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Ende gut - alles gut!?

Beiträge zur Eschatologie aus pfingstlicher Sicht

AutorBernhard Olpen, Hubert Jurgensen, Ole Dost
VerlagForum Theologie & Gemeinde
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783942001304
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
'Ende gut ... alles gut!' - So könnte das (erhoffte und gewünschte) Fazit zur christlichen Endzeiterwartung lauten. Allerdings wird diese Kurzformel den vielen Fragen und Spekulationen nicht gerecht; auch blendet es aus, dass ganz unterschiedliche 'Endzeitszenarien' in christlichen Kreisen verbreitet wurden (und werden). Wer sich jedoch ernsthaft mit den Aussagen der Bibel zur Endzeit befassen möchte, kommt an der Verkündigung Jesu und der Apostel nicht vorbei. Die erste Christenheit hoffte auf die nahe Wiederkunft Christi (1Thess 4,13ff), um an der Vollendung seiner messianischen Herrschaft teilzuhaben. Diese eschatologische (Nah-)Erwartung geriet im Laufe der Kirchengeschichte in den Hintergrund. Nur Randgruppen entdeckten sie wieder, darunter die frühe Pfingstbewegung, die erwartungsvoll und mit Glauben betete: 'Herr, komme bald!' Dieser Band soll dem Leser helfen: 1. die Endzeitbotschaft Jesu im Lichte des frühjüdischen Hintergrunds besser zu verstehen; 2. die lebhafte Erwartung der Wiederkunft Christi (Maranatha) als Kern der christlichen Hoffnung und Spiritualität neu zu würdigen; 3. dem 'Verlust der Naherwartung der Wiederkunft Christi' (Olpen) in der westlichen Pfingstbewegung entgegenzuwirken und zu neuer Vitalität verhelfen. Schließlich soll auch ein Einblick in die Entwicklung der Eschatologie innerhalb der Pfingstbewegung gewährt werden. Der letzte Beitrag endet daher in einem Plädoyer für eine Erneuerung der eschatologischen 'Naherwartung'. Mit Beiträgen von: Ole Dost, Hubert Jurgensen und Bernhard Olpen

Ole Dost, Studienrat und Pfarrer der Evangelischen Kirche in Württemberg. Nach seinem Studium am Theologischen Seminar BERÖA schloss sich ein Studium der Evangelischen Theologie an der Universität Tübingen an. Dort beschäftigte er sich u. a. mit den Textfunden aus Qumran, was seine Neugierde weckte und zu weiteren Forschungen bzgl. des frühen Judentums führte. Derzeit ist er für den Religionsunterricht an den Gymnasien in Sulz am Neckar und Oberndorf am Neckar verantwortlich. Dr. Hubert Jurgensen hat sich im Rahmen einer Promotion an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Straßburg und als langjähriger theologischer Dozent an pfingstlichen Theologischen Seminaren mit dem Thema der neutestamentlichen Eschatologie intensiv beschäftigt. Es ist ihm ein großes Anliegen, zu einem ausgewogenen und biblisch fundierten Umgang mit den damit verbundenen Fragen innerhalb der Pfingstbewegung beizutragen. Dr. Bernhard Olpen, leitender Pastor des 'Christlichen Zentrums Düsseldorf' (CZD), Dozent für Neuere Kirchengeschichte am Theologischen Seminar BERÖA sowie stellvertretender Leiter des Theologischen Ausschusses des BFP. Er ist Autor mehrerer Bücher zu geschichtlichen und kirchengeschichtlichen Themen. 

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Leseprobe

 

BDie Wiederkunft Christi erwarten – Ein neuer Blick auf 1. Thessalonicher 4,13–5,11 aus pfingstlicher Perspektive1

Hubert Jurgensen

1Einführung

In einem kürzlich in dieser Zeitschrift erschienenen Aufsatz stellt Steven J. Land fest: „Es ist offensichtlich, dass es eine spezifisch apokalyptische pfingstliche Spiritualität gibt, aber genauso klar ist, dass diese Spiritualität aufs Neue untersucht werden muss.“2 Aus derselben Überzeugung habe ich mich als pfingstlicher Exeget des Neuen Testaments gedrungen gefühlt, meine Aufmerksamkeit erneut auf die Frage der Apokalyptik im Neuen Testament zu richten und über ihre Bedeutung für die Gegenwart nachzudenken.3 Aus zwei verschiedenen Richtungen sah ich mich ermutigt, die Untersuchung dieser Thematik voranzutreiben: zum einen durch die zentrale Rolle der Apokalyptik im Urchristentum, wie sie Ernst Käsemann herausgearbeitet hat4, zum anderen durch die Bestätigung der engen Verbindung zwischen der Betonung des Werkes des Heiligen Geistes und der lebhaften Erwartung der Wiederkunft Christi, auf die nichtpfingstliche Exegeten und Historiker hingewiesen haben5. Die Hypothese einer Verbindung zwischen den Manifestationen des Heiligen Geistes und apokalyptischer Spiritualität scheint vielversprechend zu sein.6

Zahlreiche neutestamentliche Textstellen weisen Spuren einer „apokalyptischen Spiritualität“ im Urchristentum auf. Haben die Hauptströmungen der Christenheit diese Spiritualität häufig gescheut, weil seit dem 2. Jahrhundert eine der wichtigsten Aufgaben der Theologie darin bestand, die Apokalyptik aus dem kirchlichen Dogma zu eliminieren, so hat die Pfingstbewegung einen Teil ihrer Dynamik gerade aus ihr gezogen. Jedoch hat die enthusiastische Erwartung der Wiederkunft Christi zuweilen Spekulationen im Blick auf Daten heraufbeschworen, ähnlich wie es auch schon in früheren nonkonformistischen Bewegungen (z. B. Montanismus, Pietismus, Adventismus) der Fall gewesen war. Pfingstliche Lehre hat sich nicht nur auf den eschatologischen Diskurs der Synoptiker der Johannesapokalypse fokussiert, sondern auch auf die „kleine paulinische Apokalypse“ (1Thess 4,13–5,11; 2Thess 2,1–11). Besonders der erste dieser beiden Texte wird als Beleg für die dispensationalistisch inspirierte pfingstliche Sicht des Prämilleniarismus herangezogen.7

Ich bin aus zwei Gründen auf 1. Thessalonicher 4,13–5,11 aufmerksam geworden: erstens durch die zentrale Bedeutung der Perikope für die neutestamentliche Lehre der parousia Christi sowie die Intensität, mit der sie die Naherwartung des Urchristentums zum Ausdruck bringt, zweitens durch die kontroverse Behandlung, die die Stelle in der christlichen Auslegungsgeschichte und Dogmatik erfahren hat. In der Tat gibt es ungeachtet aller Zurückweisung der Apokalyptik in der christlichen Theologie eine andauernde Debatte über die hermeneutische Bedeutung dieses Textes.8 Im eigentlichen Mittelpunkt dieser Diskussion steht 1Thess 4,13–18 – ein Text, dem eine Vielzahl unterschiedlicher Auslegungen zuteilgeworden ist. Ein wesentlicher Grund der Meinungsverschiedenheiten besteht darin, dass Ausleger den Text nicht für sich selbst sprechen lassen, sondern ihn bewusst oder auch nicht mit allerlei Vorannahmen unterlegen. Eine Auslegung, die dem Text völlig gerecht werden möchte, muss auf sorgfältiger Exegese beruhen, die sich von jedweden Vorurteilen freihält – abgesehen von denjenigen des Textverfassers selbst, die zu eliminieren der Ausleger als „Historiker des Textes“ nicht berechtigt ist.

Im vorliegenden Aufsatz möchte ich erstens die Bedeutung jener Worte herausarbeiten, die Paulus im Jahre 50 oder 51 n. Chr. von Korinth aus an die Gemeinde in Thessalonike richtete9: Was wollte er den Gläubigen sagen, und wie haben sie seine Worte höchstwahrscheinlich aufgefasst? Mit meiner Interpretation setze ich sowohl bei der Grammatik als auch der Philologie an. Da die Rede des Paulus jedoch den Charakter eines Überzeugungsdiskurses trägt, ist es notwendig, die Rhetorik des Textes sorgfältig zu beachten.10 Ferner gilt es darauf zu schauen, in welcher Weise Paulus als Theologe auf alttestamentliche Traditionsmotive und Redeweisen, das urchristliche Kerygma sowie die prophetischen Worte des auferstandenen Christus zurückgreift. Erst nach Durcharbeitung der Exegese werde ich mich der Hermeneutik des Textstücks zuwenden und abschließend versuchen, einige Implikationen des Textes deutlich zu machen und seine heutige Relevanz zu bedenken.

2Hoffnung für die Toten in Christus: Eine exegetische Studie zu 1Thess 4,13–18

2.1Anlass und Zweck

Hinsichtlich des Briefanlasses besteht unter den Exegeten Einigkeit. Soeben war Timotheus von einem Besuch der jungen christlichen Gemeinschaft von Thessalonike zurückgekehrt (3,6). Er brachte die Neuigkeit mit, dass einige Gläubige um den Verlust eines geliebten Menschen trauerten und annahmen, ihr Verstorbener habe nun keinen Anteil mehr an der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft Christi. Ja, sie waren der Meinung, nur die Lebenden würden an der ἁρπαγή, teilhaben, in der die Christen ihrem kommenden Herrn begegnen sollten. Die verstorbenen Gläubigen würden bei diesem Ereignis leer ausgehen. Wir kommen nicht umhin, die Gründe für dieses Missverständnis hinsichtlich des Schicksals der Verstorbenen bei der Parusie Christi zu rekonstruieren: Hatte Paulus es versäumt, diese Frage anzusprechen, weil er von der unmittelbaren Nähe des Wiederkunftsereignisses ausging? Oder hatte er sich gezwungen gesehen, Thessalonike zu verlassen, noch ehe er seine grundlegenden Lehren hatte abschließen können? Oder lag schlicht ein Missverständnis der Lehre des Apostels über die Wiederkunft Christi vor? Die Exegeten sind sich einig, dass wir diese Fragen nicht mit Sicherheit beantworten können, es herrscht jedoch folgender Konsens: Im Mittelpunkt des Problems steht die Teilhabe der verstorbenen Christen an der Wiedervereinigung der Gemeinde und nicht, wie in 1. Korinther 15, ihre Auferstehung.11 Man muss vermeiden, interpretative Elemente auf den Text zu projizieren, die ihm fremd sind und mit seinem Sitz im Leben nichts zu tun haben (z. B. den sich möglicherweise in der korinthischen Gemeinde manifestierenden Gnostizismus oder die apokalyptischen Visionen der Johannes-Offenbarung). In 1Thess 4,13–18 beabsichtigt Paulus, diejenigen thessalonischen Christen zu trösten, die sich um das Schicksal ihrer Angehörigen ängstigen, welche sie nach Art ihrer heidnischen Nachbarn aufgegeben haben. Mit seiner paraklesis möchte er ihnen neue Hoffnung geben.

2.2Synchrone Textanalyse

2.2.1Kontext

Der Abschnitt folgt unmittelbar auf eine Reihe von Ermahnungen, in der christlichen Heiligung (V. 1–8) und der brüderlichen Liebe (V. 9–10a) zu verharren sowie ein ruhiges und ordentliches Leben zu führen, um den Ungläubigen ein Beispiel zu geben (V. 10b–12). Dieser erste Durchgang von Ermahnungen, der den zweiten Hauptteil des Briefes (4,1–5,24) einleitet, hängt nicht unmittelbar mit dem eschatologischen Gehalt des folgenden Abschnitts zusammen.12 Doch steht die eschatologische Perspektive im Hintergrund des ersten Briefteils, der sie mit der Christologie verbindet (vgl. 1,10; 2,12.19; 3,13). Auch im folgenden, mit dem hier behandelten eng zusammenhängenden Abschnitt (5,1–11) bildet die Erwartung der Wiederkunft des Herrn das zentrale Thema.

2.2.2Abgrenzung, Kohärenz und Struktur

Die Abgrenzung von 1Thess 4,13–18 ist eindeutig. Der Abschnitt wird in V. 13 durch die Trennungspartikel (disjunktive Partikel) δὲ, die Themenangabe (Themenmarker) Οὐ θέλομεν δὲ ὑμᾶς ἀγνοεῖν […] περὶ τῶν κοιμωμένων, und die Interpolation ἀδελφοί eingeleitet. Er endet in V. 18 mit einer Ermahnung (Redeschluss), die mehrere deiktische Wörter (ὥστε, τοῖς λόγοις τούτοις) enthält, die den Leser auf vorangegangene Aussagen rückverweisen. Die Kohärenz der Perikope zeigt sich an folgenden wiederkehrenden Lexemen oder Konzeptionen: (1) κοιμωμένων, κοιμηθέντας (V. 13.14.15) und dem semantischen Äquivalent οἱ νεκροὶ ἐν Χριστῷ (V. 16); (2) der Wiederholung von ἡμεῖς

οἱ ζῶντες οἱ περιλειπόμενοι (V. 15.17); (3) dem Parallelismus zwischen Ἰησοῦς ἀνέστη (V. 14) und οἱ νεκροὶ ἐν Χριστῷ ἀναστήσονται (V. 16) sowie zwischen ἄξει σὺν αὐτῷ (V. 14) und σὺν κυρίῳ ἐσόμεθα (V. 17).

Kohärenzverstärkend wirken syntaktische Elemente wie εἰ...

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