1 Einführung: Internationale Trends in der Hochschuldidaktik
1.1 Aktuelle Entwicklungsziele und -maßnahmen in der Lehre an Hochschulen
Entwicklungen im Bildungswesen und Konsequenzen für die Hochschuldidaktik
Hochschulen sind weltweit mit einem Trend zur Globalisierung, Technisierung und Ökonomisierung konfrontiert, der zu verstärkten Qualitätsentwicklungs- und Standardisierungsbemühungen (z. B. Lehrevaluationen, Etablierung von E-Learning oder einheitliche Rahmen für Curricula) geführt hat. Lee (2012, S. 55 ff.) fasst die dabei zentralen politischen Konzepte der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) zu zwei allgemeinen Haupttrends zusammen, die zentrale Orientierungspunkte für Lehre an Hochschulen und damit auch für eine Hochschuldidaktik darstellen:
• Lebenslanges Lernen meint die Notwendigkeit der Etablierung von Formen informeller, individualisierter, bedarfsorientierter, spontaner und selbst generierter Lernkulturen, die über die formelle Bildung hinausgehen und auch als »vierter Sektor« bezeichnet werden.
• Internationalisierung bedeutet nicht nur eine interkulturelle Ausrichtung von Themen und Perspektiven einer Ausbildung, sondern auch Interesse und Neugier anderen kulturellen Erfahrungen gegenüber zu erzeugen. Außerdem geht es darum, nationale und internationale Lernende häufiger als bisher gemeinsam zu unterrichten, was bewirkt, dass zudem verstärkt interdisziplinär, interaktiv und Theorie-Praxis-integrierend gearbeitet wird.
1.1.1 Lebenslanges Lernen und Schlüsselkompetenzen in den Fokus der Hochschuldidaktik
Lebenslanges Lernen, d. h. ein Lernen, das sich über alle Lebensphasen erstreckt, gelingt dann, wenn die Lernenden selbstgesteuert diese Aufgabe übernehmen und zwar auch dann, wenn sie nicht unmittelbar in Aus- oder Weiterbildungskontexten eingebunden sind. Damit das gelingen kann, wird als notwendig angesehen, dass praktisch gut anwendbare Schlüsselkompetenzen vermittelt werden. Diese sind in allen Fachrichtungen an Hochschulen zu berücksichtigen und umfassen (Murdoch-Eaton & Whittle, 2012):
• Fertigkeiten im Umgang mit Zahlen (z. B. Daten grafisch darstellen können),
• Fertigkeiten im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (z. B. synchrone und asynchrone Kommunikationstools nutzen können),
• Fertigkeiten zur Verbesserung des Lernens und Handelns (z. B. Lernstrategienoptimieren können),
• Problemlösefertigkeiten (z. B. kritisch denken, planen und evaluieren können) und
• Fertigkeiten zur Kooperation (z. B. mit anderen in Teams zusammenarbeiten können).
Auffällig bei solchen Auflistungen ist, dass es sich um sehr allgemeine Fertigkeiten handelt, die zwar in vielen Studienrichtungen gefördert werden, allerdings meist ohne explizit genannt zu werden. Vielfach werden diese Fertigkeiten implizit mitvermittelt, wenn es darum geht, Fachwissen oder Fachexpertise zu erwerben. Damit ist der Nachteil verbunden, dass sie als allgemeine bzw. fachübergreifende Kompetenzen weder genau geprüft noch gezielt gefördert werden. Noch offensichtlicher wird dieser problematische Umstand bei nicht primär kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen. Barnett (2004) sieht z. B. die Notwendigkeit, sich für eine unbekannte Zukunft vorzubereiten, und schlägt deshalb vor, den Erwerb von Weisheit in die Schlüsselkompetenzen für Studierende aufzunehmen. Sternberg et al. (2012) sehen in diesem Zusammenhang in ihrer WICS (Wisdom Intelligence Creativity Synthesized)-Theorie vier zentrale Elemente, wenn es um zukunftsrelevante Schlüsselkompetenzen geht:
• Kreativität, um neue Ideen schaffen zu können,
• analytische Fertigkeiten, um beurteilen zu können, ob Ideen gut sind,
• praktische Fähigkeiten, um Ideen umsetzen und andere davon überzeugen zu können und
• Weisheit, um sicherzustellen, dass Fähigkeiten und Wissen so eingesetzt werden, dass sie etwas gemeinsam Gutes erzeugen und kurz- und langfristig ein Gleichgewicht zwischen eigenen sowie anderen Interessen realisieren.
Solche Elemente von Schlüsselkompetenzen können weiter differenziert werden. Zum Beispiel hat Rieckmann (2012) in einer Delphi-Studie mit europäischen und lateinamerikanischen Experten und Expertinnen folgende Schlüsselkompetenzen identifiziert:
• Kompetenzen für systematisches Denken und den Umgang mit Komplexität,
• Kompetenzen für antizipatorisches Denken,
• Kompetenzen für kritisches Denken,
• Kompetenzen zum fairen und ökologischen Handeln,
• Kompetenzen zur Kooperation in (heterogenen) Gruppen,
• Kompetenzen zur Partizipation,
• Kompetenzen für Empathie und Perspektivenwechsel,
• Kompetenzen für interdisziplinäres Arbeiten,
• Kompetenzen für Kommunikation und Mediennutzung,
• Kompetenzen für die Planung und Realisierung von innovativen Projekten,
• Kompetenzen für Evaluation und
• Kompetenzen für Ambiguität und Frustrationstoleranz.
Bei diesen und ähnlichen Kompetenzlisten zeigt sich, dass Schlüsselkompetenzen theoretisch und auch empirisch belegt als zentral für die Bewältigung von aktuellen und zukünftigen Aufgaben der Studierenden angesehen werden. Allerdings fehlen Modelle oder Verfahren, wie diese wirkungsvoll in die Lehre an Hochschulen integriert werden können. Solche Fertigkeiten müssen in entsprechenden Studienplänen, extracurricularen Aus- und Weiterbildungsprogrammen fachintegrativ konzeptualisiert, verankert und dann auch Gegenstand von Prüfungen bzw. Prüfungsleistungen sein. Zudem müssen Lehrende darin ausgebildet sein, solche Fertigkeiten auch zu vermitteln. Diese Bereiche stellen damit wesentliche Entwicklungsfelder einer zukünftigen Hochschuldidaktik dar.
1.1.2 Internationalisierung als Ziel hochschuldidaktischer Entwicklungen
Internationalisierung bedeutet zunächst einmal Internationalisierung der Forschung und damit der Lehrinhalte in Lehrveranstaltungen. Allerdings messen auf Internationalisierung der Forschung bezogene Rankings vor allem den Einfluss von Publikationen und die Reputation von Forschern und Forscherinnen. Solche Rankings messen nicht die Qualität einer forschungsgeleiteten Lehre, den Einfluss von Forschung auf Lehrinhalte und -methoden oder studentisches forschendes Lernen. Nützliche Alternativen oder Ergänzungen zu Forschungs-Rankings liefern z. B. Studienführer (als kombinierte Übersichten über Forschungs- und Lehrprogramme), internationale Assessments studentischer Forschungskompetenzen oder multi-dimensionale, d. h. auch die Qualität von Lehre berücksichtigende Hochschul-Rankings (Hazelkorn, 2011).
In Sachen Internationalisierung stellt ein hochschuldidaktisch relevanter Faktor auch die studentische Mobilität dar. Findlay et al. (2012) interviewten Studierende und fanden, dass Entscheidungen über Aufenthalte an ausländischen Hochschulen abhängig sind von
• der sozial konstruierten bzw. auf Rankings basierenden Reputation, die eine Hochschule international genießt,
• den beruflichen und anderen Vorteilen, die mit einem Aufenthalt an der Hochschule verbunden sind oder
• der Möglichkeit, eine eigene Identität aufzubauen, die es erlaubt, sich von anderen Studierenden zu unterscheiden, um Karrierechancen zu verbessern.
Ziele des lebenslangen Lernens und der Internationalisierung erzeugen einen kontinuierlichen Professionalisierungsdruck, nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Hochschullehre.
1.1.3 Professionalisierungstrends in der Hochschullehre: Dienstleistungen für Lehrende
Tam (2013, S. 5 ff.) sieht sechs zentrale Professionalisierungstrends in der Aus- und Weiterbildung, die Rahmenbedingungen für eine Hochschuldidaktik definieren (hier in eigener Übersetzung und verändert dargestellt):
• eine steigende Bedeutung der Erziehung gegenüber fachorientierter Ausbildung, was z. B. bedeutet, dass kommunikative Fertigkeiten, Fähigkeiten zur Kooperation oder Kreativität verstärkt zu fördern...