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E-Book

Richard Coudenhove-Kalergi

Ein Leben für Paneuropa

AutorWalter Göhring
VerlagVerlag Kremayr & Scheriau
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783218010542
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Richard Coudenhove-Kalergi (1894-1972), adeliger Herkunft, gilt als Visionär und Wegbereiter der Europäischen Union. 1922 gründete er in Wien die 'Paneuropa'-Bewegung, die von Österreich bald auf andere Länder übergriff. 1938 floh er vor dem NS-Regime über die Schweiz in die USA. Dort gelang es ihm, Politiker und Freunde für seine Idee zu gewinnen. Bei seiner Rückkehr nach Europa geriet er in den Konflikt um die Führung der Paneuropa-Bewegung. Als Initiator der Parlamentarier-Union und deren schrittweiser Entwicklung zum Europarat setzte er daraufhin einen Prozess in Gang, der viele Jahre später zur Gründung der Europäischen Union führen sollte. 1966 legte Coudenhove-Kalergi beim X. Wiener Paneuropa-Kongress in ein Memorandum für das künftige Europa vor, das bis heute als eine wichtige Leitlinie gilt. Coudenhove-Kalergi wirkte als Berater unter anderem für Charles de Gaulle, Georges Pompidou und Konrad Adenauer und begeisterte auch Bruno Kreisky für seine Ideen. Mehr als eine Biografie ist dieses Buch ein Plädoyer dafür, sich gerade in Krisenzeiten mit der Weiterentwicklung des Europäischen Gedankens auseinanderzusetzen.

Walter Göhring, geboren 1936, Zeithistoriker, Habilitation an der Universität Warschau im Bereich Politikwissenschaft, war u.a. Leiter des Historischen Instituts der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien. Gegenwärtig freiberuflicher wissenschaftlicher Journalist. Insgesamt 54 Bücher und Dokumentationen, über 300 Artikel in Fachzeitschriften im In- und Ausland.

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Leseprobe

Vorwort


»Das Leben des Richard Coudenhove-Kalergi ist ein Abenteuer.« Dies sagte einer meiner Gesprächspartner im Rahmen der Recherchearbeiten im Spätherbst 2015. Denn Richard Coudenhove-Kalergi (im Folgenden abgekürzt als RCK) war ständig auf der Suche nach etwas Neuem für seinen Traum von einem geeinten Europa. Charakteristisch für ihn sind seine ständige Unrast dabei, Mitredner und Partner zu gewinnen, was auch zur Folge hat, dass es immer wieder zu Auseinandersetzungen kommt und auch Neuorientierungen durch Großereignisse auslöst.

Auch wenn er sich selbst als pragmatischen Pazifisten sieht, erkennt er bald, dass dies zu wenig ist und er nimmt sich selbst in die Pflicht, aktiv in die Politik Europas einzugreifen. Sein Motto dazu lautet: Wahrung der Unabhängigkeit, Führungsanspruch und Überparteilichkeit.

Dies hat zur Folge, dass sein Leben nach beschaulicher Kindheit und Jugend sich mit Ende des Ersten Weltkrieges sehr rasch verändert. Es ist eine Reihe oft schwerer Konflikte, die er durchstehen muss, um seine Idee von Paneuropa nicht nur in Worten, sondern auch in die Tat umsetzen zu können.

Mit diesem Wechselspiel gelingt es ihm, da er sich nicht zurücklehnt und beobachtet, sondern sich immer wieder öffentlich der Diskussionen stellt und sich Diffamierungen widersetzt, mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ins Gespräch zu kommen und für seine Ideen nicht nur Gegner, sondern auch Förderer und Mitträger zu gewinnen. Dazu kommt noch – wie am Beispiel von Churchill, de Gaulle usw. offensichtlich wird –, dass er Personen findet, die sehr rasch seine Fähigkeit erkennen, seine Ideen aufgreifen und in gegebener Form politisch umsetzen oder fortentwickeln.

Auch geschieht es, dass einzelne Teile seines Gedankenguts in Vergessenheit geraten, später ohne auf ihn Bezug zu nehmen aufgegriffen und weiterentwickelt werden.

RCK ist aber auch selbst ein Lernender. Von elterlicher Seite erlebt er großen disziplinierten Freiraum und bekommt die bestmögliche Ausbildung an der Theresianischen Akademie mit der Zielvorgabe, später im höheren diplomatischen Dienst der Donaumonarchie zu landen. Diese bildet auch die Grundlage – etwa mit seiner Vielsprachigkeit – für seine Präsenz bei den unzähligen Kongressen auf verschiedensten Ebenen. Entgegen den Erwartungen der Eltern entscheidet er sich jedoch nach dem Studium dafür, Journalist zu werden.

Er greift zu einem Buch des österreichischen Friedensnobelpreisträgers Alfred Hermann Fried mit dem Titel »Pan-Amerika – Entwicklung, Umfang & Bedeutung der zwischenstaatlichen Organisation in Amerika (1810–1916)«. Eine Herausforderung hierbei ist die Insideraussage, die Fried seinem Buch als Basis voranstellt. »Europa legt vielleicht für all dies nicht genügend Aufmerksamkeit an den Tag! Europa möge nicht vergessen, dass es einer jungen unternehmenden Welt gegenübersteht, deren Entwicklung durch Riesenschritte ausgezeichnet, die nicht die aufgehäuften finanziellen Verpflichtungen unseres alten Staates besitzt und auf der nicht die wahrhaftig ausschweifende Last unserer militärischen Organisation liegt.«1 Frieds Publikation ist für RCK ein Lehrbuch, von dem ausgehend er sein Modell Paneuropa entwickelt. Aus der unmittelbaren Aktualität des politischen Vakuums, ausgelöst durch den Zerfall sowohl der Donaumonarchie als auch der deutschen, russischen und türkischen Monarchien und den Erstarrungsprozess durch die Friedens- und Knebelungsverträge, setzt er sich, publizistisch angeregt durch seinen Freundeskreis, für den sich konstituierenden PEN-Club ein. Um Arthur Schnitzler, den ersten Präsidenten, schart sich eine Aufbruchs-Generation, der auch RCK und seine Frau Ida angehören. Sein Freiraumanspruch ist es, mit dem er sich selbst freispielt, mit seinem Paneuropa-Buch sein Umfeld überrascht und damit einen ganz neuen, zukunftsorientierten Weg geht, der typisch ist für die Zwischenkriegszeit. Und damit schafft er sich in der Folgezeit eine Bewegung, die durch Zusammenfügungen, innere Selbstauflagen und Perspektiven gekennzeichnet ist. So kommt es, dass er mit seinem Anspruch auf Überparteilichkeit und freigeistiges Selbstbewusstsein sowohl bei der jüngeren Generation als auch bei Spitzenpolitikern Anklang findet. Seine konkrete ablehnende Haltung gegenüber jeglicher Form von imperialistischer Kriegslust und Kriegspolitik sowie die gesellschaftlichen Veränderungen und die neue Transformation Russlands zur Sowjetunion sind Einzel- aber auch Eckpunkte, die für seine künftige Arbeit Bedeutung haben.

Das Anwachsen der Paneuropabewegung im Neuen Geist Europas führt dazu, dass von nationalsozialistischer Seite befürchtet wird, durch diese Bewegung könnte ein neuer Feind entstehen. Hitler verfolgt RCK 1928, dies sei hier angedeutet, und rund 10 Jahre später muss RCK mit seiner Frau unter Rettung dreier weiterer Personen in die Schweiz und später in die USA emigrieren.

Hier lernt er, dass vom Bürger sowohl im allgemein gesellschaftlichen Leben als auch im politischen Leben viel Selbstinitiative gefordert wird. Paneuropa ist in den USA kein Thema. Die Einbindung geht dann jedoch nicht unproblematisch von sich. Dieser Gegensatz zu Europa, das großräumige Leben und die breite Basis des Denk- und Aktionsprozesses sind es, was das Ehepaar Coudenhove-Kalergi schnell umzusetzen lernt, als die beiden 1946 ihren Wiedereinstieg in das zweigeteilte politische Feld Europas wagen.

RCK muss aus Gründen der aktuellen Situation heraus sein Paneuropa-Modell den äußeren Rahmenbedingungen anpassen und setzt auf neue Organisations- und Informationsformen.

In dieser Lebensphase verändert sich durch die hochaktive Mitarbeit seiner Frau Ida sein Stil. Und der Weg heißt: über den Einfluss auf politische Meinungsbildung die politische Entwicklung Europas – und Paneuropas – lenken.

Das erste Problem bei seiner Rückkehr aus dem Exil ist, dass sein Platz an der Spitze der Bewegung, die er aufgebaut hat, jetzt besetzt ist, und es dauert lange, bis das alles geklärt ist. Aber mit der Idee eines Europaparlaments und einer Union gelingt es ihm, eine Initiative zu schaffen, die auch über seine aktuellen Möglichkeiten hinauswächst. Für ihn persönlich wichtig ist aber, dass er unter anderem in Charles de Gaulle einen Ideenträger findet und er als einziger der sogenannten »Neueuropäer« zu de Gaulle steht. Sehr bald zeigt sich, dass die Gedankenwelt RCKs durch de Gaulle transformiert und hoch politisiert in Angriff genommen wird.

Eine tiefe Vertrautheit zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Persönlichkeiten führt dazu, dass über die Initiative von de Gaulle ein entscheidender Schritt zur Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich gesetzt wird. De Gaulle besteht darauf, dass RCK ob seiner Verdienste um das Zustandekommen dieses Akts der Aussöhnung als einziger Nichtpolitiker an der Unterzeichnung der Freundschaftsverträge teilnehmen kann.

Mit dem Tod de Gaulles und zwei Jahre später RCKs stellt sich unmittelbar die Frage, ob Paneuropa eingestellt werden soll. Die Paneuropa-Bewegung beginnt, sich unter den neuen Voraussetzungen zu wandeln und auch auszuweiten in der Zielorientierung, wie etwa mit der von RCK bereits schon angedachten Ausweitung zu »Großeuropa« sowie mit der Einbindung Russlands als gleichberechtigtem Partner in ein Europa vom Atlantik bis Wladiwostok. Zielrichtung dieses Projekts ist es, ein Staatengefüge zu schaffen, in dem Russland in einer Form der Konföderation mit Europa vereint ist; damit, und hier ist wieder die Fragestellung RCKs fest eingebunden, soll Europa zum gleichwertigen politischen und ökonomischen Partner für die USA und China werden.

Die Quellenlage für dieses Projekt ist durch große Unterschiede gekennzeichnet. Auf der einen Seite steht ausgesprochene Kernliteratur, im Anhang angezeigt, und auf der anderen Seite viel unveröffentlichtes Material.

Nüchtern betrachtet ist die Quellenlage sehr bunt und breit gestreut. So gibt es gut aufbereitete Materialien zu RCK in Moskau bis 1939. Mehrfach ist schon von öffentlicher und privater Seite versucht worden, diese Dokumente, sogenannte »Beuteakte«, die von den Nationalsozialisten nach Berlin gebracht, dann von den Russen beschlagnahmt und in die UdSSR verlegt wurden, öffentlich zugänglich zu machen, aber die Bemühungen waren bisher immer erfolglos. Sehr gut aufbereitete Bestände liegen ebenfalls in der Schweiz, vor allem in Lausanne im RCK-Archiv und im Monnet-Archiv. Weitere Bestände ruhen im französischen Nationalarchiv in Paris (Archives nationales de France). Dazu kommen noch die Bundesarchive in Wien, Bratislava und Berlin und die vielen kleinen Privatarchive in Frankreich, Österreich und der Schweiz.

Die Recherche, die oft bedeutsame Ergebnisse erbrachte, konnte in Zeitzeugengesprächen ergänzt und korrigiert werden. Dabei muss gesagt werden, dass bis auf eine einzige Ausnahme alle ihr Wissen oder ihre Korrekturhilfe zur Verfügung gestellt haben. Gerade die Phase ab 1946 ist nach dem Tod RCKs noch wenig bearbeitet – trotz hohem Wert. Dazu gibt es sehr viele Tondokumente und Filmmaterial in Österreich und anderen Ländern.

Mit dieser Arbeit, die nicht nur als politisch-organisatorisch anzusehen ist, sondern auch das Umfeld RCKs, seine Lebensweise und seinen Umgang mit Krisensituationen analysiert, wird gleichzeitig ein Leben bis in die Gegenwart exemplarisch aufbereitet. Damit verbunden sind auch das exemplarische Aufgreifen von Vorurteilshaltungen und Einseitigkeiten. Damit wird versucht, einzelne Fragen aufzuklären.

Das Gesamtbild zeigt, dass das Forschungsfeld – insbesondere die Zeit von RCKs Aufenthalt in den USA und die Phase nach 1946 – noch viele Möglichkeiten...

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