|24|3 Formativ unterstützende Aktivitäten
3.1 Beteiligung an Fort- und Weiterbildungen der pädagogischen Fachkräfte
Ein Schwerpunkt der Arbeit der wissenschaftlichen Begleitung war von Beginn an die Beteiligung an den regelmäßigen Fort- und Weiterbildungen der Personen, die an den Modellstandorten für die Realisierung und Durchführung der Zusatzfördermaßnahmen im Rahmen des „Schulreifen Kindes“ verantwortlich sind. Hierbei wurde einerseits ausführlich über die Aktivitäten der wissenschaftlichen Begleitung informiert. Andererseits wurden aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse über die individuelle Entwicklung kindlicher Lernmöglichkeiten und empirisch nachweislich wirksame Fördermöglichkeiten für Kinder thematisiert und vermittelt.
Die wissenschaftliche Begleitung – insbesondere vertreten durch Prof. Schöler und Prof. Hasselhorn – war darüber hinaus ebenfalls beratend in der vom Kultusministerium eingesetzten Fortbildungskonzeptionsgruppe tätig, die den Inhalt und die Organisationsstruktur der Fortbildungen der am Pilotprojekt beteiligten pädagogischen Fachkräfte an den einzelnen Standorten festlegte und gestaltete.3 In dieser Gruppe wurde auch die sich mittlerweile als sehr sinnvoll erwiesene Konzeption entwickelt, die als „Tandem-Fortbildung“ gekennzeichnet wurde: Pro Standort nahmen zwei pädagogische Fachkräfte an allen Bausteinen der Fortbildung teil. Eine Grundschullehrkraft kam aus der am Projekt beteiligten Grundschule, eine pädagogische Fachkraft aus einer Kita des Standortes. Der Vorteil dieser „Tandems“ war und ist unbestritten: Die Personen aus den beiden Bildungsfeldern Kita und Schule lernen die Arbeitsweisen und Herausforderungen der jeweils anderen Bildungsinstitution mit ihren Schwierigkeiten und Möglichkeiten und die damit jeweils erforderlichen Qualifikationen und Qualitäten besser kennen und schätzen.4
|25|Im Auftrag des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg und aufgrund der Erfahrungen und der vielen Diskussionen und Gespräche mit den verantwortlichen Personen der Projektstandorte konnte die wissenschaftliche Begleitung im 1. Halbjahr 2014 eine Handreichung für pädagogische Fachkräfte im Übergang vom Elementar- zum Primarbereich vorlegen (s. dazu Abschnitt 3.4). Sie fasst die wesentlichen konzeptionellen, entwicklungspsychologischen und pädagogischen Grundlagen für das Projekt „Schulreifes Kind“ zusammen und kann für die geplanten landesweiten Fortbildungsmaßnahmen genutzt werden.
Von Beginn des Projektes „Schulreifes Kind“ an war die wissenschaftliche Begleitung mit Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Workshops an Fortbildungsveranstaltungen (im Rahmen der sog. Regionaltage [z. B. am 11. 02. 2009 in Waiblingen, am 11. 03. 2009 in Biberach] und in den Landesakademien) beteiligt sowie auf verschiedenen Großveranstaltungen vertreten, die vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg als Informations- und Fortbildungsveranstaltungen zum Projekt „Schulreifes Kind“ durchgeführt wurden. Die Themen betrafen schwerpunktmäßig die Entwicklung von Kindern in den schulrelevanten Leistungsbereichen: Mathematik, Schriftspracherwerb, Denken, Sprache und Konzentration/Aufmerksamkeit. Dabei wurden nicht nur der normale Entwicklungsverlauf, sondern auch verzögerte und abweichende Entwicklungen thematisiert sowie die Möglichkeiten der Beobachtung und Erfassung (Diagnostik) dieser Entwicklungen dargestellt und diskutiert. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Fortbildungen betraf die Möglichkeiten einer angemessenen Förderung bei verzögerter Entwicklung. Dazu wurden auch die vorliegenden validierten und praxiserprobten Förderprogramme detailliert vorgestellt.
Besonders zu erwähnen sind die fünf Großveranstaltungen, die unter dem Titel „Fachtagung Sprachstandsdiagnose“ in der Liederhalle in Stuttgart (14. 05. 2009 und 07. 10. 2009), im Konzerthaus Freiburg (18. 09. 2009), im Congress Centrum Ulm (12. 11. 2009) und in der Stadthalle/Kongresshaus Heidelberg (24. 11. 2009) stattfanden, an denen sich die Verantwortlichen der wissenschaftlichen Begleitung jeweils mit Vorträgen, der Teilnahme an der Podiumsdiskussion und einem Ausstellungsstand zu dem in der baden-württembergischen Einschulungsuntersuchung eingesetzten Screening sprachlicher Entwicklungsrisiken beteiligten.
3.2 Coaching
3.2.1 Überblick
Coaching wird allgemein als „Beratung von Führungskräften, Experten, Mitarbeitern bei der Erreichung von Zielen im beruflichen Bereich“ definiert (König & Volmer, 2003). In diesem Sinne war es auch ein wesentlicher Bestandteil der |26|wissenschaftlichen Begleitung des Projekts „Schulreifes Kind“. Parallel zu der Hauptuntersuchung zur Wirksamkeits- und Wirkungsanalyse der Zusatzförderung im Rahmen des Projektes entwickelte die wissenschaftliche Begleitung ein Supervisionsangebot, zu dem sich die Standorte der ersten Tranche beim Kultusministerium freiwillig bewerben konnten.
Coaching wird gerade bei Lern-, Veränderungs- und Transformationsprozessen von Gruppen als besonders sinnvoll erachtet. Dementsprechend war mit dem Coaching eine intensive Begleitung der für die Zusatzförderung an den jeweiligen Standorten verantwortlichen Personen bei der Umsetzung des Projektes beabsichtigt. Es diente daher zum einen dem Austausch und der Kommunikation zwischen den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und den in der Praxis arbeitenden Förderkräften, Erzieherinnen und Erziehern sowie den Grundschullehrkräften. Zum anderen war damit die Möglichkeit gegeben (und wurde auch intensiv genutzt), dass die Förderfachkräfte auftretende Fragen zu Förderinhalten artikulieren und klären konnten.
Für diese Begleitung der Teams im Projekt „Schulreifes Kind“ wurde ein systemischer Ansatz der Prozessbegleitung – ein systemisches Coaching – gewählt, da gerade bei einem solchen Ansatz die sozialen Systeme, in denen sich die einzelnen Personen bewegen, im Vordergrund stehen und die einzelnen Mitglieder in ihrer Rollenfindung in diesem System unterstützt werden. Die Systeme haben innerhalb der Prozessbegleitung des Projekts eine zentrale Rolle, da die Projektkonzeption eine Neukonstruktion bzw. in einigen Fällen eine bisher nicht existierende Kooperation von zwei z. T. sehr unabhängig (allein durch die mit unterschiedlichen Trägerschaften verbundenen Strukturen) voneinander agierenden Systemen, der Kita und der Grundschule, fordert und dadurch ein weiteres, übergeordnetes System mit neuen Rollen für die beteiligten Personen entstehen lässt.
Systemtheoretisch kann man den Wandel in der Gruppenorganisation aller Beteiligten am Projekt „Schulreifes Kind“ am ehesten als den Prozess von einem „Quasi-System“ zu einem System betrachten. Quasi-Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass „sie als eigenständige Beziehungsstrukturen noch nicht voll in das Bewusstsein der Beteiligten kommen“ (Willke, 2000). Besonders charakteristisch ist dabei, dass Handlungen der Teammitglieder noch nicht dem System zugeschrieben werden können. Per definitionem fällt es den Mitgliedern schwer, sich sowohl nach innen als auch nach außen mit dem System zu identifizieren. Gerade die Planung längerfristiger Projekte erfordert allerdings eine Transformation zu einem System, dessen Mitglieder es auch als solches betrachten. Die beteiligten Bildungsinstitutionen Kita und Grundschule bilden für sich schon eigene Systeme, für die bisher oft nur wenige Möglichkeiten zum Austausch bestanden. Um eine bestmögliche Unterstützung eines jeden Kindes zu gewährleisten, ist im Projekt „Schulreifes Kind“ eine intensive Zusammenarbeit beider Einrichtungen notwendig und fest verankert. Die dadurch anstehende Konstitu|27|tion eines Systems innerhalb zweier schon bestehender Systeme bietet viele neue Möglichkeiten sowohl für Kita und Grundschule als auch für die Arbeit der einzelnen Mitglieder. Gleichzeitig bedeutet der Wandel für alle Beteiligten auch immer eine Reihe von neuen Herausforderungen.
Abbildung 1: Verteilung der 18 Standorte, bei denen ein Coaching stattfand, in Baden-Württemberg
Insgesamt entschieden sich 18 Standorte dafür, das Coachingangebot der wissenschaftlichen Begleitung anzunehmen.5 Die sowohl ländlichen als auch städtischen Standorte verteilten sich über ganz Baden-Württemberg (s. Abb. 1).
|28|In systemischer Therapie und Beratung ausgebildete Mitarbeiterinnen (Dipl.-Psychologinnen) des Teams der wissenschaftlichen Begleitung führten das...