DIE KAPITEL
Kapitel 1 Der Unfall und seine Folgen
Unfalldetails
Am 29.04.2003, ein Dienstag, um 14:31 Uhr, zog ich mir bei einem Verkehrsunfall auf der Autobahn lebensbedrohliche Verbrennungen zu von insgesamt 47% KOF (Körperoberfläche), 2. und 3.gradig. Hautentnahmestellen, die nachfolgend großflächig zu lebenserhaltenden Hauttransplantationen entnommen werden mußten und ebenfalls einen großen Defekt der Haut darstellen, sind hierin prozentual noch nicht enthalten. Dies ist ein Ausmaß und eine Tiefe von schwersten Verletzungen, die ein Mensch nur selten überlebt und ich glaube, es ist auch gut so. Interessant ist, daß ich ebenfalls an einem Dienstag um 14:31 Uhr geboren wurde, am 09.11.1971. Ich bin ein Skorpion. In der Astrologie wird der Dienstag als der Tag des Skorpiones bezeichnet.
Ich kann mich an alles erinnern, bis ich ins Koma gefallen bin. Um es kurz zu machen: Ich fuhr mit meinem silbernen Kleinwagen auf der Autobahn und konnte plötzlich nicht mehr lenken. Das Lenkrad blockierte und der Wagen schleuderte. Wie sich später herausstellte war ich über eine Metallrampe gefahren, die von einem LKW gefallen war. Solch eine dunkelgrauasphaltfarbene Auffahrrampe aus Metall, die benötigt wird, damit z. B. Straßenbaufahrzeuge auf einen Hänger hinauffahren können.
Diese Rampe war nicht plan. Sie hatte sich beim Darüberfahren unter dem Boden meines Fahrzeuges verkeilt und den Benzintank aufgerissen. Mein Auto zog noch während des Schleudervorganges eine Benzinspur hinter sich her, die sich entzündete und den hinteren Innenraum in „Null Komma Nichts“ zum Brennen brachte. Ich kollidierte an der Innenleitplanke der Autobahn und der Wagen kam zum Stehen.
Das nachfolgend Beschriebene waren nur SEKUNDEN und Handgriffe in höchster Not, die vollautomatisch abliefen und das in absoluter Lebensgefahr, völlig unvorbereitet. Es ist wirklich fantastisch, wie unglaublich wunderbar unser Unbewußtes in Notsituationen reagiert!
Der Wagen steht, ich mache eine mega-kurze Bestandsaufnahme der Situation. Hinter mir brennt der Innenraum, ich höre das bedrohliche Knacken und Zischen der Flammen. Die Luft ist brennend heiß, sie schmerzt in meinem Gesicht und es fühlt sich an, als ob eine heiße Barriere gegen meine Haut stößt - die toxischen Gase des brennenden Kunststoffes gelangen in meine Augen und Lungen. RAUS!!! Meine Rechte Hand drückt vollautomatisch den Entsicherungsknopf des Sicherheitsgurtes, die linke Hand betätigt den silbernen Hebel des Türöffners der Fahrertür und mein Ellenbogen drückt gegen die Tür, um sie zu öffnen. GEHT NICHT AUF!! Die Leitplanke blockiert die Tür. Versuche es noch zwei Mal mit aller Kraft. Keine Chance! Panischer Gedankencheck: Wie komme ich hier raus??? Zweite Möglichkeit: Durch das Schiebedach. Geht auch nicht, der Knopf zum Öffnen oberhalb des Rückspiegels funktioniert nicht mehr und es würde auch zu lange dauern, bis es geöffnet wäre! Es ist höllisch heiß, die Flammen erreichen mich. Meine Haare fangen Feuer und der rechte Arm. Jetzt geht gar nichts mehr und ich muß den letzten möglichen Ausweg über die Mittelkonsole und den Beifahrersitz, durch die Beifahrertür nehmen.
Problem: Der Weg ist lang und ich muß durch die Flamme, da die hintere und mittlere Beifahrerseite des Wagens bereits brennt (der Tank befand sich auf der rechten Seite). Glücklicherweise ließ sich die Beifahrertür öffnen!!! Doch beim Durchsteigen des Türrahmens mußte ich durch die Flamme und mich dabei klein machen. So mußte ich mein Gesicht, Hals und Oberkörper in Richtung Feuer absenken und mein rechtes Bein notgedrungen durch die Flammen hindurchbewegen. Ich bin rausgekommen!
Der ausgebrannte Wagen auf dem Schrottplatz.
Blick von oben durch das ehemalige Faltdach in den Innenraum des Wagens…
Verbogenes, hochstehendes Endstück der Metallplatte
Sichergestellte Metallrampe (Unterseite)
Dann bin ich nur noch gerannt, gerannt, gerannt - gerannt um mein Leben, Hals über Kopf, mitten auf der Autobahn. Es war der schlimmste Moment in meinem Leben. Ich, alleine, völlig panisch und voller heißer Schmerzen, die in mir schrien, auf der leeren Autobahn. Vor mir grauer Asphalt, auf der anderen Seite der Lärm der vorbeirasenden Fahrzeuge und hinter mir das gewaltige Geräusch meines brennenden Autos und diese unglaubliche Hitzewelle, die von ihm ausstrahlte. Ich kann von Glück sagen, daß ein Polizist, der in Zivil hinter mir fuhr, meinen Unfall mit angesehen und den folgenden Verkehr geistesgegenwärtig gestoppt hatte, sonst wäre ich möglicherweise überfahren worden.
Einmal blieb ich stehen, drehte mich um, weil ich dachte, ich müßte meine wichtigen Unterlagen (Ausweis, Portemonnaie etc.) noch aus dem Auto holen…(Pflichtbewußtsein…!) und es war ein Bild des Grauens, was sich mir bot! Mein Wagen brannte lichterloh, hohe Flammen schlugen in die Höhe in orange-gelb-rot-schwarz und eine wahnsinnige Hitze, ein regelrechter Hitzewall, der sich um das Feuerungetüm legte. Es zischte, knallte, knackte. Die Ereignisse und meine Gedanken überschlugen sich.
Geistesgegenwärtig entschied ich: Hau ab! Rette Dich, solange es noch geht. Bis oben hin mit Furcht erfüllt und innerlich verzweifelt schreiend bin ich weg gerannt, weitergerannt um mein Leben. Eigentlich kann ein Mensch mit diesen schweren Verletzungen gar nicht mehr laufen. Im absoluten Notprogramm schon!
Im Nachhinein kann ich sagen: Ich habe erfahren, was für ein Wunderwerk der menschliche Körper mit all seinen Funktionen und Fähigkeiten ist. Bei einer 3.gradigen Verbrennung spüren Sie den wahnsinnigen Schmerz der Verbrennung kaum mehr, weil die Nervenenden zerstört sind. Es sieht furchtbar aus, aber Du spürst es nicht mehr.
Eine „interessante“ Verhaltensreaktion ist mir aufgefallen, die auch von anderen Menschen beschrieben wird, als sie sahen, daß ihr Körper brannte: Nachdem ich mich aus dem brennenden Auto gerettet hatte, sah ich, daß mein rechter Unterarm brannte, verkohlt war und Stoffteile des Ärmels daran klebten und mit der Haut irgendwie verschmolzen waren. Ebenso war der Stoff meiner Hose am rechten Bein in die Haut eingebrannt, mit ihr verschmort, die Flammen waren also auch an Wade und Oberschenkel. Ich wußte intuitiv, Du mußt dich auf den Boden werfen, um die Flammen zu ersticken, aber ich konnte es nicht. Ich habe es gesehen, aber ich konnte nicht reagieren. Vielleicht war es auch eine unbewußt Angst, mich auf die Autobahn zu werfen, um nicht überfahren zu werden, denn ich wußte in dem Moment nicht, daß der Verkehr gestoppt war. Vielleicht hatte ich auch Angst, mir noch mehr weh zu tun und noch mehr Schmerzen zuzufügen, wenn ich mich auf den harten Boden werfe.
Panisch und in Todesangst rannte ich weg von diesem heißen Flammenberg - weg, weg, weg!! Mir war so heiß, es durchstach mich förmlich; es stank nach verbrannten Sachen, nach Ruß, nach verbranntem Fleisch, alles an mir und so nah, ich roch und sah meine blutenden Wunden und ich bekam Schmerzen, starke Schmerzen. Eine quälende Pein - Schmerzen, wie ich sie noch nie in meinem Leben vorher gespürt hatte und es war eine Größenordnung, die größer ist als das Leben.
Auf dem Standstreifen sah ich rechts einen roten Kombi mit weißem Schriftzug der Firma, die schwarze, zuckerhaltige Limonade herstellt. Ein junger Mann saß am Steuer und hatte die Scheibe heruntergekurbelt. Ich war außer mir, sprach ihn aber trotzdem fast fragend an, ob er mir helfen könne, mein Auto würde brennen. Ich kann mich noch sehr genau an meine Gefühle dabei erinnern; ich hatte nicht ausgeschlossen, daß er ablehnen und weiterfahren würde, vielleicht weil ich so grausam zugerichtet war und er Angst bekommen würde?! Er war sehr nett und sagte, er habe schon Feuerwehr und Polizei benachrichtigt. Ich bat ihn, meine Eltern und Lebenspartner anzurufen und sogar in dieser maximalen Notsituation konnte ich beide Telefonnummern nennen. Er stieg aus und führte mich auf den Grünstreifen, ein zweiter Mann kam dazu, wie sich herausstellte ein junger Polizist in Zivil, der gerade vom Dienst kam und sich auf dem Heimweg befand. Das war sehr hilfreich, denn er konnte gut mit dieser Krisensituation umgehen.
Ich hatte wahnsinnige Schmerzen und mir war so heiß, die Hitze legte sich wie ein Mantel über mich und sie kroch immer weiter in mich hinein - es war furchtbar, es tat so weh! Ich erinnere mich noch an laute Feuerwehr-Sirenen, große Löschwagen und immer dieses Wahnsinns-Geräusch des brennenden Autos. Das Knacken und Zischen, fast ein Dröhnen des Flammenmeeres, der Rauch und der Gestank.
Jetzt kam ein weiterer unerwarteter Helfer dazu und das war wieder großes Glück im Unglück. Fast nicht zu glauben, aber so war es tatsächlich: Auf der Gegenfahrbahn hatte ein Motorradfahrer meinen Unfall miterlebt, ein Arzt. Geistesgegenwärtig hielt er, überquerte die Autobahn und kam zu uns. Er wies sich als Arzt aus, machte eine professionelle Erstversorgung und gab den anderen beiden Helfern Anweisungen. Leider habe ich seine Daten bis heute nicht ermitteln können. Ich würde ihm so gerne danken!! Vielleicht lesen Sie mein Buch?!
Ich wurde auf den Boden gelegt, die Beine hochgelagert und ich konnte auch wirklich nicht mehr. Ich merkte, daß ich immer schwächer wurde, wollte das aber nicht zulassen. Ich hatte nahezu unerträglich heiße Schmerzen, die meinen ganzen...