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Im Kalten Krieg der Spionage

Margarethe Ottillinger in sowjetischer Haft 1948-1955

AutorStefan Karner
VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl244 Seiten
ISBN9783706558174
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
SPEKTAKULÄRSTER ENTFÜHRUNGSFALL ÖSTERREICHS IM KALTEN KRIEG Am 5. November1948 ist die erst 28-jährige Sektionsleiterin im Ministerium, Margarethe Ottillinger, mit Peter Krauland, Minister für Vermögenssicherung, auf dem Weg nach Wien. An der alliierten Zonengrenze in Steyr (Ennsbrücke) wurde sie von den Sowjets aus dem Dienstauto heraus verhaftet. Die junge einflussreiche Beamtin wird in der Sowjetunion wegen 'Spionage' zu 25 Jahren Haft verurteilt. Viele Fragen zu den mysteriösen Umständen ihrer Verhaftung bleiben lange Zeit unbeantwortet unbeantwortet. RIESIGE AKTENBESTÄNDE IN MOSKAU Prof. Dr. Stefan Karner, Historiker und Leiter des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung Graz, wird im Herbst 1991 erstmals die Erlaubnis erteilt, die riesigen Aktenbestände der ehemaligen österreichischen Kriegsgefangenen und Internierten in Moskau einzusehen. Dabei stößt er auf die Akte Margarethe Ottillingers. Anhand der Nummer des Personalaktes Ottillingers, konnte Karner in einem russischen Geheimarchiv die wichtigsten Informationen zu ihrer Inhaftierung und den Aufenthalten in den Lagern und Gefängnissen zusammentragen. DIE RÜCKKEHR 1955 Margarethe Ottillinger verschwand für viele Jahre in sowjetischen Lagern und Gefängnissen. Nach Abschluss des Österreichischen Staatsvertrages 1955 wurde sie vorzeitig entlassen und durfte, mittlerweile schwer erkrankt, in die Heimat zurückkehren; 1994 wurde sie rehabilitiert. Anhand vieler Bilder und den Original-Verhörprotokollen versucht Stefan Karner mit dem vorliegenden Band Antworten auf den wohl spektakulärsten Entführungsfall Österreichs im Kalten Krieg zu geben.

Stefan Karner, Univ.-Prof., Dr., ist Vorstand des Instituts für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte der Universität Graz, Gründer und Leiter des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung Graz-Wien-Raabs, Co-Vorsitzender der Österreichisch-Russischen Historikerkommission (seit 2008) und ist außerdem Mitglied und Vorsitzender vieler wissenschaftlicher Vereinigungen im In- und Ausland. Forschungsschwerpunkte: Zeitgeschichte Österreichs, Ost- und Südosteuropas und Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte.

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Leseprobe

Vorwort


Als es mir im Herbst 1991 gelang, die riesigen Akten-Bestände der ehemaligen österreichischen Kriegsgefangenen und Internierten in Moskau einzusehen, suchte ich als Erstes nach den Unterlagen von Margarethe Ottillinger, der Sektionsleiterin im Ministerium Krauland. Sie war 1948, kaum 29-jährig, unter mysteriösen Umständen von den Sowjets verschleppt worden und wurde wohl der bekannteste und spektakulärste Entführungsfall in Österreich. Eine kleine Karteikarte, handgeschrieben, im Erdgeschoß des ehemaligen Sonderarchivs des Ministerrates der UdSSR im Nordwesten von Moskau, führte mich auf ihre Spur. Das Archiv war geheim, in keinem Stadtplan eingezeichnet, es gab keine Hausnummer am riesigen Gebäude, das im Übrigen von Kriegsgefangenen aus Deutschland und Österreich erbaut worden war. In der Kartothek des Archivs lagerten die Karteikarten von über vier Millionen Kriegsgefangenen und Internierten aus über 30 Ländern, geordnet nach russischem, phonetischem Alphabet: von Deutschen, Polen, Koreanern, Amerikanern, Franzosen, Briten, Italienern, Ungarn und auch Österreichern.

Unter ihnen war auch die Karteikarte von Margarethe Ottillinger, die in den russischen Dokumenten als „Margarita“ geführt wird. Sie verzeichnete die wichtigsten Informationen: Personaldaten, Datum und Grund ihrer Festnahme und Verurteilung („amerikanischer Spion“ und „Fluchthilfe“), die Haftstrafe von 25 Jahren und das Ende der Haft im Gulag 1973 sowie die vorzeitige Repatriierung 1955 nach Österreich. Auf die wichtigste Information auf der Karte wiesen mich die Leiterin der Kartothek, Lilija A. Pylova, und der stellvertretende Archivdirektor Vladimir I. Korotaev hin: die Nummer des Personalaktes. Mit ihr war es möglich, zum ersten Mal in das Depot des Archivs zu den Millionen Personalakten zu gelangen. Der damals neu ernannte Archivdirektor Viktor Bondarev (†) gestattete mir die Kopie des Personalaktes und seine Publizierung als Faksimile.

So entstand im Herbst 1992 aus dem russischen MGB-Personalakt und zahlreichen Gesprächen mit Frau Dr. Margarethe Ottillinger mein im Verlag Leykam erschienenes Buch.* Es war das erste und bislang einzige Mal, dass ein von der sowjetischen Staatssicherheit geführter Personalakt in vollem Umfange als Faksimile publiziert wurde. Nie werde ich vergessen, wie Margarethe Ottillinger in den letzten Monaten ihres Lebens jede einzelne Seite der oft recht dürren, bürokratischen russischen Dokumente studierte und ihre Erinnerungen zu den Einträgen mitteilte. Ich konnte diese dann im Buch zu den jeweiligen Dokumenten als ihre persönliche Schilderung veröffentlichen. Es waren ihre letzten Äußerungen. Knapp vor ihrem Tod am 30. November 1992 konnte sie noch das erschienene Buch in Empfang nehmen.

Der Personalakt umfasste zwar die wichtigsten Informationen, die Inhaftierung und die lange Liste der Aufenthalte in den Lagern und Gefängnissen der ehemaligen Sowjetunion, die Beschlüsse zur Festnahme und Inhaftierung, das Geheim-Urteil und seine Begründung, die Beschwerden von Ottillinger sowie ihre vorzeitige Entlassung. Die entscheidenden Fragen blieben aber weiter offen:

–  Das vielschichtige Umfeld der Spitzenbeamtin Ottillinger, die im Ministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung wesentlich am US-Marshallplan für Österreich gearbeitet und den österreichischen Stahlplan aufgestellt hatte und dabei mit vielen Exponenten und Geheimdienstleuten der Besatzungsmächte in Kontakt gekommen war.

–  Sollte ihr Chef, Minister Peter Krauland, dem man auch eine Liaison mit der jungen, attraktiven Ottillinger nachsagte, mit ihrer Festnahme getroffen werden? Er selbst hatte diplomatische Immunität. Seine Festnahme hätte einen internationalen Aufschrei ausgelöst. Ottillinger als „Bauernopfer“, als „Schuss vor den Bug“, wie immer wieder geargwöhnt wurde?

–  Wurde Ottillinger von den Amerikanern fallen gelassen, weil sie, wie US-Agenten intendierten, keine „neuen Russen mehr bringt“?

–  Welche Beziehungen hatte Krauland zu den Geheimdiensten, namentlich zu jenen der Amerikaner und Sowjets?

–  Was wurde bei der Geheimsitzung in Linz besprochen, und welchen Einfluss hatte dies auf die Festnahme Ottillingers schon wenige Stunden später?

Fragen über Fragen, die nicht beantwortet werden konnten. Die Bücher von Ingeborg Schödl und Catarina Carsten basieren auf den persönlichen Erinnerungen von Margarethe Ottillinger, Harald Irnberger untersuchte die Spionagedrehscheibe Österreich und Peter Böhmer bearbeitete die Politik Kraulands, vor allem hinsichtlich der Vermögenssicherung des ehemaligen „Deutschen Eigentums“ für die Republik Österreich. Allein, die gestellten Fragen konnten auch sie nicht beantworten. Dazu bedurfte es der Akten der sowjetischen Staatssicherheit, in erster Linie der Verhörprotokolle, die ihrerseits quellenkritisch natürlich bedenklich sind und mit vielen anderen Informationen verglichen werden müssen. Dennoch. Sie sind eine Primärquelle und konnten eingesehen und ausgewertet werden (vgl. Anm. 1 im Teil Verhörprotokolle). Das Buch versucht Antworten auf Basis aller zur Verfügung stehenden russischen, österreichischen, amerikanischen und deutschen Dokumente sowie der persönlichen Erinnerungen von Margarethe Ottillinger zu geben.

Die Möglichkeit der Einsichtnahme in die im Zentralarchiv der russischen Staatssicherheit (FSB, ehemals KGB/MGB) aufbewahrten, geheimdienstlichen Untersuchungsakten zu Ottillinger wurde mir von der Direktion des FSB-Archivs Mitte der 1990er Jahre, nach der Publikation des Personalakts, erteilt. Das Archiv des russischen Außenministeriums öffnete die entsprechenden Dokumente des Österreichbestandes. Die Haupt-Militärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation erstellte zusätzlich zur vom Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung, Graz-Wien, betriebenen Rehabilitierung einen Entscheidungsakt, der mir ebenfalls im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zugänglich gemacht wurde. Den Archivleitern und Beamten der genannten Archive danke ich für das erwiesene Vertrauen und die Zugänglichmachung der Unterlagen. Der viel zu früh verstorbene Generalmajor d. Justiz, Vladimir I. Kupec, hat als Leiter der Abteilung Rehabilitierungen die Möglichkeit zur Einsichtnahme der rehabilitierten Österreicherin Ottillinger gestattet. Ihm ist postum besonders zu danken. Die Recherchearbeiten wurden auch in den Arbeits-Kanon der Österreichisch-Russischen Historikerkommission, der Aleksandr O. Tschubarjan und ich vorstehen, aufgenommen.

Das Österreichische Staatsarchiv gewährte in zuvorkommender Weise Einblick in den Bestand „Ottillinger“. Ich danke hierfür den Archiv-Mitarbeitern, besonders Herrn Gen. Dir. Doz. Dr. Wolfgang Maderthaner, den Hofräten Manfred Fink, Rudolf Jeřábek und Hubert Steiner sowie Frau Mag. Pia Wallnig und Herrn Dieter Lautner.

Sr. Oberin Magdalena von der Ordensgemeinschaft der Servitinnen in Wien-Mauer gewährte großzügig Einblick in die im Orden verwahrten Unterlagen von Margarethe Ottillinger und stand mehrfach für Gespräche zur Verfügung.

Im Wiener Stadt- und Landesarchiv stand Doz. Dr. Andreas Weigl hilfsbereit und kooperativ zur Verfügung. Ebenso danke ich den Mitarbeitern der Wirtschaftskammern Österreich, Wien, und Steiermark, Graz, für wertvolle Auskünfte.

Die OMV Aktiengesellschaft förderte Recherche- und Übersetzungsarbeiten, der Zukunftsfonds der Republik Österreich förderte notwendige Archivarbeiten. Den Verantwortlichen beider Institutionen sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt.

In Niederösterreich konnte ich auch diesmal auf die tatkräftige Hilfe von Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll und der Landesregierung/Abteilung Kultur (Hermann Dikowitsch) zählen. Über Basisförderungen unterstützen das Land Steiermark, die Stadt Graz und die Ludwig Boltzmann-Gesellschaft die Forschungen des Instituts. Die Universität Graz fördert seit Jahren durch einen Kooperationsvertrag auch die Forschungen des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung. Allen hier genannten Institutionen und Entscheidungsträgern sei dafür herzlich gedankt.

Die Russische Botschaft in Wien, namentlich die Botschafter Stanislav V. Osadčij, Sergej J. Nečaev und Dmitrij E. Ljubinskij (damals als Leiter der III. Europäischen Abteilung des Außenministeriums) und die Österreichische Botschaft in Moskau, besonders die Botschafter Fritz Bauer, Walter Siegl, Franz Cede, Martin Vukovich, Margot Klestil-Löffler und Emil Brix, haben den Projektarbeiten des Instituts stets ein besonderes Augenmerk geschenkt. Botschafter Hannes Eigner, Belgrad (in den 1990er Jahren Gesandter in Moskau), hat die erste Korrespondenz für das Projekt Ottillinger mit dem russischen Außenministerium betreut. Frau Sieglinde Presslinger, Moskau, hat durch viele Jahre auch die Arbeiten an unseren Projekten unterstützt. Ihnen allen gebührt mein aufrichtiger Dank.

Die epo-FILM, Wien – Graz, unter KR Dieter Pochlatko, hat mit großem Engagement auf Basis meiner Recherchen eine Spiel-Dokumentation produziert, die im ORF ausgestrahlt wird und einem großen Publikum das Leben...

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