Vorwort
Als Mutter von vier Kindern hatte auch ich mit dem Thema Trennungsangst zu tun. Meine älteste Tochter war ein wahres Klammerkind. Angela litt so stark unter Trennungsangst, dass wir erst einen Babysitter engagierten, als sie 10 Monate alt war. An diesem bedeutenden Tag hatte schon unsere Verabschiedung einen bitteren Beigeschmack: Als wir wegfuhren, presste Angela ihr kleines Gesicht und ihre Händchen gegen das Fenster und Tränen flossen über ihre Wangen. Eine Stunde später, wir waren gerade im Restaurant, rief der Babysitter an und bat uns, nach Hause zu kommen. Die ganze Zeit über war Angela vor dem Babysitter davongekrabbelt – sie ließ sich weder durch Spielzeug, Bücher noch Essen beruhigen – , sie weinte immer noch und es sah nicht so aus, als würde sie bald aufhören. Also fuhren wir wieder nach Hause. Sie stürzte in meine Arme und klammerte sich an mich, als wäre ich ihr Retter in der Not. Dieses Erlebnis ist ihr – und uns – so lange im Gedächtnis geblieben, dass wir in den folgenden Monaten abends nur zu dritt aus waren.
Als meine zweite Tochter, Vanessa, drei Jahre alt war, meldeten wir sie im Kindergarten an. Sie wollte nicht dorthin und tat ihre Meinung lautstark kund. Jeden Morgen das gleiche Spiel: Ich zog sie für den Kindergarten an, dann versteckte sie sich hinter dem Sofa und zog sich wieder aus, wobei sie ununterbrochen schrie, dass sie zu Hause bleiben wolle. Im Auto zog sie dann Schuhe und Strümpfe aus, womit sie mir sagen wollte, dass sie gar nicht daran dachte, auszusteigen und in den Kindergarten zu gehen. Wenn ich sie dann endlich wieder angezogen und in die Gruppe gebracht hatte, hielt sie sich an mir fest, weinte und bettelte darum, nicht dort bleiben zu müssen. Die Erzieher waren nett und gingen auf Vanessas Bedürfnisse ein. „Lassen Sie ihr Zeit“, sagten sie. „Es wird schon werden.” Aber es wurde nicht. Einen Monat später meldeten wir sie vom Kindergarten wieder ab und wagten erst ein halbes Jahr später einen zweiten Versuch.
Matthew, der Sohn einer Freundin, hatte eine so starke Abneigung gegen die Kita, dass er jeden Morgen in Panik geriet, wenn seine Mutter zur Arbeit ging. Er schrie ununterbrochen und klammerte sich an sie, wenn sie versuchte zu gehen. Die Erzieherin musste ihn wortwörtlich von seiner Mutter losreißen und ihn so festhalten, dass er ihr nicht hinterherlaufen konnte. Er aß kaum noch und wachte nachts häufig auf. Seine Mutter kündigte ihren Bürojob und arbeitete als Tagesmutter bei sich zu Hause, sodass Matthew bei ihr bleiben konnte. Er war glücklich. Sie war genervt und frustriert.
Ich bekam einen Brief von Cynthia, die eines meiner Bücher gelesen hatte und die ganz verzweifelt Hilfe suchte beim Umgang mit der Trennungsangst ihrer Tochter Anna – und ihrer eigenen. Cynthia hatte ihre Tochter noch nie bei einem Babysitter, bei der Kinderbetreuung im Fitnessstudio oder bei einer Freundin, ja noch nicht einmal bei ihren Eltern gelassen. Selbst wenn sie ihre Tochter bei ihrem Mann (einem ganz wunderbaren und tollen Vater) ließ, hatte sie ein flaues Gefühl im Magen und beeilte sich immer, möglichst schnell wieder nach Hause zu kommen. Anna und Cynthia litten beide unter Trennungsangst. Annas dritter Geburtstag stand kurz bevor. Cynthia war besorgt und fühlte sich in ihrer Unfähigkeit, sich von ihrer Tochter zu lösen, wie gelähmt.
Auch das Vorschuljahr meines jüngsten Sohnes, Coleton, war eine Herausforderung. Im ersten Monat klagte er jeden Morgen über Bauchschmerzen. Vor dem Gebäude musste ich ihn förmlich aus dem Auto locken und ihm Taschentücher mitgeben, damit er sich die Tränen trocknen konnte. Ich musste ihn bis in den Kindergarten bringen ... bis in die Gruppe ... bis an seinen Platz und ihm dann leise und verzweifelt beruhigende Worte und Versprechungen ins Ohr flüstern, bevor ich den Raum verließ. Doch egal was ich gesagt oder getan hatte, wenn ich beim Verlassen des Raumes nur einen einzigen Blick zurück warf, sah ich immer Tränen in seinen Augen und sein untröstliches Gesicht. Seine Erzieherin versicherte mir, dass es ihm wieder gut gehe, sobald ich erst einmal aus dem Blickfeld verschwunden sei, aber dieses üble Verabschiedungsritual hinterließ bei mir immer einen Kloß im Hals.
Liebe Leserin, liebe Freundin, ich weiß ganz genau, was in Ihnen vorgeht, wenn Ihr Kind an Trennungsangst leidet, denn ich habe es ja selbst erlebt.
Aber ich möchte Ihnen Mut machen, indem ich Ihnen erzähle, wie die Geschichten weitergingen:
Meine erste Tochter, Angela, akzeptierte irgendwann die Babysitterin und hatte oft viel Spaß mit ihr. Jetzt studiert sie, lebt auf dem Campus und passt auf die kleinen Töchter ihres Professors auf.
Vanessa ging letztendlich gern in die Kita und blühte dort auf, sie liebte ihre Erzieher und hatte viele Freunde. Jetzt besucht sie das College und hat dort einen Nebenjob im Studentenbeirat und ist manchmal tagelang nicht zu Hause.
Matthews Mutter probierte viele Ideen der Trennungsangst-Testfamilien aus und hat wieder angefangen, im Büro zu arbeiten. Matthew ist damit ganz wunderbar zurechtgekommen und fühlte sich schließlich in seiner Kita so wohl, dass sie ihm zum zweiten Zuhause wurde.
Anna ist mittlerweile dreieinhalb Jahre alt und verbringt einmal pro Woche einen schönen Abend mit ihrem Babysitter, während Cynthia und ihr Mann ausgehen; außerdem ist Anna zweimal pro Woche mit viel Freude in der Kinderbetreuung des Fitnessstudios und unternimmt regelmäßig Ausflüge mit ihren Großeltern. Cynthia und Anna genießen nun beide sowohl die gemeinsame als auch getrennte Zeit.
Als mein kleiner Coleton solche Probleme in der Vorschule hatte, hatte ich bereits acht Elternratgeber geschrieben und kannte Testfamilien auf der ganzen Welt. Ich nutzte meine Kontakte und meine Rechercheerfahrung, um dieses Problem anzugehen, und entwarf eine Liste von Lösungsmöglichkeiten, die ich Ihnen hier vorstellen werde, darunter auch das magische Armband, das Sie im Kapitel „Trennungsangst bei Kindern ab 4 (Seite 40)“ kennenlernen werden. Coletons Armband war die Lösung schlechthin für uns – es funktionierte, wie Hexerei! Sein restliches Vorschuljahr war ein voller Erfolg. Und heute ist er ein fröhlicher, ausgeglichener, aufgeschlossener Drittklässler, der gern zur Schule geht und gerade jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, ein Wochenende bei seinem Freund verbringt.
Die Gründe für Trennungsangst sind vielfältig und diese Angst kann sowohl von kurzer Dauer sein als auch länger anhalten. Neugeborene weinen, wenn sie von ihren Eltern an einen lieben Verwandten weitergereicht werden. Babys sitzen vor der Badezimmertür, während die Mutter mit schlechtem Gewissen nur mal eben schnell unter die Dusche springen will. Kinder weinen beim Babysitter, wenn die Eltern zur Arbeit aufbrechen, vermissen den Elternteil, der woanders arbeitet oder auf Dienstreise ist, und arrangieren sich irgendwie mit der Trennung der Eltern (was bedeutet, dass sie immer Mama oder Papa zurücklassen müssen). Darüber hinaus verlassen Kinder ihre Eltern auch häufig, wenn sie selbst woanders hingehen: Manche müssen alleine ins Krankenhaus, andere fahren auf Ferienfreizeit und bei einer Trennung verlassen sie einen Elternteil, um bei dem anderen zu wohnen. Und dann sind da natürlich noch die nächtlichen Kämpfe, die auf der ganzen Welt ausgetragen werden, wenn Eltern versuchen, ihr ängstliches Kind davon zu überzeugen, die ganze Nacht allein im eigenen Bett und im eigenen Zimmer zu schlafen.
Ein Buch wie dieses hätte ich mir selbst bei meinen vier Kindern gewünscht, als es um ihre und meine eigene Trennungsangst ging. Ich freue mich sehr, Ihnen viele sanfte und hilfreiche Lösungsmöglichkeiten im Umgang mit Trennungsangst vorstellen zu dürfen, die dazu beitragen können, dass Sie und Ihr Kind sich fröhlich winkend und lachend...