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E-Book

Kinder liebevoll und konsequent erziehen

Ein Ratgeber für Eltern und Erzieher

AutorSigrun Schmidt-Traub
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl167 Seiten
ISBN9783844426632
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Es gibt nicht nur einen Weg, Kinder zu erziehen. Eltern machen auch immer wieder einmal Fehler bei der Erziehung ihrer Kinder. Erziehungsziele festzulegen fällt häufig leichter als diese dann erzieherisch konkret umzusetzen. In diesem Ratgeber wurde daher der Schwerpunkt auf wirkungsvolle, lernpsychologisch untermauerte Erziehungsmethoden gelegt, die für Kinder aller Altersgruppen gelten. Die Autorin geht zunächst darauf ein, welche gesellschaftlichen und individuellen Bedingungen sowohl das Erziehungsverhalten der Eltern als auch das Verhalten von Kindern beeinflussen. Eltern leben ihren Kindern bestimmte Wertvorstellungen, soziale Fähigkeiten und Bewältigungsmöglichkeiten in Krisen und bei Alltagsproblemen vor. Durch einen liebevollen Umgang und verlässlichen Austausch mit ihren Eltern können Kinder emotionale Sicherheit und Stärke entwickeln. Anhand zahlreicher Beispiele werden verschiedene effektive Erziehungsmethoden dargestellt. Eltern und Erzieher erhalten eine detaillierte Anleitung, wie sie diese im Alltag umsetzen können. Zudem wird auf besondere pädagogische Problembereiche, wie z.B. Geschwisterrivalität, Ordnung und Medienkonsum, eingegangen und erläutert, wie diese Erziehungsprobleme bewältigt werden können. Ziel ist es, Eltern und Erziehern pädagogisch-psychologische Anstöße zu geben, ihnen das Erziehen zu erleichtern, das Familienleben freundlicher zu gestalten und ihr Selbstvertrauen in die eigene Erziehungsfähigkeit zu stärken.

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Leseprobe

|11|1 Einführung


Das Neugeborene ist kein unbeschriebenes Blatt. Vielmehr wird es mit einer genetischen Ausstattung geboren, zu der bestimmte körperliche Eigenschaften, Intelligenz und Temperament gehören. Diese Eigenschaften treten in Wechselwirkung mit der Umwelt und es kommt zu einer Art Programmierung von Bewusstsein und Verhalten durch Umwelteinflüsse. Gesellschaft und Familie legen die Lebensbedingungen von Kindern fest und beeinflussen ihre Entwicklung. Mit dem ersten Kind lernen Mütter und Väter, Eltern zu sein, und bemühen sich, die Bedürfnisse des Kindes zu befriedigen. Zu den wichtigsten kindlichen Bedürfnissen gehören Ernährung und Fürsorge, Nähe und Geborgenheit sowie Zuwendung und Anerkennung. Grundlage jeder Erziehung ist eine liebevolle, feste Bindung, in der sich das Kind als soziales Wesen erlebt. Kinder sind glücklich, wenn sie die uneingeschränkte Liebe und Wertschätzung ihrer Eltern erfahren.

Erziehung legt entscheidend fest, was aus Kindern wird. Sie ist immer wechselhaften Einflüssen und dem „Zeitgeist“ ausgesetzt. „Wie der Zweig gebogen wird, so neigt sich der Baum“, hieß es schon in der frühen Aufklärung (Alexander Pope). Trotz aufklärerischer Visionen war in jener Zeit schwarze Pädagogik noch üblich: Selbst Jean Jacques Rousseau, der große Pädagoge der Aufklärung, und seine Lebensgefährtin Thérèse gaben ihre Kinder in ein Pariser „Findelheim“. Vollends umgesetzt wurden die damals aufgekommenen humanistischen Ideen zum pädagogischen Umgang mit Kindern eigentlich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Durch die rasante Veränderung von pädagogischen Wertvorstellungen und Erziehungspraktiken ist in den 1960er und 1970er Jahren des vergangenen Jahrhunderts viel Irritation entstanden. Nach der 1968er Studentenrevolte, in der autoritäre Strukturen der Gesellschaft und somit auch vorherrschende Erziehungswerte und -methoden infrage gestellt wurden, bemühten sich viele Eltern um eine (oft falsch verstandene) anti-autoritäre Erziehung und gewährten ihren Kindern maximale Freiheiten, anstatt mit ihnen im Sinne einer begründeten Autorität gemeinsam Regeln zu vereinbaren, die alle einzuhalten hätten. Das führte kei|12|neswegs zu den erwünschten Erfolgen und einige Kinder verwilderten regelrecht. Auseinandersetzungen zwischen Müttern und Vätern und erst recht zwischen den Generationen nahmen zu. Opas und Omas schüttelten nur so den Kopf und meinten, ihre Erziehungsmethoden wären strenger gewesen und deshalb auch wirkungsvoller.

In allen Epochen ist die Rede von Elternliebe. Aber der Ausdruck von Liebe erweist sich auch als wandelbar. Autoritäre Erziehung ebenso wie Erziehung aus dem Bauchgefühl heraus ist heute eher verpönt. Gegenwärtig wollen die meisten Eltern ihren Kindern Wärme, Zuwendung und Sicherheit bieten. Nicht wenige übertreiben es damit und lassen ihre Kinder nicht mehr aus den Augen, überwachen jeden ihrer Schritte (per Handy) und fahren sie überall hin. So gut es überbesorgte Eltern meinen, sie schränken die Erfahrungsmöglichkeiten ihrer Kinder ein und erschweren es ihnen, sich autonom und couragiert zu verhalten und selbstbewusst zu werden.

Experten empfehlen heute, behutsam und gewaltfrei mit Kindern umzugehen, sie jedoch auch zu begrenzen. Das ist aber noch lange nicht gängige Praxis. Zahllose pädagogische und psychologische Ratgeber sowie Experten in den Medien bieten Erziehungshilfen an. Die Informationsflut über richtiges Erziehungsverhalten verunsichert etliche Eltern, die daraufhin befürchten, folgenschwere Fehler zu begehen.

Die Mehrzahl der Eltern ist zu nachgiebig in der Erziehung. Der kleinere Teil misshandelt Kinder, obgleich „das Züchtigungsrecht“ für Eltern und Erzieher seit 2001 gesetzlich verboten ist: „Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig … Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung“ (§ 1631 Bürgerliches Gesetzbuch). Dieses Gesetz gilt als eine Art Gesellschaftsvertrag und signalisiert Eltern, dass sie gegen die Menschenrechte verstoßen, wenn sie ihre Kinder gewalttätig behandeln. Eine neuere Studie an 6- bis 16-Jährigen zeigt, dass etwa 22 % der Kinder und Jugendlichen von ihren Eltern manchmal bis oft geschlagen werden. Dieser Befund belegt eine erschreckend hohe Gewaltbereitschaft bei Eltern. Werden Kinder mit physischer oder psychischer Gewalt erzo|13|gen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie sich ihrerseits beim Umgang mit anderen aggressiv verhalten.

Fazit: Insgesamt gesehen hat sich jedoch das Leben der meisten Kinder hierzulande in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert.

1.1 Optimismus und Selbstfürsorge


In Europa wird viel zurückgeblickt und die Gegenwart als Endpunkt einer langen Geschichte von Katastrophen und Entbehrungen gesehen. In anderen Kulturkreisen sind die Menschen zuversichtlicher und blicken mit mehr Optimismus in die Zukunft. In den angelsächsischen Ländern ist diese Grundhaltung beispielsweise besonders verbreitet und die Menschen dort haben einen etwas sonnigeren Ausblick aufs Leben. Sie erkunden auch gerne, was im Alltag besonders gut funktioniert. Eine derartige Haltung, meinen Erziehungsexperten, werde von einem wissenschaftlichen Zukunftsglauben getragen, der „Selbstoptimierung“ fördert. Dieser Glaube ist auch ein wesentlicher Motor der Verhaltenstherapie.

Der Optimist glaubt, dass er sein Leben im Griff hat und das meiste von dem, was er anpackt, auch erfolgreich bewerkstelligen kann. Er ist hoffnungsvoll, hat Zutrauen in seine Mitmenschen und fühlt sich überwiegend gut. Der Pessimist hingegen meint, er bringe prinzipiell kaum etwas zustande, denn er glaubt nicht an eine rosige Zukunft und beruft sich gerne auf seine schlechten Erfahrungen. Dadurch ist sein Blick aber für vieles verstellt, das unkompliziert und reibungslos verläuft.

Optimismus und Pessimismus sind nicht angeboren, sondern werden von nahestehenden Personen übernommen. Eltern und Erzieher haben großen Einfluss darauf, wie Kinder ihre Welt sehen. Aber nicht nur Erziehung, sondern auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen (wie Armut), persönliche Erfahrungen (z. B. Pech in der Schule) und indi|14|viduelle Persönlichkeitseigenschaften (vgl. Kapitel 2.1) bestimmen, ob Kinder eher optimistisch oder pessimistisch werden.

Solche weitgehend gelernten Erwartungshaltungen nehmen großen Einfluss auf unser Leben und unser Erfolgsstreben. Pessimistische und optimistische Gedanken haben eine starke Suggestivkraft und beeinflussen das Verhalten. Studien belegen eindrucksvoll, wie verhängnisvoll sich eine pessimistische Grundhaltung auswirkt, weil sie mit negativer Selbsteinschätzung („Ich schaffe das nicht“) einhergeht. Bei Herausforderungen begünstigt dies tendenziell ein Scheitern.

Glücklicherweise lassen sich negative Gedanken und Fantasien (in der Fachsprache Kognitionen genannt) verändern. Sie müssen nicht ein für alle Male bestehen bleiben. Weil der Blick auf förderliche Aspekte so wichtig ist, trainieren viele Sportler, Musiker, Manager, ja sogar Wöchnerinnen entsprechend optimistische, erfolgsorientierte Kognitionen.

Machen Sie bei sich die Probe und schauen Sie, worauf Sie bei Ihrem Kind stärker achten, mehr auf das von Ihnen erwünschte Verhalten, über das Sie sich freuen, oder doch eher auf das unerwünschte Verhalten, das Sie nicht so gut finden. Beeinflussen Sie die Entwicklung einer optimistischen Grundhaltung bei Ihrem Kind, indem Sie viel loben und wenig kritisieren (vgl. Kapitel 3.1.2), und fördern Sie auch seine Neigungen und Begabungen. Das stärkt seinen Glauben an sich und sein Selbstwertgefühl.

Eltern, die in ihrem Elternhaus überwiegend positive Erfahrungen gemacht haben, fällt es häufig leichter, Kinder wohlwollend und respektvoll zu behandeln. Wenn sie zusätzlich auf ihre eigenen Bedürfnisse achten und gut für sich sorgen, sind sie auch eher in der Lage, die Bedürfnisse ihrer Kinder stärker zu beachten. Zu einer guten Selbstfürsorge für Eltern gehört:

  1. Freundlich mit sich umgehen,

  2. sich weniger Selbstvorwürfe machen, wenn in der Erziehung einmal etwas schief läuft,

  3. sich zugestehen, dass Unvollkommenheit und Fehler normale menschliche Erfahrungen sind,

  4. unerfreuliche Erlebnisse hinnehmen und verdauen, ohne übermäßig emotional zu reagieren.

|15|1.2 Autonomie und Verantwortung


Im...

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