Einführung im Unternehmen
Betriebliches Vorschlagswesen (BVW)
Um ein erfolgreiches BVW im Unternehmen einzuführen und zu etablieren, sind sowohl formelle als auch vermarktende Schritte notwendig.
Im Kern ist elementar, dass die Rahmenbedingungen für die Prämienvergabe eindeutig formuliert sind und auch auf unvoreingenommener gerechter Basis bestehen. Willkür und denkbare persönliche Bevorzugung muss von vornherein ausgeschlossen werden. Das Beurteilungs-Gremium ist heterogen und abteilungsübergreifend zusammenzustellen. Bestehende disziplinarische Hierarchien müssen zwingend bei der Bewertung von Vorschlägen ausgeblendet werden. Die objektive Behandlung von Vorschlägen steht an erster Stelle.
Für die Praxis sind folgende zu regelnde Eckdaten im BVW zu beachten:
Zusammensetzung des BVW-Gremiums
Stellvertreterregeln
Formulare / Einreichungswege (siehe folgendes Kapitel „Formular BVW“)
Beurteilungsintervalle (z.B. monatlich oder quartalsweise)
Berechnungsregeln der Prämien (siehe folgendes Kapitel „Formular BVW“)
Auszahlung der Prämien
Ggf. Deckelung von Prämien
Ersatzprämien für abgelehnte Vorschläge
Beurteilungsregularien als Leitfaden für das Gremium (siehe folgendes Kapitel „Formular BVW“)
Kritisch sind Situationen zu betrachten, in denen Mitarbeiter in ihrem eigenen Zuständigkeitsfeld Vorschläge einreichen. Hier könnte das Unternehmen Vorschläge ablehnen mit Hinweis darauf, dass diese Optimierungen zur vertraglich vereinbarten Tätigkeit des Arbeitnehmers zählen. Als Beispiel: Ein angestellter Prozessspezialist in der Produktion reicht einen Vorschlag ein, wie ein Fertigungsprozess optimiert werden kann. Dieser Mitarbeiter wird es schwer haben, eine Prämie zu erhalten, obgleich sein Vorschlag tatsächlich umgesetzt wird. Nach Möglichkeit sollte es auch für diese sicherlich zu erwartenden Fälle eine vorab definierte Regelung geben, die für Transparenz sorgt. Diese könnte z.B. so aussehen, dass Vorschläge innerhalb des definierten Tätigkeitsprofils der Mitarbeiter nicht prämienfähig sind. Voraussetzung dafür ist, dass für jeden Mitarbeiter im Unternehmen nicht nur ein grob gefasster Arbeitsvertrag besteht, sondern auch eine genaue und stetig aktualisierte Stellenbeschreibung, die in Streitfällen in diesem Zusammenhang zum ausschlaggebenden Merkmal herangezogen werden kann.
Wie entsprechende Formulare für die Einreichung von Vorschlägen als auch für die Beurteilung und Entscheidung über Vorschläge aussehen können, ist im folgenden Kapitel „Musterformular Betriebliches Vorschlagswesen“ ersichtlich. Auch der Einsatz von unterstützender Software wird dort näher beleuchtet.
Sind nun die Regularien und Rahmenbedingungen im Unternehmen festgelegt, geht es an die aktive Vermarktung. Das Betriebliche Vorschlagswesen muss gelebt und in der gesamten Belegschaft als authentisches Anreizsystem wahrgenommen werden. Da genügt es nicht, einen textlichen Aushang am Schwarzen Brett und im Intranet vorzunehmen.
An dieser Stelle ist zu empfehlen, die Einführung des BVW als Werkzeug der unternehmerischen Verbesserungsprozesse gegenüber der Belegschaft geradezu zu zelebrieren, damit das Programm die nötige Aufmerksamkeit erhält. Dies könnte z.B. im Rahmen einer gemeinsamen festlichen Veranstaltung geschehen (Betriebsfest). Und es könnte Gewinnspiele geben nach dem Muster „Die ersten 10 eingereichten Verbesserungsvorschläge belohnen wir extra mit einem 50 EUR Tankgutschein“ o.ä.
Wichtig ist in diesem Kontext, dass das Betriebliche Vorschlagswesen nicht nur eine Alibifunktion im Unternehmen besitzt. Mitarbeiter merken es im Kollektiv schnell, wenn auffällig häufig Ablehnungen grundsätzlich kreativer und sinnvoller Vorschläge erfolgen. Das Resultat wäre, dass sukzessive immer weniger Vorschläge eingehen werden und das Programm einen sog. „leisen Tod stirbt“, was nicht im Sinne des Unternehmens sein kann.
Hier ist die Rückendeckung von ganz oben seitens der Unternehmensleitung elementar. Wenn ein Unternehmen sagt: „Ja, wir möchten die Mitarbeiter dazu animieren, durch Vorschläge Kosten für das Unternehmen einzusparen, Prozesse effizienter zu gestalten und die Qualität zu erhöhen“, dann muss es auch der ausgesprochenen Verpflichtung in der Praxis nachkommen, diese Vorschläge angemessen zu honorieren. Geiz an der falschen Stelle kann mögliche zukünftige Verbesserungen eindeutig verhindern. BVW funktioniert nur dann, wenn sich das Unternehmen für innovative Ideen der Mitarbeiter öffnet und diese Kultur glaubwürdig fördert.
Nicht nur das Unternehmen hat in diesem Rahmen eine Verpflichtung zu einer ordentlichen und hochqualitativen Abwicklung im BVW. Auch die Mitarbeiter, die Vorschläge einreichen, sind in die Pflicht zu nehmen. Die Erwartungshaltung für das Niveau der Vorschläge sollte deutlich kommuniziert werden. Es werden umfangreich ausgearbeitete und nachvollziehbare Vorschläge mit einem tatsächlichen Nutzen gefordert. Allzu banale und unqualifizierte Vorschläge binden unnötig Zeit des prüfenden BVW-Gremiums.
Somit haben beide Parteien gemeinsam, das Unternehmen und auch die Belegschaft, den Erfolg des Betrieblichen Vorschlagswesens in der eigenen Hand. Dieser bemisst sich nicht nur in der Summe der eingesparten Kosten bedingt durch die Einführung der Vorschläge oder in einer messbaren Qualitätssteigerung, sondern an dieser Stelle auch in einem hohen Realisierungsgrad der eingereichten Vorschläge. Das Deutsche Institut für Betriebswirtschaft (DIB) veröffentlicht jedes Jahr die Ergebnisse einer aktualisierten Studie zum Thema Ideenmanagement/BVW („DIB-Report“). In den letzten zehn Jahren lag dieser Wert demnach regelmäßig deutschlandweit zwischen 60% und 70%, was einen unternehmensintern zu erreichenden Benchmark darstellen sollte.
Kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP)
Das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW) ist ein Teil der Kontinuierlichen Verbesserungsprozesse (KVP) im Unternehmen, sorgt es doch im Idealfall für ständig neue innovative Impulse auf konkreter Basis, die wiederum in Summe Verbesserungsprozesse abbilden. Auch können ursprüngliche reine Verbesserungsvorschläge KVP-Projekte initiieren, die langfristig bis stetig installiert werden.
Das generelle Wesen von KVP ist die Beständigkeit des Programms. Hier gibt es nicht einzelne Vorschläge, über die per übergreifender Beurteilung entschieden wird. Diese Prozesse sind im Einzelnen spezifischer und auf permanente bzw. regelmäßige Reflektion der routinierten Abläufe ausgelegt.
Dementsprechend wird in der Praxis auch nicht wie beim BVW ein unternehmensweites Gremium mit Mitgliedern vieler Fachbereiche definiert, sondern es werden KVP-Teams mit fachlich qualifiziertem Personal in spezifischen Bereichen gebildet, die sich ausschließlich mit Optimierungen in einem ihrer Haupttätigkeit nahen Segment beschäftigen. Dies kann z.B. ein KVP-Team für die Lackierstraße sein, das sowohl aus planenden als auch aus ausführenden Mitarbeitern in dieser Abteilung besteht. Allerdings kann es ebenfalls sinnvoll sein, ein gemischtes KVP-Team mit Mitarbeitern aus zwei aufeinander folgenden Produktionsbereichen zu bilden, die insbesondere die Prozesse an der Schnittstelle dieser Einheiten durchleuchten sollen.
Im Gegensatz zum BVW ist es hier keine freiwillige Leistung, Verbesserungspotentiale zu finden, sondern ein verpflichtender Part im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses dieser Personen. In der Folge finden in der Praxis regelmäßige Treffen der KVP-Teams statt, um über kürzlich aufgetretene Probleme, Lösungsvorschläge, freie Verbesserungsmöglichkeiten und Resultate erfolgter Änderungen zu beraten.
Sollte ein KVP-Team mehr als drei Mitglieder umfassen, ist es sinnvoll, einen geschulten Moderator einzusetzen, der die Teamsitzungen thematisch leitet, jedoch an dieser Stelle keine Führungskompetenz besitzt.
Wie bereits beschrieben steht bei KVP die Qualitätsverbesserung für Produkte, Prozesse und die Dienstleistung im Vordergrund. Kosteneinsparungen sind sekundär zu sehen. Die Mitglieder der KVP-Teams begeben sich bewusst auf die Suche nach Optimierungsmöglichkeiten und hinterfragen stetig den Status Quo.
Durch die Team-Komponente und Anwendung von Kreativitätstechniken (siehe auch Kapitel „Einsatz von Kreativtechniken“ im Buch) können mit Hilfe der Gruppendynamik bessere konstruktive Lösungen gefunden werden, als wenn ein einzelner Fachverantwortlicher zuständig für laufende Verbesserungen wäre.
Ein weiterer Ratschlag für die KVP-Praxis ist, den strukturierten Problemlösungsprozess aktiv anzuwenden, der in diesem Buch im gleichnamigen Kapitel erörtert wird. Der kausale Zusammenhang von Ursache und Wirkung von Problemen steht im Vordergrund. Des Weiteren ist besonders die Erfolgskontrolle nach Anwendung einer Änderung hier obligatorisch. KVP-Teams müssen nicht zwingend frei heraus mögliche Optimierungspotentiale finden, sondern können sich bei ihrer...