr 680, zogen sie los, zunächst ein halbes Jahr durch Nordeuropa, dann verschifften sie nach Südamerika. Sechs Jahre lang erkundeten sie den ganzen Kontinent. Sie befuhren die legendäre Ruta 40, die sich über 5000 Kilometer durch Argentinien zieht, und die 1200 Kilometer lange Carretera Austral, die große Wildnisstraße Südchiles. Sie wagten sich auf die gefährlichste Straße der Welt, die Straße des Todes in Bolivien, und auf die 2000 Kilometer lange Transamazônica, die durch den Dschungel Brasiliens führt. In Guyana entkamen sie nur knapp einer Überschwemmungskatastrophe, in Französisch-Guyana erlebten sie den Start einer Ariane-Rakete, in Venezuela wurden sie von Yanomami-Indianern zu einer unvergesslichen Wildschweinjagd eingeladen. Die beiden lebten monatelang mit Gauchos, Cowboys und Großgrundbesitzern zusammen, besuchten Rodeos und traditionelle Feste und verbrachten viel Zeit an abgelegenen Plätzen in grandioser Natur. Knapp 70.000 Kilometer reisten Gerhard und Greti Nußbaummüller durch heiße, staubige Wüsten, durch kalte, windige Pampa, durch dichten, tropischen Dschungel und über hohe Andenpässe. Mit an Bord war stets ein Rucksack voll Neugierde, Erlebnishunger, Lust auf Abenteuer, Teamgeist und Zuversicht. Das Buch bietet einen tiefen Einblick in das Leben auf dem südamerikanischen Kontinent und in die Erkenntnisse zweier Aussteiger. Es beschreibt Höhe- und Tiefpunkte einer langen Reise. Und es macht Lust, selbst aus- und aufzubrechen.

Gerhard Nußbaummüller ist Ingenieur für Maschinenbau, und Greti Nußbaummüller arbeitete als Laborantin in einem Textilbetrieb, bevor beide 2007 aus dem Berufsleben ausstiegen. In Österreich betrieben sie neben ihren Berufen zehn Jahre lang eine Selbstversorger-Landwirtschaft, dann verwirklichten sie ihren Traum vom Langzeitreisen.

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Leseprobe

ARGENTINIEN


Harte Kontraste – Januar bis April 2009

Offiziell ist Buenos Aires 202 Quadratkilometer groß und beherbergt etwa drei Millionen Menschen; die Ausdehnung der Metropolregion Gran Buenos Aires macht jedoch das Zehnfache des Kerngebiets aus, und im Jahr 2010 wurden hier über dreizehn Millionen Einwohner gezählt. Diese Megacity bietet in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht alles, was das Herz begehrt, aber sie ist auch das Territorium von 18.000 Autobussen, 40.000 Taxis und ungezählten Privatwagen, die Tag und Nacht für Lärm und Gestank sorgen.

Um der Großstadthektik etwas zu entgehen, parkten wir unser Wohnmobil im Stadtteil Puerto Madero am Rand eines Naturparks. Puerto Madero wurde Ende des 19. Jahrhunderts als neuer Hafen für die größer werdenden Schiffe geplant und gebaut, doch schon zehn Jahre nach der Fertigstellung war er wieder unbrauchbar geworden: Die jüngste Schiffs-Generation hatte inzwischen noch mehr Tiefgang. Also baute man den Puerto Nuevo, und der Puerto Madero verfiel. Erst Ende des 20. Jahrhunderts hauchte man dem alten Hafen neues Leben ein: Die Ruinen der Lagerhäuser und die Silos wurden in Wohntürme, Hotels, Bürohäuser und Museen verwandelt. So erlebten wir den Puerto Madero als schickes, neues Stadtviertel, in dem wir sehr angenehm unsere ersten Tage in Südamerika verbringen konnten.

Kurz vor unserer Ankunft war die Rallye Dakar zu Ende gegangen, die 2009 zum ersten Mal in Südamerika stattgefunden hatte. Start und Ziel waren in Buenos Aires gewesen, und der Großteil der teilnehmenden Fahrzeuge reiste nun auf dem Schiff zurück nach Europa, auf dem wir gekommen waren. Manch ein Passant, der am Jimmy vorbeikam, hielt uns für ein Überbleibsel der Rallye. Immer wieder wurden wir bestaunt und fotografiert. Gelegentlich leisteten wir Aufklärung, indem wir die Leute zu der Weltkarte führten, die wir außen am Jimmy aufgeklebt hatten, und ihnen mit Händen, Füßen und den ersten Brocken Spanisch unser Vorhaben erklärten. Die Reaktionen waren überaus freundlich. Alle wünschten uns Glück, manche umarmten uns sogar. Und ein Jogger, der vorbei lief, rief: „Welcome to Argentina and have a nice trip!“

Obwohl wir in einem so genannten guten Viertel standen, erlebten wir die Gegenwart von Arm und Reich deutlich. Keine hundert Meter entfernt von uns befand sich das Hotel Hilton, in dem eine Übernachtung etwa so viel kostete wie der Flaschensammler im Jahr verdiente, der immer wieder vorbeikam, um unsere leeren Colaflaschen mitzunehmen. Auf unseren langen Märschen durch das nahe gelegene Zentrum und die angrenzenden Stadtteile sahen wir viele Polizisten auf den Straßen patrouillieren, und vor den meisten Geschäften standen Sicherheitsbeamte, so dass wir uns stets gut bewacht fühlten. Wir kauften noch einiges an Ausrüstung, die wir tatsächlich oder vermeintlich brauchen würden. In letztere Kategorie fiel ein Adapter und ein Schlauch zum Umfüllen von Gasflaschen, wie sich bald herausstellen sollte. Trotz eifrigen Bemühens gelang es uns allerdings nicht, Gas zur Befüllung unserer Gasflaschen aufzutreiben, die auf dem Schiff aus Sicherheitsgründen hatten leer sein müssen.

Nach acht Tagen in Buenos Aires wurde es Zeit, die Stadt zu verlassen. Wir starteten in den frühen Morgenstunden, um halbwegs leere Straßen zu haben, dennoch wurde die Fahrt im Stadtgebiet von Buenos Aires keineswegs langweilig. Als erstes stellten wir fest, dass die meisten Leute hier nur mit Standlicht fuhren und zudem bei fast keinem Auto alle Lichter funktionierten. Wenn uns ein einzelnes Scheinwerferlicht entgegenkam, durften wir daher kein Motorrad annehmen, sondern mussten immer mit einem Auto rechnen. Dies war umso wichtiger, als auf den meisten Straßen die Leitlinien fehlten und man so keinen Anhaltspunkt hatte, wo die rechte Spur endete und die linke begann. Hier waren also Gefühl und Flexibilität gefragt. Dann lernten wir sehr schnell, auf die Geschwindigkeitsbegrenzer zu achten, die in reichlicher Zahl auf dem Straßenbelag aufgebracht waren. Angesichts ihrer Höhe lag die Vermutung nahe, dass sie von den selben Firmen hergestellt und montiert wurden, die auch Blattfedern verkauften; bei zu schnellem Überfahren drohte jedes Mal ein Federbruch. Des Weiteren standen die meisten Ampeln nicht vor den Kreuzungen, die sie regelten, sondern nach den Querstraßen. Machte man den Fehler, unmittelbar vor der roten Ampel stehen zu bleiben, fand man sich plötzlich mitten im Querverkehr wieder. Man tat also gut daran, rechtzeitig vor der Querstraße stehen zu bleiben. Und stehen blieb man hier sowieso nur, wenn tatsächlich ein Fahrzeug kreuzte; ich überfuhr, kaum dass ich diese Lektion gelernt hatte, innerhalb einer Stunde weit mehr rote Ampeln als in meinem ganzen Leben zuvor.

Zweimal unterbrachen wir unsere nächtliche Fahrt: einmal, um Diesel zu tanken, für umgerechnet 45 Eurocent pro Liter. Da machte das Tanken wieder Spaß! Etwas später hielten wir, um an einem Wasserhahn unser Trinkwasser aufzufüllen. Während das Wasser einlief, beobachteten wir ein Auto, das einem vor ihm an der Ampel stehenden Klein-LKW auf die Stoßstange prallte. Ein Scheinwerfer zersplitterte, aber keiner der beiden Fahrer stieg aus. Als die Ampel auf grün schaltete, fuhren beide weiter, als wäre nichts geschehen.

Nach fünfzig Kilometern Stadtgebiet begann allmählich die Pampa. Diese Grassteppe bildet das Kernland Argentiniens. Sie misst 3000 Kilometer in ihrer Nord-Süd-Ausdehnung, 1500 Kilometer von West nach Ost, und wird in weiten Gebieten zur Viehzucht und zum Ackerbau genützt. Für uns bedeutete die Pampa in erster Linie schnurgerade Straßen bis zum Horizont mit einem Ausblick auf endlose Felder und Weiden hinter endlosen Zäunen. Nach dem hektischen Treiben in Buenos Aires spürten wir die plötzliche Leere besonders intensiv.

An der Einfahrt zu einer Hazienda sahen wir drei LKW, jeder mit zwei Anhängern voller Rinder. Von den Höfen unserer Familien im heimatlichen Mühlviertel wurden höchsten zwei Stiere auf einmal abgeholt! Aber schon allein die großen Rinderherden auf den riesigen Weiden, die es hier gab, wären gut und gerne in der Lage gewesen, einen mühlviertler Bauern in Depressionen zu stürzen. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte man, wie dürr und hart das Gras tatsächlich war, und dass die ganze Gegend unter Trockenheit litt. Ein mühlviertler Bauer würde sich zwar wie ein Liliputaner unter Riesen fühlen, aber ihm dürfte auch klar werden, dass er wohl das sorglosere Leben führte.

Den ersten Übernachtungsplatz in der Pampa fanden wir etwas abseits der Hauptstraße an einem Feldweg. Als wir gegen 22 Uhr gerade schlafen gehen wollten, näherte sich uns ein Pick-up mit Blaulicht. Ein Polizist in Zivil, aber mit kugelsicherer Weste und einer 45er in der Hosentasche – nicht in einem Halfter! – fragte uns, was wir hier machten. Er überprüfte unsere Papiere und gab uns zu verstehen, dass wir in den nächsten Ort fahren sollten, um zu übernachten. Hier sei es nicht sicher. Also setzten wir unseren Jimmy noch einmal in Bewegung und fuhren ein paar Kilometer, doch bis zum nächsten Ort war es uns zu weit. Wir stellten uns wieder an den Straßenrand, und diesmal wurden wir nicht mehr belästigt, weder von bösen Buben noch von der Polizei.

Tags darauf beschlossen wir, uns eine der Ortschaften anzusehen, an denen wir ungefähr alle hundert Kilometer vorbeifuhren. Zu diesem Zweck bewegte ich ausnahmsweise einmal das Lenkrad. Wir verließen die schnurgerade Hauptstraße und erreichten Bolivar. Der Ort war – typisch für Südamerika – auf dem Reißbrett entworfen worden; es gab großzügig bemessene, schnurgerade Längs- und Querstraßen. Palmen und prächtige Laubbäume beschatteten die Gehwege. Vor jedem Haus war ein Gitterkorb auf einem Pfahl montiert, der offensichtlich der Präsentation des Mülls diente: Die Müllabfuhr kreiste durch den Ort und nahm den Müll mit.

Obwohl Bolivar mit einer Größe von einem Quadratkilometer recht überschaubar war, bot der Ort einen weitläufigen Park mit Teich, Spielplätzen, Grillplätzen und sogar einem Kreuzweg. Wir kamen an einem Fußballstadion, einem Golfplatz und an einer Trabrennbahn vorbei, auf der gerade Pferde trainiert wurden. Über weite Strecken machte der Ort einen sehr gepflegten Eindruck, aber den großen Gegensatz zwischen Arm und Reich gab es auch hier: Neben schicken Villen, die durchaus auch in Mitteleuropa hätten stehen können, duckten sich windschiefe Wellblechhütten ins hohe Gras, und rundherum lag Schutt und Müll.

Als wir nach unserem Spaziergang wieder beim Jimmy ankamen, parkte neben ihm ein argentinischer Mercedesbus 1518. Ein Paar in den mittleren Jahren stieg aus. Die beiden stellten sich als Norma und Carlos aus Buenos Aires vor. Sie waren neugierig auf uns, sprachen aber leider kein Englisch, so dass sich die Unterhaltung sehr schwierig gestaltete. Mit unseren wenigen Vokabeln erklärten wir ihnen unseren Plan, einmal um die Welt zu fahren. Sie besichtigten den Jimmy und luden uns im Gegenzug zu sich ein. Natürlich glaubten wir, dass die...

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