Den Auftakt zu den deutschen Einigungskriegen bildete der Deutsch-Dänische Krieg 1864.
Während dieser Auseinandersetzung um die Herzogtümer Schleswig und Holstein fanden die ersten kriegswichtigen Eisenbahntransporte in Deutschland seit nunmehr 14 Jahren statt. Sämtliche theoretischen Überlegungen der letzten Jahre zum militärischen Einsatz von Eisenbahnen kamen nun auf den Prüfstand, wenngleich die eigentliche Bewährungsprobe erst 1866 stattfinden sollte. Die Eisenbahntransporte im Deutsch-Dänischen Krieg verliefen insgesamt zufriedenstellend und ohne größere Schwierigkeiten. Insgesamt wurden rund 60 000 Mann mit dazugehörigen Pferden und Geschützen an die dänische Front transportiert.
Allein Österreich transportierte rund 20 500 Mann innerhalb von sechs Tagen in 46 Zügen nach Hamburg. Die ursprüngliche Planung des preußischen Generalstabs und seinem Chef Moltke sah vor, die Dänen durch einen zügigen Aufmarsch mithilfe der Eisenbahnen und einer konsequente Offensive zu überraschen und zu besiegen. Dieser Plan gelang allerdings aufgrund politischer Notwendigkeiten, welche den Aufmarsch verzögerten, nicht. Die dänische Streitmacht konnte sich zudem in gut befestigte Stellungen zurückziehen und der Anfangsoffensive der preußisch-österreichischen Koalition entgehen.
Letzten Endes mussten sich die Dänen jedoch einer zahlenmäßigen und militärtechnisch gut gerüsteten Übermacht geschlagen geben.
Dieser Konflikt belegt erstmalig deutlich den Einfluss der Eisenbahn auf die Kriegsführung in Deutschland. Die militärische Nutzung der Eisenbahnen ermöglichte eine stark beschleunigte Aufmarschphase, bei der Truppen aus allen Teilen des Reiches auf verschiedenen Linien herangeführt werden konnten. Weiterhin zeigt sich, dass durch die Eisenbahnen das Führen bestimmter Kriege erst ermöglicht wurde.
Schließlich wäre die Beteiligung der Österreicher an diesem Krieg ohne die Nutzung der Eisenbahn absolut illusorisch gewesen, da entsprechende Fußmärsche zu viel Zeit in Anspruch genommen hätten.
Wenngleich die militärische Nutzung der Eisenbahnen im Deutsch-Dänischen Krieg fester Bestandteil der deutschen Aufmarschplanungen war, so fiel ihr dennoch keine entscheidende Rolle zu. Dies änderte sich jedoch teilweise schon zwei Jahre später im sogenannten Deutschen Krieg von 1866, welcher sich aus erneuten Streitigkeiten um die Führungsrolle im Deutschen Bund zwischen Preußen und Österreich ergab.
Im Deutsch-Österreichischen Krieg von 1866, welcher auch unter den Bezeichnungen Deutscher Krieg, oder Preußisch- Deutscher Krieg bekannt ist, fand nur kurze Zeit nach dem Deutsch-Dänischen Krieg der nächste militärische Einsatz von Eisenbahnen in Deutschland statt.
Das Bündnis aus Preußen, Italien und weiteren norddeutschen Staaten stand in diesem zweiten Einigungskrieg einer Koalition aus Österreich, Sachsen, Bayern, Hannover und weiteren süd- bzw. mitteldeutschen Staaten gegenüber. Beide Kriegsparteien setzten bei der Mobilmachung und dem Aufmarsch ihrer Truppen in erheblichem Maße auf die Nutzung der Eisenbahnen. Preußens Strategie in diesem Konflikt basierte auf der Überzeugung, dass die eigenen Armeen erheblich schneller aufmarschieren könnten als die Truppen der Gegner. Durch die Anstrengungen der letzten Jahre im Generalstab und seitens des Generalstabschefs Helmut von Molke konnte die Aufmarschzeit der preußischen Verbände stetig reduziert werden. 1859 mussten für den Aufmarsch der Armee noch 42 Tage eingeplant werden. 1863 waren es hingegen nur noch 38 Tage und 1866 veranschlagten die preußischen Militärs lediglich 25 Tage, um die eigenen Truppen gegen die Österreicher in Stellung zu bringen.[35]
Die Aufmarschgeschwindigkeit der Österreicher betrug nach Moltkes Ansicht 45 Tage. Dies bedeutete demnach einen zeitlichen Vorsprung von 20 Tagen, welchen der preußische Stratege nutzen wollte um den Krieg für Preußen zu gewinnen. Diese erheblichen Unterschiede in der Aufmarschgeschwindigkeit ergaben sich aus den jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen bezüglich der militärischen Eisenbahnorganisation und des Eisenbahnstreckennetzes.
Österreich stand für den Truppentransport von Wien in das böhmische Aufmarschgebiet nur eine Eisenbahnlinie zur Verfügung, welche in weiten Abschnitten eingleisig verlief. Preußen hingegen konnte seine Truppen auf fünf verschiedenen Bahnlinien in die Aufmarschräume transportieren und so zeitraubenden Stauungen auf den Gleisen entgegenwirken.
Die Aufteilung der Truppen auf unterschiedliche Transportrouten bewirkte eine sehr weit gefächerte Ausgangslage der preußischen Armee. Die Ausladebahnhöfe der einzelnen Truppenteile verteilten sich infolgedessen auf ein Gebiet von rund 300 Kilometer breite. Die Vereinigung der Truppen sollte anschließend durch konzentrische Fußmärsche erfolgen.
Diese Strategie Moltkes barg sowohl Vor- als auch Nachteile, wobei für den preußischen Generalstabschef eindeutig die Vorteile überwogen.
Durch die Nutzung verschiedener Bahnstrecken wurde der Aufmarsch stark beschleunigt, was für Molke den Grundpfeiler seiner strategischen Überlegungen darstellte. Seine Operationsführung folgte somit dem Grundsatz „Getrennt marschieren – vereint schlagen“.[36] welchen er für einen raschen Aufmarsch großer Heere am geeignetsten hielt. Die einzelnen Truppenteile waren dadurch während des Transports und in den Ausladegebieten erheblich besser zu verpflegen, als es bei einem Transport der kompletten Armee der Fall gewesen wäre. Auch der Fußmarsch der einzelnen Truppenteile auf verschiedenen Routen in das Gefechtsgebiet konnte aufgrund der so geringeren Anzahl von Mensch und Material störungsfreier verlaufen, da eine Überlastung der Chausseen vermieden wurde. Die aus verschiedenen Richtungen am Kriegsschauplatz eintreffenden Truppen ermöglichten zudem ein Umfassen des Gegners, was bei der Schlacht von Königgrätz schließlich auch die entscheidende Wendung zugunsten Preußens brachte.
Als Nachteil dieser Strategie Moltkes kann angeführt werden, dass die weit verteilten preußischen Truppen Gefahr liefen von den Österreichern Stück für Stück geschlagen zu werden, falls deren Armee doch früher einsatzbereit wäre als angenommen.
Ein weiterer Eckpfeiler in Moltkes strategischem Denken war das Begreifen eines Feldzuges als ein „System der Aushilfen“. Exakte Planungen waren für Molke nur bis zu dem Zeitpunkt der ersten Kampfhandlungen realistisch. Er war der Überzeugung, dass die Kriegshandlungen eines Feldzuges so vielen Unwägbarkeiten und auch Zufällen unterworfen seien, dass eine detaillierte Vorausplanung des ganzen Feldzuges nicht möglich sei. Vielmehr sei während des Feldzuges die Entscheidungskraft und die Eigeninitiative der jeweiligen Kommandeure ausschlaggebend. Umso wichtiger schien es Moltke alle planerische Konzentration auf die Mobilisierungs- und Aufmarschphase eines Krieges zu legen. Da die Versammlung des Heeres in großem Maße auf die Nutzung der Eisenbahnen angewiesen war, legte Molke besonderen Wert auf eine präzise Organisation der eisenbahntechnischen Abläufe.
Fehler in den Aufmarschplanungen oder Verzögerungen während des Aufmarsches hielt Molke für verhängnisvoll und für während des Krieges kaum wieder gutzumachen.[37]
Da der Faktor Zeit in Moltkes Planungen zum Deutsch – Österreichischen Krieg 1866 eine entscheidende Rolle spielte, beunruhigte ihn die Verzögerung des Operationsbeginns durch die preußische Regierung erheblich. Diese wollte nicht als Aggressor gelten und daher auch bei der Mobilmachung zunächst abwarten, um Österreich keinen Kriegsgrund zu liefern. Wie sehr Helmut Molke seinen strategischen Planungen verhaftet war und wie kritisch er die politisch motivierten Verzögerungen sah, zeigt die Wortwahl Moltkes während dieser angespannten Situation:
„Nur dürfen wir, wenn wir einmal mobil machen, den Vorwurf der Aggression nicht scheuen. Jedes Zuwarten verschlimmert unsere Lage ganz entschieden.“[38]
Obwohl die militärische und die politische Sichtweise in Preußen also durchaus unterschiedlich akzentuiert waren, wurde der Mobilmachungsbefehl noch rechtzeitig gegeben um in den folgenden Kampfhandlungen die Initiative ergreifen zu können. Durch die diplomatischen Verzögerungen konnte der geplante komfortable Vorsprung durch einen raschen Aufmarsch allerdings nicht mehr realisiert werden.
Die Eisenbahnen waren bei diesen Mobilmachungstransporten das entscheidende Instrument, um einen raschen Truppen- und Materialtransport zu gewährleisten. Insgesamt wurden rund 230 000 Soldaten, 64 000 Pferde und 6200 Fahrzeuge in die verschiedenen Aufmarschgebiete befördert. Die Transporte verliefen insgesamt ohne Probleme und die vorab erstellten Fahrpläne trugen zu einem exakten Ablauf ohne größere Verspätungen oder Stauungen bei.
Anders sah es hingegen bei den...