Bevor eine aktuelle Definition der Begriffe Rechnungswesen und Accounting erfolgt, sollen zunächst relevante evolutionäre Stufen der heutigen Begriffsauffassung beschritten werden. „Accounting has existed throughout history. In all societies, and at all stages of history, accounting systems have been used as a basis for planning, deciding and controlling economic activity.1” Die Anfänge des Rechnungswesens reichen zurück bis zu den vermuteten Anfängen der Schrift 3500 v. Chr. Schneider sieht Kontrolle und Rechenschaft als notwendige Folgen einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Die Kontrolle eines Auftraggebers, ob seine Anordnungen befolgt wurden, und Rechenschaft durch seinen Beauftragten sind die ursprünglichen Aufgaben des Rechnungswesens. Verläßliche Aussagen über korrekte Aufgabenerfüllung ließen sich jedoch erst anhand von Soll-Ist Vergleichen treffen, die man allerdings erst in alt-babylonischen Tempelrechnungen zu finden glaubt2, also circa 2700 Jahre später.
Erste Verweise auf „Soll“-Aufzeichnungen in der Neuzeit finden sich im Verfassen von „Staatshaushalten“ auf Basis von Steuerforderungen der Krone im frühen Mittelalter. Das von Wilhelm dem Eroberer initiierte „domesday book“ (1086) und die erstmals 1130/ 1131 in einer „pipe-roll“ abgeleiteten Schulden der Untertanen gegenüber der Krone bilden die Anfänge der staatlichen Einnahmen- und Ausgabenrechnungen. Bis zur kompletten fiskalischen Erfassung bedurfte es allerdings noch weiterer rund 700 Jahre.3
Im 14. und 15. Jh. waren die italienischen Stadtstaaten federführend im Handel und damit im Rechnungswesen. In dieser Epoche begann die Entwicklung der doppelten Buchführung („double-entry bookeeping“) als Grundmethode der modernen Finanz-buchhaltung weltweit.4 Schneider spricht dieser Buchhaltungstechnik allerdings einen über die Dokumentation, und damit das Erschweren von Unterschlagungen hinausgehenden ökonomischen Nutzen ab. „Buchhaltungen mit Jahresabschlüssen sind nicht Folgen beabsichtigten menschlichen Entwurfs, sondern das Ergebnis irrtumsreichen Lernens aus schlechten Erfahrungen über Jahrhunderte hinweg.5“ Trotz-dem bildet die Buchhaltungsmethodik die Grundlage für die Beherrschung immer größerer und komplexerer Unternehmen.
“In the nineteenth century, Britain took the lead in accounting matters, to be followed in this century by the United States. As a result, English has become established as the world´s language of accounting.1“ Festmachen läßt sich diese Aussage an den Ursprüngen der größten internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und –institu-tionen. So wurde beispielsweise das Institute of Chartered Accountants in England and Wales bereits 1880 gegründet, während das Institut der Wirtschaftsprüfer erst im Jahre 1932 entstand.
Der wohl bedeutendste Export britischen Ursprungs ist neben der professionellen Wirtschaftsprüfung das Konzept des „true and fair view“, auf das unter Punkt 3.2 dieser Arbeit näher eigegangen wird. Die Konzepte und Methoden des „management accounting” in der industrialisierten Welt haben wesentliche Ursprünge in den USA.2
Eine Begriffsbestimmung sowie eine zur Bearbeitung in nachfolgenden Abschnitten adäquate Begriffsdifferenzierung bilden den Ausgangspunkt der vergleichenden Argumentation.
„Unter dem Begriff Rechnungswesen versteht man allgemein ein System zur quantitativen, vorwiegend mengen- und wertmäßigen Ermittlung, Aufbereitung und Darstellung von wirtschaftlichen Zuständen in einem bestimmten Zeitpunkt und von wirtschaftlichen Abläufen während eines bestimmten Zeitraums.“3 Als Teilbereich des Rechnungswesens interessiert hier das betriebswirtschaftliche Rechnungswesen4.
„Als betriebliches Rechnungswesen bezeichnet man die systematische, regelmäßig und/ oder fallweise durchgeführte Erfassung, Aufbereitung, Auswertung und Übermittlung der das Betriebsgeschehen betreffenden quantitativen Daten (Mengen- und Wertgrößen) mit dem Ziel, sie für Planungs-, Steuerungs- und Kontrollzwecke innerhalb des Betriebes sowie zur Information und Beeinflussung von Außenstehenden (z.B. Eigenkapitalgebern, Gläubigern, Gewerkschaften, Staat) zu verwenden.“5
Eine definitorische Begriffsabgerenzung des „accounting“ erscheint expliziter. “Accounting is the process of identifying, measuring and communicating economic information to permit informed judgments and decisions by users of the information.”1 “Accounting” ist eine Sprache durch die monetäre und nicht monetäre Informationen an all diejenigen kommuniziert wird, die ein Interesse am Unternehmen haben, wie z.B. Manager, Anteilseigner, potentielle Investoren, Angestellte, Gläubiger und die Regierung.2
Um eine gemeinsame Vergleichsbasis mit dem „accounting“ zu schaffen, bietet sich vorerst3 die Trennung in internes („management/ cost“) und externes („financial“) Rechnungswesen („accounting“) an. Aufgrund der Übersichtlichkeit der von Küting/ Lorson entwickelten graphischen Darstellung zu den Teilbereichen des Rechnungswesens wird sich der Autor im Gang der Arbeit an diese Kategorisierung anlehnen.
Abbildung 1: Teilbereiche des Rechnungswesens4
„Das externe Rechnungswesen erstreckt sich auf die Abbildung von Austausch-vorgängen zwischen einer rechtlichen Einheit (Unternehmen) und Dritten auf die daraus resultierenden Zustände (Bestände). Es ist weitgehend durch das Handelsrecht (insbesondere HGB) und ergänzend durch das Steuerrecht (EStG, KStG) geregelt.“5 Den Empfängerkreis der generierten Informationen bilden unternehmensexterne Anspruchsgruppen.
„Financial Accounting is the process of summarizing financial data taken from an organization´s accounting records and publishing it in form of annual (or more frequent) reports for the benefit of people outside the organization.”6
„Internes Rechnungswesen heißt das Rechnungswesen, dessen beabsichtigter Empfängerkreis die Unternehmensleitung ist.“7 Die Gestaltung des internen Rechnungswesens ist den Unternehmen überlassen, unterliegt aber bei Lieferung zu administrativen Preisen behördlichen Regelungen.1
“Management accounting is concerned with the provision of information to people within the organization to help them make better decisions and improve the efficiency and effectiveness of existing operations.”2
Die vorangegangene, vorrangig am Vergleich der Empfänger der vom Rechnungs-wesen generierten Informationen orientierte, Unterteilung wird in den Kapiteln 3 und 4 weiter differenziert und vergleichend analysiert. Das Verständnis für die individuellen Ausprägungen der Systeme in Theorie und Praxis setzt jedoch die Kenntnis der länderspezifischen sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen voraus.
In vergleichender Literatur werden die folgenden sozio-ökonomischen Rahmenbe-dingungen hauptsächlich als Einflußfaktoren auf die divergierenden Ausprägungen nationaler Rechnungslegungssysteme3 gesehen.4 Durch Interdependenzen zwischen intern orientiertem Rechnungswesen und dem extern orientierten Bereich (z.B. Bestandsbwertung) , haben einzelne dieser Faktoren auch Einfluß auf die Unterschiede zwischen internem Rechnungswesen und „management accounting“. Zur besseren Übersicht dient Abbildung 2.
Abbildung 2: Einflußfaktoren auf die unterschiedliche Ausprägung von Rechnungswesensystemen
Der Aspekt der geschichtlichen Entwicklung bis zu Beginn des 20 Jh. wurde bereits behandelt. Die daran anschließenden Entwicklungen werden vor allem in Zusammen-hang mit dem Rechtssystem und der Ordnungspolitik beleuchtet.
Die Kultur als Zustand evolutorischer Entwicklung ist als Einflußfaktor speziell auf das externe Rechnungswesen bisher nur selten betrachtet worden. Wissenschaftliche Versuche, wie beispielsweise von Gray, auf Basis einer Kategorisierung kultureller Unterschiede eine signifikante Beziehung zu den Werten eines Rechnungslegungs-systems herzustellen, erwiesen sich als unzuverlässig.1
„Another way of looking at the environment of accounting is to identify more direct potential influences such as legal system, corporate financing, tax systems and so on.“2
Bezüglich des Rechtssystems ist zwischen „common law“ oder „codified roman law“ zu unterscheiden. Das erstere, in Großbritannien etablierte, System basiert nur zu einem geringen Teil auf gesetzlichen Rechtsvorschriften, die als Rahmenbedingungen für die durch Einzelfälle („cases“) zu begründenden „common law rules“3 dienen. Diese Praxis hat direkten Einfluß auf das Unternehmensrecht, das keine expliziten Verhaltens-vorschriften für Unternehmungen enthält. Stattdessen gibt es private Institutionen, wie das „Institute of Chartered...