Die Ansätze zur Gestaltung von Anreizsystemen gehen auf das Scientific Management von Taylor zurück, der den Lohn als zentralen Motivator ansah[211] und zur Leistungserhöhung eine möglichst große Arbeitsteilung und Spezialisierung empfahl.[212] Die Human-Relations-Bewegung widersprach diesem Ansatz und hob menschliche Bedürfnisse[213] und die Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen hervor.[214] Der humanistische Ansatz von McGregor besagte, daß sich menschliche Bedürfnisse stufenweise entwickeln und in seiner Theorie X und Y stellt er fest, daß Vorurteile einer optimalen Gestaltung von Organisationen entgegenstehen.[215] Diese Ansätze wurden zu einem systemtheoretischen Ansatz ausgeweitet[216] und häufig um rollentheoretische Überlegungen erweitert.[217]
Ein Anreizsystem umfaßt die „Summe aller bewußt gestalteten Arbeitsbedingungen, die bestimmte Verhaltensweisen (durch positive Anreize, Belohnungen etc.) verstärken, [und] die Wahrscheinlichkeit des Auftretens anderer [...] mindern (negative Anreize, Sanktionen etc.).“[218] Anreize müssen aufeinander abgestimmt werden, um zum erwünschten Verhalten zu führen.[219] Im Zusammenhang der Betriebswirtschaftslehre wird der Begriff des Anreizsystems dadurch präzisiert, daß die Organisation als Anreizgeber und der Mitarbeiter als Anreizempfänger definiert werden.[220] Legt man die Anreiz-Beitrags-Theorie zugrunde, so sind Anreize Zahlungen der Organisation an ihre Teilnehmer, welche die Teilnehmer wiederum zu Zahlungen in Form von Arbeitsleistung veranlassen.[221] Diese Anreize umfassen nicht nur ökonomische, sondern auch psychologische Größen.[222] Ein Anreizsystem beinhaltet Kriterien wie z.B. Bemessungsgrundlagen und Relationen zwischen den Kriterien und Anreizen.[223] „Kriteriums-Anreiz-Relationen sind ein- oder mehrdeutige Zuordnungen zwischen der Menge der Kriterien und der Menge der Anreize; sie beschreiben in zeitlich differenzierter Form die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Kriterienausprägungen [...] und Anreizausprägungen.“[224] Insofern gilt das gesamte Unternehmen und sein Führungssystem als Anreizsystem,[225] das die implizite Förderung oder Unterdrückung von Verhaltensweisen[226] durch Aktivierung der Motive der Mitarbeiter am Arbeitsplatz bewirkt.[227] Diese Aktivierung der Motive ist in Wirtschaftsorganisationen insbesondere von kalkulatorischen Überlegungen geprägt, so daß die Anreiz- bzw. Motivationsproblematik an Wichtigkeit gewinnt.[228] Die Anreizpolitik eines Unternehmens ist ein Vielzweckinstrument, durch das unterschiedliche Ziele wie die Förderung der Attraktivität als Arbeitgeber, die Vermeidung von Unzufriedenheit, Leistungssteigerung usw. verfolgt werden können.[229]
Anreizsysteme beinhalten insbesondere zwei Gestaltungsaspekte. Einerseits werden durch Anreizsysteme Leistungs-Lohn-Verhältnisse strukturiert, die aufgrund des Lohnes fremdgesteuerte extrinsische Motivation auslösen. Dadurch werden die Individualziele an die Unternehmensziele gekoppelt.[230] Diese Anreize für Verhalten können kurzfristig operativ oder langfristig strategisch ausgerichtet sein.[231] Andererseits können Anreizsysteme als psychologische Verträge verstanden werden, welche die intrinsische Motivation aktivieren und somit Präferenzen beeinflussen.[232]
Die Gestaltung von Anreizsystemen kann nach verschiedenen Kriterien klassifiziert werden, so z.B. in motiv- bzw. bedürfniskongruente oder in situationsgerechte Anreizgestaltung. Traditionell werden Leistungsanreize in materielle und immaterielle Anreize unterteilt,[233] wobei Differenzierungen in Individual-, Gruppen und organisationsweite Anreize oder in extrinsische und intrinsische Anreize auch möglich wären.[234] Abbildung 9[235] stellt die Klassifizierung von Anreizen in monetäre (materielle) und nichtmonetäre (immaterielle) Anreize dar, die hier verwendet wird.
Jede Form von materieller Gegenleistung für die Bereitstellung der Arbeitskraft des Mitarbeiters wird als Entgelt bezeichnet,[236] was somit den Oberbegriff für den Lohn der gewerblichen Arbeitnehmer und das Gehalt der Angestellten darstellt.[237] Ein Entgeltsystem ist folglich der Teil eines Anreizsystems, der materielle Anreize miteinander verknüpft[238] und die Gesamtheit aller an die Mitarbeiter ausschüttbaren monetären Anreize umfaßt.[239] Die Ausgestaltung des Entgeltsystems ist i.d.R. vertraglich vereinbart und besteht aus einem obligatorischen Teil wie dem Grundgehalt und einem fakultativen Teil wie z.B. der materiellen Mitarbeiterbeteiligung,[240] die in Erfolgs-, Kapital- und Fremdkapitalanteile unterteilt werden kann. Auch die Eigenkapital- oder eigenkapitalähnliche Beteiligung kann der materiellen Mitarbeiterbeteiligung zugeordnet werden, obwohl sie zum Teil immaterielle Elemente umfaßt.[241] Neben dem Grundgehalt und der materiellen Mitarbeiterbeteiligung existieren materielle Anreize in Form von betrieblichen Sozialleistungen,[242] variablen Entgeltkomponenten, Urlaub, Firmenwagen zur Privatnutzung,[243] dem betrieblichen Vorschlagswesen[244] und geldwerten Privilegien.[245]
Die Wichtigkeit materieller Anreize wird damit begründet, daß Geld einerseits als universelles Mittel zur Bedürfnisbefriedigung fungiert,[246] und andererseits ein Ausdrucksmittel für die Anerkennung von Leistung und der Selbstwertschätzung darstellt.[247] Geld kann Mittel zum Zweck sein, wenn es der Bedürfnisbefriedigung dient, oder zum Ziel der Arbeit werden, wenn Geld gesellschaftlich oder individuell hoch bewertet wird.[248]
In den letzten Jahren sind in den USA innovative Entlohnungsmodelle diskutiert worden, wobei es sich vor allem um Systeme von Leistungszulagen auf Basis der Leistungsbeurteilung („merit pay“), zielerreichungsorientierte Ansätze („gainsharing“), Beteiligungen am Unternehmenserfolg („profit sharing“) und Unternehmensbeteiligungen bzw. Aktienoptionen („stock option plans“) handelt.[249] Diese Entlohnungssysteme können im Einzelfall sehr unterschiedlich ausgestaltet sein, z.B. können Aktienoptionen entweder als „nackte“ Optionen, als Wandelanleihen oder in Form von Phantom Stocks als virtuelle Optionen ausgegeben werden. Aufgrund der rechtlichen Situation in Deutschland wurden bis zur Einführung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) im Mai 1998 hauptsächlich Wandelanleihen ausgegeben, die inzwischen von „nackten“ Optionen weitgehend abgelöst worden sind.[250]
Eine neuere Form eines Entlohungssystems ist ferner das Cafeteria-System, bei dem aus einer Vielzahl von Entlohnungskomponenten nach subjektiven Präferenzen individuell ausgewählt werden kann.[251]
Die Motivationsfunktion materieller Komponenten eines Anreizsystems ist umstritten. Empirische Studien konnten nur eine geringe Korrelation zwischen der Managementvergütung und dem Unternehmenserfolg finden,[252] und Befragungen von Arbeitnehmern über die wichtigsten Faktoren der Arbeit kamen zum Ergebnis, daß Geld erst weit hinter Faktoren wie eine interessante Aufgabe oder nette Kollegen genannt wurde.[253]
Die Entlohnung kann nur einen Teil des erwünschten Verhaltens steuern, wodurch Verhaltenskomponenten wie z.B. Teamfähigkeit, Engagement oder Kreativität leiden.[254]
In den letzten Jahren wurde verstärkt über die Motivationsfunktion immaterieller Anreize diskutiert[255] und die wachsende Bedeutung dieser Anreize betont.[256] Immaterielle Elemente eines Anreizsystems sind weniger faßbar als materielle Anreize[257] und umfassen z.B. interessante, ganzheitlich gestaltete Aufgaben,[258] Arbeitsbedingungen, Arbeitszeitregelungen, Handlungsfreiräume der Mitarbeiter, Anerkennung und Status, der Führungsstil des Vorgesetzten, Aufstiegs- und Karrierechancen, Personalentwicklung, Information und Kommunikation im Unternehmen, das Betriebsklima bzw. die Unternehmenskultur im allgemeinen, das Image der Firma und der Branche, der Standort, Arbeitsplatzsicherheit[259] und Partizipationsmöglichkeiten.[260]
Insbesondere die Bearbeitung interessanter und anspruchsvoller Aufgaben wird als dominierender Motivationsanreiz angesehen, der vor allem von jüngeren Mitarbeitern gefordert wird, die im Zuge des Wertewandels den Wunsch nach Herausforderungen in der...