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Halberstadt - Fliegerstadt bis 1918

mit einem Abriss der Luftfahrtgeschichte

AutorBernd Sternal
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl140 Seiten
ISBN9783739280943
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der Autor hat sich einem regionalen Kapitel der Industrie- und Technik-Geschichte zugewandt, das weitgehend in Vergessenheit geraten ist: Halberstadt als einer der innovativsten und erfolgreichsten Flugzeugproduktionsstandorte des Ersten Weltkrieges sowie als renommierter Standort zur Pilotenausbildung. Um die technischen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge, wie Halberstadt zur Fliegerstadt wurde, besser zu veranschaulichen, hat der Autor dem Regionalteil einen kurzen Abriss der Luftfahrtgeschichte vorangestellt. Das Buch ist zudem mit ca. 100 seltenen Zeitdokumenten in Form von Fotos, Grafiken und Zeichnungen ausgestattet, die einen Eindruck von einer Zeit vermitteln, die erst 100 Jahre zurückliegt, uns jedoch vom Stand der Technik her wie eine kleine Ewigkeit vorkommt.

Bernd Sternal, Ingenieur, Publizist und Autor, wurde 1956 in Gernrode/Harz geboren. Er war als Manager, Unternehmer und Berater tätig, bevor er sich seit 2006 fast ausschließlich dem Schreiben und Publizieren widmete.

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Leseprobe

Der österreichische Konstrukteur mit deutscher Staatsangehörigkeit, Edmund Rumpler (1872 - 1940), kann die Priorität für sich in Anspruch nehmen, die erste deutsche Flugzeugfabrik gegründet zu haben. Der Ingenieur war nach dem Studium zunächst im Eisenbahnsektor tätig. Ab 1900 wechselte er dann als Konstrukteur in die Automobilmotoren-Branche. Im Jahr 1906 gründete Rumpler in Berlin ein Ingenieurbüro, in das er 1908 eine Abteilung für Flugzeugbau integrierte. Im Oktober 1908 folgten in Berlin-Johannisthal die Rumpler Flugzeugwerke GmbH. Zeitgleich gründete jedoch auch August Euler in Griesheim die Euler-Flugmaschinenwerke.

“Bristol – Boxkite“ 1912 Foto aus dem Privatarchiv von Werner Hartmann, Halberstadt

Edmund Rumpler war schwerpunktmäßig Maschinenbau-Ingenieur und Motorenkonstrukteur, was ihn wohl veranlasste, zunächst ein Lizenzflugzeug zu bauen und sich auf die Flugzeugantriebs-Entwicklung zu konzentrieren. Ab 1910 baute er deshalb die von dem Österreicher Ignaz Etrich im Jahr 1908 entwickelte „Taube“ als Lizenzbau. Etrich, der sich schon von Kindheit an, zusammen mit seinem Vater, der Fliegerei verschrieben hatte, baute bereits 1907 sein erstes Motorflugzeug in Wien, die Etrich 1. Diese Maschine entwickelte er kontinuierlich weiter, wobei ihm ab 1909 sein Partner Franz Wels als Konstrukteur behilflich war. Etrich war es auch, der die Flugzeugsteuerung auf neue Beine stellte: Das Seitenruder wurde mit den Füßen betätigt, Quer- und Höhenruder ließ er mittels eines Lenkrades (vom Automobil) betätigen. Daraus entwickelte sich dann das heute gebräuchliche Steuerhorn. Im Jahr 1910 fand der Jungfernflug der Etrich Taube II statt, deren Konstruktion sich Etrich in Österreich patentieren ließ.

Edmund Rumpler baute das Flugzeug in Deutschland unter dem Namen Etrich-Rumpler-Taube. Rumpler wollte seinen Lizenzbau in Deutschland patentieren lassen, was ihm aber auf Grund fehlender eigener Entwicklungen vom Patentamt versagt wurde. So konnte die Taube von Jedermann ohne Gebühr und Lizenz nachgebaut werden, was Rumpler veranlasste, den Lizenzvertrag einseitig aufzukündigen und das Flugzeug fortan unter dem Namen Rumpler-Taube zu bauen.

“Taube III“ 1913 in Halberstadt Foto aus dem Privatarchiv von Werner Hartmann, Halberstadt

Ignaz Etrich gründete daraufhin 1912 in Liebau/Schlesien (heute Lubawka/Polen) die Etrich-Fliegerwerke. Dort wurde die erste geschlossene Passagierkabine für ein Motorflugzeug konstruiert.

Da das Baumuster der Etrich-Taube außerhalb von Österreich lizenzfrei nachgebaut werden konnte, fertigten bald über 40 Unternehmen diesen Typ und jedes brachte seine eigenen Verbesserungen und konstruktiven Veränderungen ein. Rumpler konstruierte daher 1912 den ersten deutschen Flugmotor mit acht Zylindern in V-Form, was seinen Tauben einen leistungstechnischen Vorsprung verschaffte. Aus seiner Berliner Fabrik gingen später einige andere Flugzeugwerke hervor, so auch die Bayrische Rumpler-Werke AG in Augsburg. Diese AG hatte am Ende des 1. Weltkrieges 2.300 Mitarbeiter, die während des Krieges insgesamt 1.400 Flugzeuge herstellte; neben der Taube wurden auch die Rumpler B-Typen (Aufklärungsflugzeuge), die Rumpler C-Typen (Kampfflugzeuge) und Rumpler G-Typen (Bomber) in den Rumpler-Werken gebaut.

Zeitgleich mit Rumpler hatte auch der aus Oelde stammende Luftfahrtpionier August Heinrich Euler (1868 - 1957) die Euler Flugzeugwerke gegründet. Zuvor hatte er die Lizenz für den Nachbau eines Flugzeugtyps der französischen Firma SA des Aéroplanes G. Voisin erworben. Der Voisin-Doppeldecker gilt als erstes in größerer Serie gebautes Motorflugzeug der Welt. Dieser Typ hatte eine kastenförmige Grundkonstruktion aus Stahl und Fichtenholz. Der Pilot saß mittig auf der unteren Tragfläche; vor ihm war das Höhenruder installiert und unter ihm das Hauptfahrwerk, bestehend aus zwei Fahrradrädern. Für den Antrieb war der Doppeldecker mit einem 50 – 60 PS Druckpropellermotor ausgestattet (der Propeller drückt, im Gegensatz zum Ziehpropeller).

Euler erkannte schnell, dass er, um Erfolg zu haben, zügige Weiterentwicklungen am Lizenzmodel vornehmen musste. Am 1. Februar 1910 erhielt Euler als Erster, nach absolvierter Pilotenprüfung, das Flugzeugführerpatent „Deutschland Nr.1“, das fortan amtlich zum Führen von Flugzeugen vorgeschrieben und international gültig war. Im Jahr 1912 verlegte Euler seine Fabrik nach Frankfurt/Main, in die Nähe des Stadtteils Niederrad. Grund für diese Standortverlagerung war wohl der bereits etablierte Luftfahrtstandort Frankfurt.

Euler verfolgte die Strategie, mit seiner Flugschule Piloten auszubilden und Schulungsflugzeuge zu bauen. Außerdem hatte er die Möglichkeiten der Luftpost erkannt. Er baute den Doppeldecker „Gelber Hund“, der am 10. Juni 1912 den ersten amtlichen Postflug zwischen Frankfurt am Main und Darmstadt absolvierte.

August Euler wird auch die Anregung für die Nationalflugzeugspende zugeschrieben, die 1912 im Deutschen Reich in Anlehnung an die bereits genannte Zeppelin-Spende von Prinz Heinrich von Preußen gestartet wurde. Zur Entwicklung der Luftfahrt wurden nach dem Spendenaufruf des Prinzen bis Ende 1912 insgesamt 7,5 Millionen Reichsmark eingenommen. Die gesamten Spendengelder wurden dann für Entwicklungen an Luftfahrtunternehmen vergeben.

Wohl auch durch diese Spendengelder war es Euler möglich, von der Berliner Luftverkehrsgesellschaft LVG die Lizenz für den Doppeldecker LVG B.I zu erwerben und dieses Aufklärungs- und Schulflugzeug fortan als Euler-B-Typ zu bauen.

Übrigens waren auch die Flugmaschinenwerke Gustav Otto, Sohn des Otto-Motor-Erfinders Nicolaus August Otto, Lizenznehmer dieses Flugzeugtyps.

Ein Jahr nach Rumpler und Euler gründete Jacob Goedecker (1882 - 1957) im Jahr 1909 in Niederwalluf am Rhein die „J. Goedecker Flugmaschinenwerke“. Goedecker, der aus einer wohlhabenden Mainzer Unternehmerfamilie stammte, hatte Maschinen- und Schiffbau in Aachen studiert, wo er Prof. Hugo Junkers kennengelernt hatte. Schon während seines Studiums beschäftigte sich Goedecker mit Flugzeugkonstruktionen und gründete nach dem Studienabschluss folgerichtig das Flugzeugwerk. Bereits um 1910 erzielte er erste Erfolge mit einer der Etrich-Taube nachempfundenen Eigenkonstruktion. Dabei verwendete er wohl als erster Ballonbereifungen für sein Fahrwerk. Im Jahr 1911 gründete Goedecker eine Flugschule – Anton Herman Gerard „Anthony“ Fokker war einer seiner ersten Flugschüler. Fokker (1890 - 1939), der aus einer wohlhabenden niederländischen Unternehmerfamilie stammte, hatte an der Ingenieurschule Bingen Flugzeugbau studiert und, wie Goedecker, bereits während des Studiums Flugzeuge konstruiert. Seine Konstruktion ließ er, mit dem Geld seines Vaters und seines Partners Oberleutnant Franz Daum, in den J. Goedecker Flugmaschinenwerken bauen. Am 7. Juni 1911 erwarb er auf dieser Maschine, die er „Spinne“ nannte, den Pilotenschein (Flugschein) Nr. 88 des Deutschen Luftfahrerverbandes (DLV) in der Flugschule Goedecker.

Goedecker baute ab 1910 Eindecker, Doppeldecker und Flugboote, die er zum Teil auch ans Militär lieferte. Er kam aber nie über die Kleinserienfertigung hinaus und im 1. Weltkrieg erhielt er keine Aufträge vom Militär mehr, was ihn dazu zwang, sich auf Reparaturen sowie auf die Zulieferung zu beschränken.

Ganz anders dagegen verlief die Entwicklung von Anthony Fokker. Dieser gründete im Februar 1912 die „AHG Fokker Aeroplanbau“ in Berlin-Johannisthal. Bereits im ersten Jahr baute Fokker etwa 25 Flugzeuge des Typs M.1 (Spinne). Das waren sogenannte Tiefdecker (die Tragflächen sind an der Unterseite des Rumpfes angeordnet), die im 1. Weltkrieg bei der deutschen Fliegertruppe als Schul- und Aufklärungsflugzeuge zum Einsatz kamen, aber schon bald nicht mehr dem Stand der Technik entsprachen.

Aus nicht bekannten Gründen verlegte Fokker Mitte 1913 seine Flugzeugfabrik von Berlin nach Schwerin und gliederte ihr eine Flugschule an. In seiner neuen Fabrik, in der heutigen Schweriner Bornhövedstraße, stellte er ab 1914 überwiegend Jagdflugzeuge her, die er im Militärauftrag fertigte. Zuvor hatte er seine Firma in Fokker Aeroplanbau GmbH umbenannt.

Ebenfalls im Jahr 1909 gründete Enno Walther Huth (1875 - 1964) in Berlin-Johannisthal die Albatros-Flugzeugwerke. Huth, der nach 13 Jahren als Offizier das Militär verlassen hatte, studierte anschließend Naturwissenschaften. Nachdem er 1909 den französischen Flugpionier Hubert Latham kennengelernt hatte, entstand sein Wunsch in Deutschland Flugzeuge zu bauen. Seine Ehefrau war die Tochter des sehr wohlhabenden Eisenbahnunternehmers Hermann Bachstein, der 1908 verstorben war. Durch das Erbe seiner Frau hatte Huth großen finanziellen Spielraum, so dass er Ende 1909 sein Albatros-Flugzeugwerk gründen konnte. Zunächst baute Huth französische Lizenzflugzeuge. Aber bald schon konnte er die renommierten Flugzeugkonstrukteure Ernst Heinkel und Helmut Hirth verpflichten und entwarf und baute eigene Konstruktionen. Seine Albatros-Flugzeuge waren wegen ihrer Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit sehr geschätzt. Besonders erfolgreich waren seine zweisitzigen Doppeldecker: der Aufklärer Albatros B-Serie, der Jagdflieger Albatros D-Serie sowie der...

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