432. Kapitel
Die Aufgaben des Geschäftsführers
In der Praxis muss leider immer wieder festgestellt werden, dass Geschäftsführer nur geringe Kenntnisse über die ihnen in rechtlicher Hinsicht zugewiesenen Aufgaben und die sich daraus ergebenden Gefahren haben. Die Aufgaben sind vielfältig und ergeben sich aus mehreren Gesetzen.
Dem Geschäftsführer obliegen Pflichten sowohl gegenüber der Gesellschaft, als auch gegenüber Dritten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Geschäftsführer sowohl gegenüber der Gesellschaft, als auch gegenüber Dritten haften kann, sofern er seine Pflichten verletzt. Im Nachfolgenden werden daher die Pflichten des Geschäftsführers von der Gründung der Gesellschaft bis zur Abwicklung der Gesellschaft durch Liquidation oder Insolvenz aufgezeigt.
I. Pflichten bei der Gründung der Gesellschaft
Vorrangig soll es in diesem Buch um die Aufgaben des Geschäftsführers gehen, so dass die Regelungen, welche hauptsächlich die Gesellschafter betreffen, vernachlässigt werden können. Aus den Handlungen der Gesellschafter können sich jedoch für den Geschäftsführer Risiken ergeben, da er den Willen der Gesellschafter umsetzen muss. Der Geschäftsführer muss daher wissen, was er zu 44tun hat, wie er den Willen der Gesellschafter umsetzen muss und welche Risiken hieraus für ihn erwachsen können.
Die Aufgaben des Geschäftsführers beginnen bereits bei der Gründung der Gesellschaft. Hierbei kann es sich um eine komplette Neugründung oder um die Wiederaufnahme der Geschäfte einer bereits existierenden Gesellschaft (sogenannten Vorrats- oder Mantelgesellschaft) handeln.
Von einer Vorratsgesellschaft spricht man dann, wenn die GmbH Gründung bereits vollzogen wurde, aber die GmbH noch nicht operativ tätig war. Von einer Mantelgesellschaft spricht man, wenn ein „alter“ GmbH Mantel einer bereits operativ tätigen GmbH für einen neuen Geschäftszweck verwendet wird. Im letzten Fall war die GmbH im Rahmen ihres früheren Unternehmensgegenstandes bereits tätig, ist aber mittlerweile unternehmenslos, weil sie ihre operative Tätigkeit eingestellt hat.
1. Pflicht bei der Handelsregisteranmeldung
Nach § 78 GmbHG muss der Geschäftsführer die im GmbHG genannten Anmeldungen gegenüber dem Handelsregister vornehmen. Sollten mehrere Geschäftsführer vorhanden sein, so reicht es grundsätzlich aus, dass ein Geschäftsführer die Anmeldung vornimmt. Lediglich bei der Anmeldung der Gründung, der Kapitalerhöhung und bei der Kapitalherabsetzung müssen sämtliche Geschäftsführer die Anmeldung gemeinsam vornehmen.
Angaben bei der Gründung: Die Gründung einer GmbH erfolgt bei einem Notar, der den Geschäftsführer in aller Regel bei der Anmeldung zum Handelsregister unterstützt. Dennoch sollte der Geschäftsführer wissen, welche Unterlagen er benötigt. § 8 GmbHG enthält eine Liste der für die Gründungsanmeldung notwendigen Unterlagen. Dies sind insbesondere:
- der Gesellschaftsvertrag,
- der Geschäftsführerbestellungsbeschluss, sofern der Geschäftsführer nicht im Gesellschaftsvertrag bestimmt wird,
- eine Gesellschafterliste ,
- 45ein Sachgründungsbericht im Fall der Sachgründung und Unterlagen über den Wert der Sacheinlage,
- eine Versicherung, dass die Einlagen zu seiner freien Verfügung geleistet wurden und,
- eine Versicherung, dass keine Gründe vorliegen, die seiner Bestellung entgegenstehen.
Die Gesellschafterliste ist von allen Geschäftsführern zu unterzeichnen (§ 78 GmbHG). Die Liste muss den Namen, den Vornamen, das Geburtsdatum und den Wohnort jedes Gesellschafters enthalten. Ferner sind Angaben zu den Nennbeträgen der von jedem Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile aufzunehmen. Die Geschäftsanteile müssen durchgehend nummerieren werden.
BEISPIEL für eine Gesellschafterliste:
Nr. des Ge- schäfts- anteils | Name des Gesell- schafters | Geburts- datum | Wohnsitz | Nennbetrag |
1. | Mani Muster | 11.8.1964 | Dorfkneipe 8, 72074 Tübingen | 10.000,– EUR |
2. | Bea Beispiel | 10.8.1965 | Eberhardstr. 1, 72764 Reutlingen | 10.000,– EUR |
3. | Fred Fingiert | 13.1.1963 | Hausserstr. 14, 74564 Crailsheim | 10.000,– EUR |
Bei einer Beteiligung von Handelsgesellschaften als Gesellschafter sind statt Name, Geburtsdatum und Wohnort, die Firma und der Gesellschaftssitz anzugeben.
Jede Veränderung im Gesellschafterbestand hat der Geschäftsführer gem. § 40 GmbHG dem Handelsregister unverzüglich durch Einreichung einer abgeänderten und von ihm unterschriebenen Gesellschafterliste mitzuteilen, falls bei der Änderung nicht ein Notar mitgewirkt hat. Grundsätzlich können Gesellschaftsanteile nur mittels eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages übertragen werden. Die Geschäftsführer werden somit nur im Fall der Erbfolge, bei einem Wechsel im Gesellschafterkreis einer beteiligten GbR oder in 46der Zusammensetzung einer Erbengemeinschaft sowie bei privatschriftlichen Beschlüssen zur Zusammenlegung, Teilung oder Einziehung von Geschäftsanteilen, und im Fall der Kaduzierung (Verlustigerklärung des Gesellschaftsanteils, falls der Gesellschafter seiner Pflicht zur Einzahlung des Stammkapitals nicht nachkommt) oder bei einer öffentlichen Versteigerung tätig.
Durch die Gesellschafterliste soll Transparenz über die Beteiligungsstruktur geschaffen werden. Die Einreichungspflicht kann durch das Registergericht mit Zwangsgeld durchgesetzt werden.
Die Geschäftsführer sind bei schuldhafter Verletzung ihrer Pflicht zur Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste zum einen den Gläubigern und gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG nunmehr auch denjenigen Personen gegenüber zum Ersatz des daraus resultierenden Schadens verpflichtet, deren Beteiligung sich geändert hat. So z. B. jedem Gesellschafter, der durch die Ausübung von Gesellschafterrechten auf der Grundlage einer unrichtigen Gesellschafterliste geschädigt wurde. Die Pflichtverletzung des Geschäftsführers kann darin liegen, dass er die Liste gar nicht, verspätet oder mit unrichtigem Inhalt eingereicht hat.
2. Versicherung, dass die Stammeinlage zur freien Verfügung geleistet wurde
Der Vorteil einer GmbH besteht darin, dass gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG für die Verbindlichkeiten nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Aus diesem Grund muss sichergestellt sein, dass das Gesellschaftsvermögen auch tatsächlich eingezahlt wurde.
Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG muss der Geschäftsführer bei der Anmeldung zum Handelsregister die vom Notar vorbereitete Versicherung abgeben, dass die erforderlichen Leistungen auf die Stammeinlage bewirkt sind und dass sich die Stammeinlage endgültig in seiner freien Verfügung befindet. Diese Verpflichtung gilt sowohl bei der Neugründung einer GmbH, als auch bei der Verwendung von Vorratsgesellschaften . Bei Vorratsgesellschaften muss zusätzlich die Aufnahme eines operativen Geschäfts gegenüber dem Handelsregister offen gelegt werden. Diese Offenlegung der wirtschaftlichen 47Neugründung ist mit der Versicherung gemäß § 8 Abs. 2 GmbHG gegenüber dem Handelsregister anzuzeigen.
Die Geschäfte der Gesellschaft sollten erst aufgenommen, wenn die Stammeinlage einbezahlt ist und die Gründung der GmbH ins Handelsregister eingetragen wurde. Denn nach § 11 Abs. 2 GmbHG haftet der Handelnde für Vermögensverluste, die vor Eintragung der GmbH entstanden sind. Dies gilt auch im Fall der Übernahme einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft, da diese wie eine wirtschaftliche Neugründung behandelt werden (BGH, Urteil vom 12.7.2011, AZ II ZR 71/11).
Werden zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht, so haben die Gesellschafter und die Geschäftsführer der Gesellschaft als Gesamtschuldner fehlende Einzahlungen zu leisten und für den sonstigen entstandenen Schaden aufzukommen (§ 9 a Abs. 1 GmbHG) .
Die Ersatzpflicht trifft nur diejenigen Geschäftsführer und Gesellschafter, welche die Unrichtigkeit der gemachten Angaben kannten oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes hätten kennen müssen. D. h., das Verschulden wird vermutet und der in Anspruch Genommene muss den Entlastungsbeweis für fehlendes Verschulden führen. Für die Haftung genügt bereits leichte Fahrlässigkeit. Der Geschäftsführer kann sich auf mangelnde Vorbildung...