4.3.2 Arbitrage
Im Vergleich zu Marktrisiken enthalten Kreditrisiken ein erhebliches Maß an asymmetrischer Information, da sie von einzelnen Schuldnern abhängen, deren Kreditqualität von manchen Marktteilnehmern aufgrund größerer Erfahrung und überlegener Technologie oder wegen besonderer Beziehungen zu den Debitoren genauer als von anderen eingeschätzt werden kann. 202 Diese können ihren Informationsvorsprung zu gewinnbringender Arbitrage nutzen, indem sie über Kreditderivate Ausfallrisiko übernehmen, für das im Markt im Vergleich zum tatsächlichen Risiko eine zu hohe Prämie gezahlt wird. 203
Mit Hilfe von Kreditderivaten lassen sich auch die zwischen verschiedenen Märkten abweichenden Beurteilungen von Kreditrisiken eines oder mehrerer artverwandter Aussteller ausnutzen, die ihre Ursache zum Beispiel in unterschiedlichen Anlagehorizonten oder Liquiditäten haben können (Kapitalstrukturarbitrage). 204 Zum einen können verschiedene Formen von Schuldtiteln eines Emittenten wie Kredite und Anleihen unterschiedlich bewertet sein, zum anderen kann der gleiche Titel auf regional getrennten Märkten oder in verschiedenen Währungen zu unterschiedlichen Preisen gehandelt werden. Der Investor hat dann in dem Markt, der den Titel riskanter einschätzt und damit billiger handelt, long und in dem anderen Markt mit besserer Bewertung short zu gehen. 205 Dies kann er über die Kombination zweier Total Return Swaps einfach erreichen, mit denen er die unterschiedlichen Zahlungsströme austauscht. 206
4.4 Vorteile gegenüber traditionellen Steuerungsinstrumenten Die beiden Hauptprobleme bestehender Portefeuilles - hohe Konzentrationen und illiquide Vermögenswerte - können mit den traditionellen Steuerungsinstrumenten nicht bewältigt werden. 207 Wie bereits in Kapitel 2.4.2 dargestellt, können Kreditderivate als Steuerungsinstrumente im Bereich der Risikokompensation angesehen werden. Doch im Gegensatz zu den herkömmlichen Instrumenten zum Kreditrisikomanagement wei-
sen sie entscheidende Vorteile auf, die auf eine weitere Expansion des Marktes schlie- lassen.
Außer dem bereits in Kapitel 4.1 erwähnten Vorteil der vom Underlying getrennten Handelbarkeit des Kreditrisikos, sind insbesondere die maßgeschneiderten Vertragsbedingungen, die Risikotrennung, die Kostenvorteile sowie die bilanzielle und aufsichtsrechtliche 208 Behandlung von entscheidender Bedeutung.
Kreditrisikohandel ohne zugrundeliegenden Basistitel
Die herkömmlichen Instrumente zur Risikoübertragung sind meist nur zu Beginn einer Transaktion einsetzbar. Wenn Zweifel an der Bonität aufkommen, wird sich kaum ein Versicherer für den Schuldtitel finden lassen; andere nachträgliche Gegenmaßnahmen sind in ihrer Wirkung begrenzt. So blieb für den Abbau eines schon bestehenden Exposures vor der Entwicklung von Kreditderivaten nur die Liquidation von Positionen. Diese ist aber vor allem bei zweifelhafter Kreditwürdigkeit einem enormen Preisrisiko ausgesetzt. 209
Weiterhin führt die Kreditwürdigkeitsanalyse vor der Kreditvergabeentscheidung wegen ihrer großen Abhängigkeit von Vergangenheitsdaten und manipulativen Jahresabschlußzahlen nur zu wenig zukunftsorientierten Ergebnissen. 210 Auch Ratings spiegeln oft nur die subjektive Beurteilung der Agenturen wider und leiden an mangelnder Aktualität, sofern sie den betreffenden Schuldner überhaupt in ihren Ranglisten führen. 211 Von einer wirksamen Absicherung gegen Kreditverluste kann bei zunehmendem Wettbewerb unter den Finanzinstituten auch bei den verlangten Risikoprämien keine Rede mehr sein. 212 Interne Kreditlinien werden aufgrund von Defiziten in der bisherigen Kreditrisikomessung zu willkürlich gesetzt. Diese Probleme lassen sich durch den Einsatz von Kreditderivaten umgehen. 213
Maßgeschneiderte Vertragsbedingungen
Als OTC-Geschäfte lassen sich die Kreditderivativ-Verträge an die jeweiligen risiko-, ertrags- und bilanzpolitischen Bedürfnisse der Vertragspartner bei flexibler und einfacher Dokumentation anpassen. 214 Ein Schuldtitel wird in ein Derivativgeschäft eingebettet, das den Präferenzen beider Seiten bezüglich Risikoprofil, Laufzeit, Auszah- 207 Vgl.Parsley [Nothin‘, 1997], S. 78; Paul-Choudhury [Choosing, 1997], S. 29. Zum traditionellen Kreditrisiko- vgl. Kap. 2.4.2.
lungsstruktur, Zinsausstattung, Währung und Bonität entspricht. Zum einen können Forderungen mit Instrumenten abgesichert werden, die in dieser Form am Markt nicht erhältlich sind 215 , zum anderen erhalten Investoren und Portfoliomanager Zugang zu völlig neuen Vermögenswerten. 216
Der Gläubiger des Referenzwertes profitiert von den Spielräumen bei der Vertragsgestaltung vor allem im Vergleich zu den Risikoübertragungsmaßnahmen in Form von Garantien, Bürgschaften, Kreditversicherungen oder Akkreditiven, da diese häufig zwischen dem Garanten und dem Schuldner vereinbart werden. Durch die Beteiligung des Gläubigers am Vertragsabschluß wird zudem mehr Wert auf die objektive Überprüfbarkeit des Ausfallereignisses und die genaue Bestimmung der Ausgleichsleistung gelegt; zusätzlich läßt sich die Zeitspanne zwischen dem Kreditereignis und der Kompensationszahlung genau spezifizieren und auf wenige Tage verkürzen. 217
Risikotrennung
Die ursprünglichen Risikomanagementmethoden lassen keine Aufspaltung von Risiken zu. Die Trennung der Risiken in Kredit- und Marktrisiken hat aber für beide Vertragsseiten den Vorteil der Konzentration auf eine Risikoart, mit der man besser vertraut ist, während die möglicherweise teurere Absicherung gegen die andere Risikoart erspart bleibt. 218
Brady Bonds bieten ein gutes Beispiel für die Anwendung von Kreditderivaten zur Ausgliederung von Länderrisiken aus einem Risikobündel. Es handelt sich bei ihnen um staatliche Anleihen von Entwicklungsländern, deren Nennwerte in einer der Hauptwährungen (zumeist US$) lauten und die deshalb neben dem Länderrisiko des Entwicklungslandes auch ein Zinsrisiko des Hauptwährungslandes beinhalten. 219 Um dieses Zinsrisiko zu eliminieren, kann der Investor Optionen auf die Differenz zwischen der Rendite der Brady Bonds und dem jeweiligen Zinsniveau kaufen. Ein Call würde von einer Verengung des Spreads bei verbesserter Kreditwürdigkeit des Staates
profitieren, ein Put von der Ausweitung. Dies ermöglicht eine Investition in die Risi- als Maßstab für die Bonität des Landes alleine. 220
Kostenvorteile
Traditionelle Risikoübertragungsmethoden werden von dem Versicherer oft nur zur Erzielung von Versicherungsprämien ohne Diversifikations- oder Spekulationsziel gewährt. Dies macht sie im Vergleich zu Kreditderivaten für den Gläubiger sehr teuer, wenn der Schuldner die Absicherungskosten in Form niedrigerer Zinsen an diesen weitergibt. Diese Gebühren können zudem bei Anzeichen einer Bonitätsverschlechterung steigen, während der Preis für die Kreditrisikoübertragung mittels Kreditderivaten im voraus festgelegt wird. 221
Die Prämie des Kreditderivats bestimmt sich ebenfalls nach der Nachfrage des Garanten. Hat dieser ein großes Spekulations- oder Diversifikationsinteresse an der Risikoübernahme, kann die Prämie so gering gehalten werden, daß die Nettoerträge aus dem abgesicherten Geschäft für den Begünstigten auch nach Prämienabzug noch über denen einer vergleichbaren risikofreien Anlage sind. Ein Risikoaustausch über einen Total Return Swap oder einen Credit Substitution Swap 222 kann bei Anpassung der Nominalbeträge an die Kreditwürdigkeit der beiden zugrunde liegenden Schuldverpflichtungen sogar ohne zusätzliche Kosten gestaltet werden. 223 Aber auch dem Emittenten bieten sich über die Ausgabe von strukturierten Anleihen ganz neue Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten gegenüber neuartigen Zeichnern, welche sich aufgrund der auf sie zugeschnittenen Strukturen mit geringeren Renditen zufrieden geben. 224
In Zeiten niedriger Zinsen können außerdem eigene Anleihen über Total Return Swaps „synthetisch“ zurückgekauft werden, ohne die möglicherweise steuerlich ungünstigen Folgen des tatsächlichen Rückkaufs tragen zu müssen. 225
Strukturierte Nutzung des Eigenkapitals
In §10 KWG 226 wurden vom Gesetzgeber risikobegrenzende Normen verankert, die besagen, daß „die [Kredit]Institute [...] im Interesse der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber Gläubigern [...] angemessene Eigenmittel haben“ 227 müssen. Der Begriff „angemessene Eigenmittel“ unterliegt subjektiven Schätzungen über die Ausfall-
höhe und -wahrscheinlichkeiten von Krediten, weshalb sog. Ausführungsbestimmun- zu §10 KWG im Grundsatz I zur Konkretisierung festgelegt wurden. Die zentrale Aussage lautet: Mindestens 8% der gewichteten Risikoaktiva sind mit haftendem Eigenkapital zu...