Die bereits angesprochene Goldgräberstimmung wird besonders deutlich im Markt der medizinischen/medikamentösen und nichtmedikamentösen »Therapien«, wobei der medizinische Bereich ausdrücklich nicht Thema dieses Buches ist und hier nicht weiter vertieft werden soll.
Doch auch hier würde es sich mit Sicherheit lohnen, genauer hinzuschauen. Über das Für und Wider von Antidementiva wurde und wird noch immer vielfältig diskutiert. Die Erfolge sind wohl eher marginal, aber solange eine Möglichkeit besteht, den Verlauf der Demenz positiv zu beeinflussen, sollte man diese nutzen. Es nicht zu tun, wäre fahrlässig und unverantwortlich. Genauso muss aber ein Einsatz dieser Medikamente gut abgewogen und verantwortungsvoll erfolgen. So können zu starke Nebenwirkungen oder andere Begleiterscheinungen selbstverständlich ein Grund sein, von einem Einsatz von Antidementiva abzusehen.
Kritischer ist vor allem der Markt der Pseudomedikamente zu sehen. Hier wird mit der Angst der Menschen Geschäft gemacht. Nehmen wir zum Beispiel marketingtechnisch gut präsentierte Ginkgopräparate. Die – teils vom Hersteller finanzierten – Studien versprechen einen Nutzen. Unabhängige neue Studien gibt es kaum. Immerhin scheinen Ginkgopräparate nicht zu schaden ... und Apotheken und Pharmafirmen haben es ja heute auch nicht leicht. Es gibt auch noch andere Präparate. Da kann zum Beispiel eine medizinische Ernährung zur diätetischen Behandlung der Alzheimerkrankheit im Frühstadium genannt werden. Sie enthält unter anderem Omega-3-Fettsäuren und einige Vitamine. Der Erfolg ist bisher allerdings kaum nachgewiesen. So erklärte uns in einem persönlichen Gespräch der Leiter des Zentrums für Kognitive Störungen und Rehabilitation am Klinikum rechts der Isar, Professor Dr. Alexander Kurz, der eine der ersten Studien zu einem derartigen Produkt begleitete: »(...) durch dieses Mittel können sich Betroffene in einem Buch ein Wort mehr merken als sonst.« Das finden wir beeindruckend, oder?
Im »Demenzbereich« des Gesundheitsmarktes tummeln sich Anbieter der verschiedenen Therapien und Produkte und werben für ihre »Waren«. Werbung an sich muss weder schlecht noch unredlich sein. Ganz im Gegenteil: Gute Methoden, Angebote und Einrichtungen müssen im besten Sinne beworben werden, damit möglichst viele Betroffene und Angehörige davon profitieren. Diese Erregung von Aufmerksamkeit führt möglicherweise auch dazu, dass Angebote kopiert, ausgebaut, ggf. weiterentwickelt oder angepasst werden, sodass noch mehr Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen profitieren können.
Doch leider gibt es auf diesem Markt auch Verkäufer und Verkaufsformen, die Betroffene, Angehörige und alle im Bereich Tätigen hellhörig werden lassen sollten. Denn einige Verkäufer bedienen sich an den Hoffnungen, Nöten und Ängsten der – vor allen Dingen – Angehörigen demenzkranker Menschen, um sich zu bereichern, ohne dass Nutzen und Sinnhaftigkeit ihrer Produkte und Therapien geklärt sind. Die folgenden kurzen Ausführungen enthalten daher einige Hinweise darauf, wie das vonstattengehen kann.
Tipp – Holen Sie sich Expertenrat!
Für viele Entscheidungen in puncto Demenztherapien (im weitesten Sinne) ist es generell ratsam, sie nicht allein und innerhalb kürzester Zeit zu treffen. Grundsätzlich gilt, sich in Ruhe zu informieren und Rat und Unterstützung einzuholen. Dafür stehen z. B. folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
• Beratungsgespräche beim Hausarzt und/oder behandelnden Neurologen
• Beratungsgespräche bei der Krankenkasse
• Beratungsgespräche bei Pflegestützpunkten der Kommunen
• Beratungsgespräche bei Alzheimer Gesellschaften oder anderen Vereinen und Initiativen
• Internetrecherche (Achtung: Achten Sie auf die Qualität, die Aktualität und den Anbieter der Informationen!)
• Infomaterial des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
• Portal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): www.wegweiser-demenz.de
Es gibt Firmen, die nicht erlaubte sogenannte Cold Calls gerade bei Senioren durchführen. Angekündigt wird dabei beispielsweise, dass in den kommenden Tagen der Seniorenberater der Gesellschaft/Firma XY in der Stadt sei – ein ausgewiesener Fachmann in Sachen Hilfsmittelversorgung. Gerne würde er sich ganz kostenlos und unverbindlich vorstellen und auf einen Besuch vorbeikommen ...
Allein schon der unaufgeforderte Anruf irgendeiner Beratungsfirma sollte stutzig machen. Wir raten ausdrücklich davon ab, mit unbekannten Firmenvertretern Termine irgendwelcher Art zu machen, ganz egal ob es um Nahrungsergänzungsmittel oder Pflegehilfsmittel oder andere Themen rund um Gesundheit oder Demenz geht. Seriöse Firmen rufen nicht unaufgefordert an. Über benötigte Hilfsmittel – vom Rollstuhl bis zum Pflegebett – sprechen Sie mit Ihrer und Ihrem Hausarzt sowie ggfs. Ihrem Sanitätshaus. Das sind die richtigen Berater dafür – nicht die herumreisenden »Vertreter«. Sie möchten in der Regel nur eins: Verträge abschließen, sei es über Hausnotrufe oder andere Serviceleistungen bis hin zu speziellen »Anti-Alzheimer-Matratzen« oder (überteuerten) Rollatoren. Klassischerweise sind viele diese Hilfsmittel (Pflegebett, Rollator, Toilettenstuhl etc.) zudem oft verordnungsfähig – und damit Leistungen der Krankenkasse oder ggf. der Pflegekasse.
Um mit einem solchen unerwünschten Werbeanruf umzugehen, gibt es eigentlich nur ein Mittel: den Hörer aufzulegen. Wenn Sie die Zeit investieren möchten, können und sollten Sie solche Anrufe auch der Bundesnetzagentur über deren Webseite und das entsprechende Formular anzeigen. Da diese Werbeanrufe ohne Ihre vorherige Zustimmung nicht erlaubt sind, kann die Bundesnetzagentur entsprechende Bußgelder verhängen.
Vorsicht Falle!
Im Auftrag der Deutschen Alzheimer Gesellschaft oder anderer seriöser Seniorenorganisationen gibt es keine reisenden Handelsvertreter, die Ihnen beim Beratungsbesuch Verträge über Hilfsmittel oder Serviceleistungen verkaufen möchten.
Im Zweifel halten Sie stets Rücksprache mit den vorgeblich genannten Organisationen, in deren Auftrag der Vertreter vermeintlich unterwegs ist – und das, bevor Sie irgendetwas unterschreiben.
Es kann der Zeitpunkt kommen, an dem es klug ist, den Demenzbetroffenen in fremde Hände zu geben – auch wenn es manches Mal schwerfällt und man den geliebten Menschen eigentlich bei sich haben möchte. Doch vielfach übersteigt das einfach die eigenen Kräfte und Möglichkeiten.
Sich dann für eine Einrichtung zu entscheiden, fällt Angehörigen häufig schwer. Auf was muss geachtet werden, was steht im Vordergrund? Wichtig ist, dass Sie sich – wenn möglich – mit dem Betroffenen über seine Wünsche und Bedürfnisse austauschen und versuchen, diese und Ihre eigenen (etwa der nahe Anfahrtsweg für Ihre Besuche) zu verwirklichen.
Hilfe bei der Auswahl des richtigen Pflegeheims erhalten Sie über:
• Checklisten aus dem Internet (z. B. www.pflegelotse.de)
• Erfahrungswerte der regionalen Alzheimer Gesellschaften
• Anfragen bei Selbsthilfegruppen und/oder Angehörigeninitiativen
• Besichtigungen der potenziellen Einrichtungen und Ihren Eindruck, den Sie dabei gewinnen
• Pflegestützpunkte
Werbung für Pflegeheime
Das Schlagwort »Therapie« oder »therapeutisch« springt Angehörigen denn auch bei der Suche nach der geeigneten Einrichtung häufig entgegen. Praktisch alles, was im Pflegeheim angeboten wird, hat therapeutischen Nutzen – so die Behauptung. Scheinbar darf heute nichts mehr einfach der Unterhaltung dienen. Im weiteren Verlauf des Buches stellen wir Ihnen deshalb einige »Therapieformen« und »-angebote« kritisch vor.
Zudem wirbt so manche Anzeige von Pflegeheimbetreibern ebenso wie auch ambulanten Pflegediensten mit »freier Arztwahl« und/oder Aussagen wie »Bei uns Physiotherapie!«, als sei das etwas ganz Besonderes und Exklusives. Aber ist es wirklich eine besondere Serviceleistung der Einrichtung, den Senioren zuzugestehen, sich ihren Arzt selbst auszusuchen? Fragen Sie gezielt nach und bitten Sie die Einrichtungsleitung im Rahmen einer Erstbesichtigung, zu erläutern, auf welcher Rechtsgrundlage andere Heime -denn die tun das ja offenbar nicht – die freie Arztwahl einschränken.
Fakt ist: Selbstverständlich steht es auch Heimbewohnern zu, sich den Arzt ihres Vertrauens selbst auszusuchen. Der Heimbetreiber hat keine Möglichkeit, das Recht auf freie Arztwahl einzuschränken – daher ist diese...