|18|2 Wie entstehen Schlafstörungen und welche Ursachen und aufrechterhaltende Faktoren gibt es dafür?
Im Folgenden wird auf die verschiedenen Ursachen einer Insomnie eingegangen. Es handelt sich dabei um organische und psychische Faktoren.
2.1 Organische Ursachen
Fast jede organische Erkrankung (vgl. Kasten) kann den Schlaf in der Nacht stören. Dies gilt besonders für Erkrankungen, die mit Schmerzen einhergehen, da diese auch nachts auftreten können und somit den Schlaf verhindern. Zudem gibt es eine Vielzahl von hormonellen Erkrankungen, wie z. B. Schilddrüsenstörungen, die den Schlaf beeinträchtigen. Bei Klagen über chronische Schlafbeschwerden muss auf jeden Fall der Gesundheitsstatus erfasst werden. Er umfasst eine körperlich-medizinische Untersuchung, Bestimmung von Laborwerten (insbesondere Schilddrüsendiagnostik) sowie die Ableitung eines Elektrokardiogramms (EKG). Damit kann grob geklärt werden, ob eine körperliche Erkrankung vorliegt. Sollte dies der Fall sein, ist der erste therapeutische Schritt die Behandlung der Grunderkrankung.
Organische Erkrankungen, die die Schlafqualität beeinträchtigen
Herz- und Lungenerkrankungen
Chronische Nierenerkrankungen/Magen-Darmerkrankungen
Endokrinologische (z. B. hormonelle) Erkrankungen
Chronischer Schmerz z. B. bei rheumatischen Erkrankungen
Maligne (= bösartige) Erkrankungen und chronische Infektionen
Epilepsien (Anfallsleiden)
Extrapyramidal-motorische Erkrankungen (z. B. Morbus Parkinson)
Polyneuropathien (Nervenschädigungen z. B. als Folge von Diabetes)
Restless legs/Periodische Beinbewegungen im Schlaf
|19|Oft ist dadurch alleine jedoch eine Besserung oder Heilung der Insomnie nicht zu erzielen, z. B. bei unheilbaren Krebserkrankungen. Hier müssen dann darüber hinaus spezifische Maßnahmen zum Einsatz kommen, um die Schlafstörung positiv zu beeinflussen.
Eine besonders wichtige organische bzw. neurologische Erkrankung, die den Schlaf stört, ist das Syndrom der nächtlichen Beinunruhe („restless legs“) und die häufig damit in Verbindung stehenden nächtlichen periodischen Beinbewegungen. Bei dieser Krankheit tritt vor allen Dingen nachts, wenn die Betroffenen sich zur Ruhe begeben, ein Bewegungsdrang in den Beinen, manchmal auch in den Armen auf. Häufig sind dieser Bewegungsdrang und die damit verbundenen Unruhegefühle schwer zu beschreiben, manchmal handelt es sich um ein Jucken, Kribbeln, oder um schmerzhafte Phänomene. Der Bewegungsdrang führt dazu, dass die Betroffenen so unruhig werden, dass sie aufstehen und umherlaufen. Erst dadurch klingen die Beschwerden ab. Beim Wiederhinlegen wiederholt sich die Symptomatik und die quälende Bewegungsunruhe tritt wieder auf. Die Betroffenen führen oft die verschiedensten Versuche aus, um diese Beschwerden zu lindern, wie etwa die Beine kalt und warm abzuduschen oder sie zu massieren. Manchmal scheuen sich die Betroffenen, ihrem Arzt von diesen Unruhegefühlen zu berichten, weil sie Angst davor haben, etwa für psychisch gestört oder verrückt gehalten zu werden. Die entsprechenden Beschwerden klingen oft erst in der Nachtmitte ab, so dass die Betroffenen nicht vor 3.00 oder 4.00 Uhr morgens Schlaf finden. Bei Menschen, die noch im Berufsleben stehen, bedeutet das einen massiv reduzierten Nachtschlaf und daraus resultierende Müdigkeit oder Schläfrigkeit tagsüber. Bei vielen von ihnen ist nicht nur das Einschlafen gestört, sondern der gesamte Nachtschlaf ist „zerstückelt“. Ursache hierfür sind nächtliche periodische Beinbewegungen, d. h. in Serien auftretende Zuckungen der Beine oder Arme, die den Schlaf nicht tief und fest werden lassen. Diese Beschwerden treten nicht selten (aber zum Glück nur vorübergehend) im letzten Drittel der Schwangerschaft auf. Sie können Folge von Eisenmangel oder von Nierenerkrankungen sein. Es gibt jedoch auch die eigenständige Form der ruhelosen Beine, der dann keine andere organische Erkrankung zu Grunde liegt. Das Syndrom der nächtlichen Beinunruhe wird nach dem Bericht der Symptome diagnostiziert, nur bei komplizierten Fällen ist eine Untersuchung und Abklärung im Schlaflabor notwendig. Bei leichten Formen des Syndroms kann die Therapie mit Magnesium hilfreich sein. Besteht ein zugrundelie|20|gender Eisenmangel kann die Substitution mit Eisen (z. B. in Tablettenform) erfolgversprechend sein. Bei schweren Formen kommen Medikamente aus der Parkinson-Therapie, wie etwa L-Dopa (Restex®) oder sogenannte Dopamin-Agonisten (etwa Pramipexol = Sifrol®) zum Einsatz. Diese unterdrücken den Bewegungsdrang und die periodischen Beinbewegungen und führen damit zu einer schnellen Entlastung und einer Schlafbesserung. Eine Heilung bewirken diese Medikamente jedoch nicht. Sobald sie abgesetzt werden, tritt die Beinunruhe wieder auf.
2.2 Medikamentös bedingte Schlafstörungen
Nicht nur Krankheiten selber, sondern auch verordnete Medikamente können den Schlaf stören. Der Kasten gibt einen Überblick über die Medikamente, bei denen als unerwünschte Nebenwirkung Schlafstörungen auftreten können. Paradoxerweise sind im Kasten an erster Stelle die Schlafmittel (Hypnotika) selbst aufgeführt. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass für die klassischen Schlafmittel auf Benzodiazepinbasis (vgl. Kapitel 3.10) bekannt ist, dass sie beim schnellen Absetzen eine Verstärkung der ursprünglichen Schlafstörung auslösen können. Das bedeutet, dass ein Medikament, das eigentlich als Therapie für eine Schlafstörung verordnet wird, paradoxerweise die Schlafstörung aufrechterhalten kann. Dieser Effekt beruht auf pharmakologischen Wirkmechanismen, die bei den Benzodiazepinen, den meist verordnetsten Schlafmitteln, auftreten können. Das Gehirn reagiert auf die Einnahme der Schlafmittel mit Anpassung und Veränderungen, die bedingen, dass beim Absetzen der Medikamente eine drastische, meist vorübergehende Schlafverschlechterung auftritt.
Zentralnervös wirksame Substanzen, die mit Insomnie einhergehen können
Schlafmittel (Benzodiazepine,) – Absetz-Insomnie/Hangover
Blutdruckmittel (z. B. ß-Blocker) und Asthma-Medikamente (Theophyllin, ß-Sympathikomimetika)
Hormonpräparate (z. B. Thyroxin, Steroide, etc.)
Antibiotika (z. B. Gyrasehemmer)
Medikamente zur Förderung der Hirnleistung im Alter (z. B. Piracetam)
|21|Diuretika (Medikamente zur „Entwässerung“)
Antriebssteigernde Antidepressiva (z. B. MAO-Hemmer, Serotonin-Reuptake-Hemmer)
Alkohol und andere Rauschmittel
Stimulierende Substanze (Koffein und synthetische Substanzen, z. B. Amphetamine, Ecstasy etc.)
Darüber hinaus kann eine Vielzahl weiterer ärztlich verordneter Medikamente zu Schlafstörungen führen. Für alle im Kasten aufgeführten Medikamente gilt, dass sie dies keineswegs in jedem Fall tun. Von Blutdruckmedikamenten oder Hormonpräparaten wissen wir nur, dass Schlafstörungen bei einem Teil der Patienten auftreten können. Die Vermutung, dass es sich um eine medikamentöse oder substanzbedingte Schlafstörung handelt, wird dann unterstützt, wenn ein zeitlich enger Zusammenhang zwischen Einnahme eines Medikaments und dem Auftreten der Schlafstörung besteht.
Merke:
Ärztlich verordnete Medikamente sollten beim Verdacht auf Schlafstörungen als Nebenwirkung erst nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt abgesetzt werden.
2.3 Psychische Störungen
Depressionen, Angsterkrankungen oder andere schwerwiegende psychische Erkrankungen (vgl. Tabelle 2), wie Psychosen oder Demenzen führen fast immer zu ausgeprägten Beeinträchtigungen des Nachtschlafs. Besonders die depressiven Erkrankungen, d. h. die Beeinträchtigungen der Gemütsverfassung, gehen fast immer mit...