AUCH DER SOHN GOTTES MUSSTE ERZOGEN WERDEN
Diese Ansprüche sind sehr hoch. Das vollkommene Vorbild des Herrn Jesus kann uns einschüchtern und wir könnten mit den Worten aufgeben: „So wie Er kann ich nie werden.“ Wenn wir so denken, so glauben wir jedoch nicht wirklich, dass Er so wie wir geworden ist.
Darum ist der Glaube an die völlige Menschwerdung des Sohnes Gottes so wichtig. Bis hin, dass erwähnt wird, wie Er in Windeln gewickelt wurde. Gerade diese Windeln sollten ein Zeichen für die Hirten auf dem Feld sein: „Und das sei für euch das Zeichen: Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln gewickelt, in der Krippe liegend.“ (Luk 2,12)
Kaum etwas anderes vermittelt uns das völlige Menschsein Jesu so sehr, wie die Tatsache, dass auch Er sauber werden, gehen und reden lernen musste. Er hatte eine liebevolle Mutter und einen Ziehvater, die sich um Ihn kümmerten, Ihm beibrachten, wie man Bitte und Danke sagt, Ihn in die Synagoge mitnahmen, wo er lernte, die heiligen Schriften zu lesen, zu verinnerlichen und zu leben.
Im Alter von zwölf Jahren jedoch blitzte etwas auf, das im Erziehungsalltag offenbar übersehen wurde, denn Maria und Josef waren davon doch sehr überrascht: „Und seine Eltern reisten jährlich am Passahfest nach Jerusalem. Und als er zwölf Jahre alt war, gingen sie nach dem Brauch des Festes hinauf nach Jerusalem. Und als sie die Tage vollendet hatten und wieder heimkehrten, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem; und Joseph und seine Mutter wussten es nicht. Da sie aber meinten, er wäre bei den Reisegefährten, zogen sie eine Tagereise weit und suchten ihn unter den Verwandten und unter den Bekannten. Und weil sie ihn nicht fanden, kehrten sie wieder nach Jerusalem zurück und suchten ihn. Und es geschah, nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel sitzend mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie befragte.
Es erstaunten aber alle, die ihn hörten, über sein Verständnis und seine Antworten. Und als sie ihn sahen, waren sie bestürzt; und seine Mutter sprach zu ihm: Kind, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht! Und er sprach zu ihnen: Weshalb habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist? Und sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen sagte.“ (Luk 2,41-50)
Obwohl Jesus wusste, wer Er war und wer Sein wirklicher Vater war, lebte Er dennoch in der Obhut und in Abhängigkeit von zwei Menschen. Es verblüfft uns, wenn wir weiterlesen: „Und er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und ordnete sich ihnen unter.“ (Luk 2,51) Der Sohn Gottes ordnet sich fehlbaren, unsicheren, mangelhaften Menschen unter! Warum? Die Folge dessen ist noch überraschender: „Und Jesus nahm zu an Weisheit und Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.“ (Luk 2,52) Der Sohn Gottes hatte als Mensch genauso viel zu lernen wie wir! Auch Er wuchs über Kindheit und Jugend zum Mannesalter heran. Es gab für Ihn keine Abkürzung.
Wenn Jesus Christus uns zuruft: „Folge mir nach!“, dann erwartet Er von uns nicht, was nicht auch Er machte. Er fiel nicht als vollkommener Mensch vom Himmel, und ebensowenig erwartet Er von uns, dass wir ab Tag eins unserer Bekehrung vollkommene Christen werden. Wir haben wie Er einen Wachstumsprozess zu durchlaufen. Wir können dabei nichts überspringen und keine Abkürzungen nehmen. Wir können uns aber als lernwillig oder „erziehungsresistent“ erweisen. Welche Gesinnung passt auf uns, auf dich und mich?
Der Herr Jesus will uns zu Seinen Jüngern, Seinen Schülern machen, so wie Er selbst ein Jünger war. Wirklich? So steht es über Ihn geschrieben: „GOTT, der Herr, hat mir die Zunge eines Jüngers gegeben, damit ich den Müden mit einem Wort zu erquicken wisse. Er weckt Morgen für Morgen, ja, er weckt mir das Ohr, damit ich höre, wie Jünger hören. GOTT, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet; und ich habe mich nicht widersetzt und bin nicht zurückgewichen.“ (Jes 50,4-5)
Um diese Gesinnung geht es, die auch in Ihm war (vgl. Phil 2,5). Wie lernt man am besten und schnellsten? Wenn man sich der Unterweisung nicht entzieht, sondern regelmäßig jeden Morgen das Wort Gottes zur ersten Priorität macht. Und nicht nur das: Zum Hören gehört das Tun. In diesem Fall ist die Rede davon, den Müden durch ein aufmunterndes Wort zu erquicken. Dieses hilfreiche Wort empfangen wir durch das Hören auf Gottes Wort.
So lebte der Herr Jesus als Mensch. Er war lernbereit, Ihm wurde Sein Bibelwissen nicht einfach mit den Genen vererbt, denn Sein körperliches Gehirn war genauso unbeschrieben wie unseres, wenn wir zur Welt kommen. Er musste sich ebenso alles aneignen, und es fiel Ihm nicht leichter als uns, nach Gottes Willen leben zu lernen: „Dieser hat in den Tagen seines Fleisches (d.h. Menschseins auf Erden) sowohl Bitten als auch Flehen mit lautem Rufen und Tränen dem dargebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte, und ist auch erhört worden um seiner Gottesfurcht willen. Und obwohl er Sohn war, hat er doch an dem, was er litt, den Gehorsam gelernt; und nachdem er zur Vollendung gelangt ist, ist er allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden.“ (Heb 5,7-9)
Obwohl Er Sohn Gottes war, musste Er zur Vollendung gelangen. Durch Gebet, durch Anfechtungen und Leid, durch Gehorsam und Gottesfurcht, durch den Tod hindurch zur Auferstehung. Nur so konnte Er der Urheber unseres Heils, unserer Erlösung werden, denn Sein Vorbild ist ebenso wichtig wie das für uns zur Vergebung der Sünden vergossene Blut! Denn die Errettung setzt voraus, dass wir unser Leben ändern, und zwar nach den Geboten Gottes. Wir müssen dem Herrn Jesus also gehorchen, um zu Seinen Freunden zu zählen, für die Er Sein Leben ließ (vgl. Joh 15,13-14).
Wir können dabei von Seinem Vorbild lernen, denn Er ist nicht einer, der bloß von oben herab etwas gebietet, sondern der uns auch vorgemacht hat, wie es geht. Er ist nicht autoritär, sondern Er ist eine wirkliche Autorität. Ein Meister, dem man gerne zuschaut, um von Ihm zu lernen. Und dazu lädt Er uns herzlich ein: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch erquicken! Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen! Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ (Mat 11,28-30)
Erinnern wir uns: Der Herr selbst ist ein Jünger, der die Müden erquicken will, hieß es beim Propheten Jesaja. Hier sehen wir, wie Er das tut. Er lädt uns zu Sich ein, damit wir von Ihm lernen. Er sieht uns als Mühselige und Beladene, und Er will uns von dieser Last befreien, um uns Sein Joch aufzulegen. Dieses Joch hat die symbolische Bedeutung, Ihn als Herrn und Meister anzunehmen. Sein Joch ist sanft, aber es ist ein Joch; wir müssen Ihm gehorsam werden. Seine Last ist leicht, aber es ist eine Last; es wird uns nicht immer gefallen, sie tragen zu müssen.
Aber wie unterscheiden sich Sein Joch und Seine Last von der Mühsal und Last, die wir uns selbst und einander auflegen! Gerade die Religion überfordert uns mit Forderungen nach einer Perfektion, die wir noch nicht bringen können. Gerade Menschen stellen Erwartungen an uns, die über das hinausgehen, was Gott von uns fordert. Denken wir an den Leistungsdruck in der Gesellschaft, an die erdrückenden Schönheitsideale der Mode, die Normen für Bildung und Intelligenz, die alle über einen Kamm scheren wollen, die Last eines viel zu hohen Lebensstandards, für den wir uns verausgaben und verschulden. Oder Erwartungen, die wir an uns selbst stellen, weil wir meinen so und so sein zu müssen.
Wie sollen wir aber sein? Wir sind doch im Bilde Gottes erschaffen, sollen Sein Wesen annehmen, Seinen Charakter widerspiegeln. Darum legt uns der Herr Jesus Seine Demut und Sanftmut als Vorbild vor. Gibt es eine einladendere Einladung? Gibt es irgendwo einen anderen Weg, so zu werden, wie wir von Gott her gewollt sind?
Der Weg dazu ist Erziehung. Wir sollen uns von Gott erziehen lassen, wie ein Kind erzogen wird. Paulus schreibt: „Werdet nun Gottes Nachahmer als geliebte Kinder und wandelt in der Liebe, gleichwie auch Christus uns geliebt und sich selbst für uns gegeben hat als Darbringung und Schlachtopfer, zu einem lieblichen Geruch für Gott.
Unzucht aber und alle Unreinheit oder Habsucht soll nicht einmal bei euch erwähnt werden, wie es Heiligen geziemt; auch nicht Schändlichkeit und albernes Geschwätz oder Witzeleien, die sich nicht gehören, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger (der ein Götzendiener ist), ein Erbteil hat im Reich des Christus und Gottes.“ (Eph 5,1-5)
Unzucht, Unreinheit, Habsucht und all die anderen Sünden sind eine bedrückende Last, sie beflecken unser Gewissen, versetzen uns in Angst vor dem gerechten Urteil über unsere Taten. Diese Angst wollen wir überspielen oder verdrängen, wodurch wir uns nur noch mehr in der Sünde und im Selbstbetrug verstricken....