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E-Book

Gebrauchsanweisung für Kreuzfahrten

2. aktualisierte Auflage 2017

AutorThomas Blubacher
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783492975322
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Wussten Sie, dass Schiffe nur von Frauen getauft werden? Dass der Seemannssonntag am Donnerstag stattfindet? Und was eine Schmetterlingsfahrt ist? Thomas Blubacher, passionierter Kreuzfahrer, war in der Karibik und im Indischen Ozean, im Mittelmeer, in der Ostsee und auf europäischen Flüssen unterwegs. Ob Ozeanriese oder Luxusliner, Segelboot oder Eisbrecher - er weiß, wie man die passende Reise für sich findet. Berichtet von Weihnachtsmarkttouren und Gin Tastings, vergoldeten Wasserhähnen und Wellnessoasen. Erhält Einblicke in den verborgenen Crewbereich, unterhält sich mit einer Ärztin und einem Pastor über ihre Einsätze an Bord. Und verrät, wie viele Hummer ein Passagier pro Woche verzehrt. Danach ist vom Neuling bis zum »Repeater« garantiert jeder für das Captain's Dinner bereit.

Thomas Blubacher, 1967 in Basel geboren und promovierter Theaterwissenschaftler, ist als freier Autor und Bühnenregisseur in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA tätig. Er publizierte mehrere Bücher, u.a. Biografien über die Geschwister Eleonora und Francesco von Mendelssohn, Gustaf Gründgens, Ruth Landshoff und Ruth Hellberg. Neben seiner »Gebrauchsanweisung für Kreuzfahrten« liegen bei Piper auch seine »Gebrauchsanweisung für das Tessin« und »Gebrauchsanweisung für Bali« vor. Er ist bereits mehr als 60 Mal auf Schiffen aller Größenordnungen in über hundert Länder gereist. Zuletzt erschien bei Piper »Weimar unter Palmen - Pacific Palisades«.

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Leseprobe

Leinen los!


»Kreuzfahrt ist sexy geworden«, freut sich Karl J. Pojer, CEO von Hapag-Lloyd Cruises. Innerhalb von zehn Jahren hat sich das Passagieraufkommen in Deutschland mehr als verdreifacht, 2015 unternahmen 1 812 968 Bundesbürger eine Hochseereise, zwei Drittel davon buchten bei deutschen Reedereien. Dank des anhaltenden Wachstums darf die Fernwehbranche damit rechnen, in wenigen Jahren die Drei-Millionen-Grenze zu überschreiten, zugleich steigt der Wettbewerbsdruck. Und wer hat’s erfunden? Nein, ausnahmsweise nicht die Schweizer. Auch nicht die Reederei Noah & Söhne, die vor viereinhalbtausend Jahren eine unkomfortable 375-tägige Jungfernfahrt ohne Landausflüge veranstaltete, nicht der König von Ithaka, dessen Odyssee durchs Mittelmeer denkbar unentspannt war, und nicht Papst Urban II., der 1095 die ersten Kreuzfahrer der Geschichte zum Eroberungstrip nach Palästina animierte. Es war der 1857 in Hamburg geborene Sohn eines aus Dänemark eingewanderten Juden: Albert Ballin, Vorstandsmitglied der 1847 gegründeten Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, kurz Hapag.

Weil die Hapag-Transatlantikdampfer in den stürmischen Herbst- und Wintermonaten schlecht ausgelastet und damit unrentabel waren, kam er 1890 auf die Idee, eine Reise anzubieten, die nicht der Beförderung, sondern der Erholung und der Bildung dienen sollte: eine »Exkursion nach Italien und dem Orient« mit gut organisierten Landausflügen in verschiedenen Häfen – der Begriff »Kreuzfahrt«, hergeleitet vom Kreuzen, dem Hin- und Herfahren zwischen den Häfen, kam in Deutschland 1928 auf und wurde ab den 1950er-Jahren populär. Ob Ballins »Lustfahrt« nun wirklich die weltweit erste kommerziell vermarktete Vergnügungsreise auf See und er damit tatsächlich der Vater der modernen Kreuzfahrt war, oder ob dieses Lorbeerkränzchen nicht eher dem britischen Schiffseigner John L. Clark zusteht, der 1882 den umgebauten P&O-Postdampfer Ceylon losschickte, ist umstritten – und sei dahingestellt: Albert Ballin veranstaltete jedenfalls die erste Luxuskreuzfahrt im heutigen Sinne.

Wilhelm II. höchstpersönlich, von seinem Volk »Reisekaiser« tituliert, weil er gewöhnlich mehr als die Hälfte des Jahres unterwegs war und von 1889 an jeden Sommer auf Nordlandfahrt ging, verabschiedete am 22. Januar 1891 in Cux­haven das Hapag-Flaggschiff Augusta Victoria. Dass die Kaisergattin und Namenspatin eigentlich Auguste Victoria hieß, war keinem der Verantwortlichen aufgefallen; 1897 wurde der Irrtum stillschweigend berichtigt. An Bord des 1888 in Dienst gestellten, 144,80 Meter langen und 16,62 Meter breiten Doppelschrauben-Schnelldampfers befanden sich 241 »kühne Passagiere«, wie Albert Ballin sie nannte, aus dem In- und Ausland, darunter 67 Damen vornehmlich aus England – in Deutschland galten längere Touren damals als körperlich und geistig zu anspruchsvoll für Frauen. Bezahlt hatten die elitären Gäste für die Reise zwischen 1600 und 2400 Goldmark, das doppelte bis dreifache Jahreseinkommen eines Arbeiterhaushalts. Umsorgt wurden sie von 245 Crewmitgliedern – auf den ersten Blick ein luxuriöses Passagier-Crew-Verhältnis. Doch über die Hälfte der Besatzungsmitglieder arbeitete als Maschinisten, Heizer oder Kohlenzieher. Überhaupt hielt sich, gemessen am heutigen Standard, der Komfort in Grenzen. Sechs Quadratmeter maßen die in der Regel mit zwei Passagieren belegten Kabinen der ersten Klasse; Bäder und Toiletten waren Gemeinschaftseinrichtungen.

»Nicht nur für das leibliche Wohl ist auf das Umfassendste gesorgt, sondern auch Musik und Spiel werden die Stunden beflügeln, während der schwimmende Palast immer neuen Zielen entgegenfliegt«, versprach die erste Ausgabe der an Bord gedruckten »Augusta-Victoria Zeitung«. Über Southampton, Gibraltar und Genua fuhr die Augusta Victoria nach Alexandria, wo sie fünf Tage blieb, damit die Gäste Zeit hatten, Kairo und die Pyramiden zu besichtigen. Von Jaffa aus besuchte man Jerusalem, von Beirut aus erkundete man Damaskus. In Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, machte der türkische Sultan seine Aufwartung, in Piräus wurde das Schiff auf Anordnung des griechischen Königs mit 15 Schuss Salut begrüßt. Auf Malta folgten Palermo und Neapel, Lissabon und Southampton; nach exakt 57 Tagen, 11 Stunden und 3 Minuten kehrte man zurück nach Cuxhaven.

Nach zwei ähnlichen Reisen in den folgenden Jahren lief die Augusta Victoria 1894 zur ersten Nordlandreise aus, 1896 ging ihr Schwesterschiff Columbia auf »Westindien«-Fahrt, die in 65 Tagen von Genua unter anderem über New York, Haiti, Antigua, Martinique, St. Lucia, Barbados, Jamaika und Kuba nach Hamburg führte. »Der Comfort und die Eleganz, die auf den Schiffen zur Geltung gebracht sind, stellen Alles in den Schatten, was bisher auf Oceanschiffen geleistet wurde. Die großen und prächtigen Salons, Damen-, Musik- und Rauchzimmer u.s.w. sind im reichsten Style ausgestattet worden; die besten Künstler wurden herangezogen, sie durch Gemälde, Schnitzereien und Decorationen zu schmücken«, warb man vollmundig und reklamierte stolz »die Abwesenheit schlechter Dünste und lästigen Geräusches«. Die Vergnügungsreisen wurden neben dem Linienverkehr zum unverzichtbaren Bestandteil des Hapag-Angebots, und 1900 lief mit der 192 Passagiere fassenden Prinzessin Victoria Luise, benannt nach der einzigen Tochter des Kaisers, das erste eigens für Kreuzfahrten gebaute Luxusschiff vom Stapel, mit großzügigen Gesellschaftsräumen, einem »Lesezimmer mit reichhaltiger Bibliothek«, einer »Halle für schwedische Heilgymnastik« und sogar einer »Dunkelkammer für Amateur-Photographen«. Die Betten standen in den sechs bis zwölf Quadratmeter großen Kabinen nicht mehr übereinander, wie üblich, sondern einander gegenüber; über ein eigenes Bad und WC verfügten allerdings nur die beiden Suiten. 1906 setzte Kapitän Brunswig die »Lustyacht« an der jamaikanischen Küste auf eine Sandbank, suchte seine Kabine auf und erschoss sich, die Passagiere konnten samt Gepäck an Land gebracht werden.

Der Begeisterung für die Kreuzfahrt tat dies keinen Abbruch, und Hapag, seit 1970 mit dem Norddeutschen Lloyd fusioniert, veranstaltet nach wie vor Luxusreisen – genauer gesagt: Hapag-Lloyd Cruises, eine Tochter der TUI AG; ihre Schiffe MS Europa und MS Europa 2 gelten als die besten weltweit. Andere Veranstalter bedienen, wie es im Jargon der Branche heißt, den Volumenmarkt. Längst ist die Kreuzfahrt keine Extravaganz mehr für eine betuchte und betagte Klientel, die elitäre Urlaubsform hat sich zum Massenphänomen entwickelt. Schon in den 1960er-Jahren, als der interkontinentale Flugverkehr die transatlantischen Schiffspassagen ablöste, boten Reedereien Fahrten in sonnige Gefilde an, die sich auch Lieschen und Otto hätten leisten können. Dennoch blieb die Kreuzfahrt zunächst ein Distinktionsmerkmal privilegierter Silver Ager; 1993 buchten gerade einmal 183 000 Deutsche eine mehrtägige Seereise mit Rundumversorgung. Die Indienststellung der AIDA drei Jahre später markierte auf dem deutschen Markt den Beginn zwangloserer, auf jüngere Aktivurlauber und Familien mit Kindern ausgerichteter Kreuzfahrten ohne die traditionellen Bordrituale – eine überfällige Ergänzung zum betreuten Wohnen in maritimen Seniorenresidenzen, gemeinhin »Mumienschlepper« genannt, die sich dank der demografischen Entwicklung nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen.

Bald darauf schwappte aus den USA der Trend zu immer gigantischeren schwimmenden Freizeitparks über, und mittlerweile gibt es auf internationalen Megalinern nahezu nichts, was sich nicht unternehmen ließe. Wer mag, kann surfen oder Schlittschuh laufen, sich die Zähne bleichen oder die Stirn durch Botox-Injektionen glätten lassen, sein Geld für Designerhandtaschen oder am Roulettetisch verprassen, vormittags einen Gottesdienst oder ein original bayerisches Bierfest und abends ein Broadway-Musical oder ein Klassikkonzert besuchen. Seefahrerromantik sucht man freilich vergebens, die mobilen Erlebniswelten lassen einen allzu leicht vergessen, dass man sich auf dem Meer befindet. Eingehüllt in einen komfortablen Kokon, sieht man die Landschaften wie unwirklich vorbeiziehen. Doch für viele ist das eigentliche Ziel ohnehin der Aufenthalt auf dem Schiff; sie wollen sich entspannen und amüsieren. Dass verschiedene Häfen angelaufen werden, dient, wie es der Autor Andreas Lukoschik formulierte, allenfalls »der folkloristischen Ergänzung des Bordprogramms«.

Neben dem Mainstream- erfreuen sich auch das Luxus- und das Expeditionssegment steten Wachstums, Themen- und Eventreisen sind gefragt wie nie. Zielgruppenorientiert vermarktet man die unterschiedlichsten Schiffe als perfekt inszenierte Ferienwelten für jeglichen Geschmack, verkauft Reisen für jedes Portemonnaie und spricht damit alle Milieus und Altersgruppen an, amüsierwütige Thirtysomethings aus der tätowierten Mittelschicht ebenso wie zobelbepelzte Wilmersdorfer Witwen mit ausgeprägtem Geltungsbedürfnis. 50,1 Jahre betrug, nicht zuletzt dank der zahlreichen Kinder auf See, das Durchschnittsalter der bundesrepublikanischen Kreuzfahrer im Jahr 2015, auf internationalen Schiffen lag der Schnitt der deutschen Reisenden mit 52,2 Jahren etwas höher als auf denen deutscher Reedereien – Erika und Max Mustermann waren dort gerade mal 49,2 Jahre alt.

Auch mit körperlichen Einschränkungen wie etwa einer Geh- oder Sehbehinderung kann man prinzipiell in See stechen, sollte aber sämtliche Aspekte vorab mit dem...

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