Frauen haben etwas,
was Männer grundsätzlich nicht haben
Wie sehen unsere ersten Erfahrungen mit Frauen und Männern aus? Wir alle sind im Körper unserer Mütter herangewachsen, wurden von ihnen geboren, danach gestillt, gewickelt, gepflegt und somit am Leben erhalten. Leben ist also Frau/Mutter. Die Rolle des Vaters ist in der unbewussten Wahrnehmung in den allermeisten Fällen marginal. Eigentlich steht er nur im Weg herum. Es wird mit jedem Tag deutlicher: „Ich bin nur am Leben, weil es eine Frau/Mutter gibt!“ Sie ist unsere
„Schöpfergöttin“.
Je ausgelieferter und je kleiner und hilfloser ich bin, umso prägender sind die Erfahrungen. Ein Säugling ohne Pflegeperson verhungert, stirbt elend. Wenn man mich heute – erwachsen geworden – allein lässt, kränke ich mich vielleicht, werde aber ins Wirtshaus gehen oder mir selbst etwas zubereiten und zumindest einmal nicht verhungern. Vielleicht schimpfe ich über die böse Welt, vornehmlich über das „blöde und verderbte Weibervolk“, vielleicht gehöre ich aber auch zu der kleinen Gruppe, die sich fragt, warum sie verlassen wurde. Ich rede jetzt mit Freunden und Bekannten oder beginne eine Psychotherapie, um Klarheit über das Thema zu bekommen. Vielleicht gründe ich eine Selbsthilfegruppe von Menschen, die alleine sind. Aber was macht ein Säugling?
Obendrein muss wohl so ein Winzling seine Eltern, aber wahrscheinlich mehr die Mutter, weil sie meist doch näher beim Kind lebt, als geradezu göttlich erleben. Der Säugling kann nichts, aber Mutter „kann alles“, betätigt einen Knopf und es wird Licht, einen anderen Knopf und es erscheint ein Bild. Sie dreht in einem Topf oder schüttelt etwas und es gibt Essen. Im Geschäft legt sie einige Papierln hin und man bekommt Eis, Vollkornstangerln und Schokolade.
In einem Internetforum, unter dem Stichwort Matriarchat, fand ich folgenden Text:
„Ein ältester Kikuyu-Häuptling erinnert sich an den mütterlichen Körper:
Zuerst war sie immer da; ich erinnere mich an das angenehme Gefühl ihres Körpers, als sie mich auf dem Rücken trug, und an den Geruch ihrer Haut in der Sonnenhitze. Alles kam von ihr. Wenn ich hungrig oder durstig war, schwenkte sie mich nach vorne vor ihre vollen Brüste. Noch jetzt fühle ich, wenn ich heute die Augen schließe, dankbar das Behagen, das mich erfüllte, wenn ich meinen Kopf in ihrer weichen Fülle barg und die süße Milch trank. Nachts, wenn die Sonne nicht mehr wärmte, traten ihre Arme, ihr Körper an ihre Stelle, und als ich älter wurde und mich für andere Dinge zu interessieren begann, konnte ich diese ohne Angst von ihrem Rücken aus betrachten. Wenn ich schläfrig wurde, brauchte ich nur die Augen zu schließen.“
An dieser Stelle ist zu hoffen, dass sich der Vater nicht zur Seite drängen lässt, sich als Mann und Vater aktiv einbringt und damit verhindert, dass ein göttlich übermächtiges Bild der Mutter im Kind entsteht. Denn, bedenken Sie bitte auch, wie das die spätere Paarbeziehung zerstören würde: das Bild der übermächtigen Frau und das Bild vom unnötigen, überflüssigen Mann! Diese inneren Darstellungen bleiben nämlich lange, lange, vielleicht ewig erhalten, auch dann in der erwachsen gewordenen Frau, im erwachsen gewordenen Mann.
Und hier nur ein kurzer Quergedanke: Können die Eltern es genießen, aber nicht missbrauchen, dass sie jetzt so unglaublich toll gesehen werden? Die Prüfung erfolgt zuerst in der Trotzphase, wo die „göttliche Mutter“ plötzlich ein „Nein“ hört, und später in der Pubertät. Halten es die „göttlichen Eltern“ aus, wenn sie jetzt vom Thron gestoßen werden? Wenn sie ihre Kinder lieben, freuen sie sich darüber, dass diese erwachsen werden und den Mut haben, diesen Weg der Eigenständigkeit zu gehen.
Wir alle sind nur auf der Welt, leben, atmen, denken und spüren, weil es unsere Mutter gab – eine Frau. Wer sich in diese Gedanken wirklich einfühlen kann, der spürt geradezu das Matriarchat. Wir haben uns im Christentum an einen Vatergott gewöhnt, aber die Kulturgeschichte begann mit der „großen Göttin“, ob sie nun Gaia, Metis, Rhea, Hülda, Erda oder sonst wie genannt wurde.
Man bekommt vielleicht eine Ahnung, welch unglaubliche Qualen ein Baby erlebt, egal ob Bub oder Mädchen, wenn es die liebende Mutter nicht hat. Nur Künstler können diesen Schmerz wirklich ausdrücken.
Der Schrei nach meiner Mutter ist verstummt.
Ich lege meine Hände in den Schoß.
Ich will nicht denken.
Ich will das Kreuz verlassen
das mich so lange gehalten hat.
Ich will meine Schmerzen streicheln
bis sie meiner Liebe überdrüssig sind. 7
Peter Turrini
Bis daher sind die Erfahrungen von Buben und Mädchen identisch. Aber der Sohn muss sich von der Mutter lösen, sonst kommt er als „Muttersöhnchen“ ordentlich ins schiefe Licht. Er ist jetzt bedroht, die Lebensspenderin, seine Lebensquelle, das Weibliche, vorerst also die Mutter, zu verlieren. Er ist bedroht, es muss schnell eine neue Lebensquelle her, ein Mädchen. Somit verstehen wir die vielen Rituale, wie sich Burschen darstellen, wenn sie auf den Maibaum klettern oder im Sport Höchstleistungen erbringen wollen. Junge Männer nehmen unglaublich viel, oft Gefährliches auf sich, um für ein Mädchen, eine junge Frau interessant zu sein. Sind Männer wirklich begabter als Frauen, wenn doch so viele künstlerische, wissenschaftliche und kulturpolitische Leistungen von Männern erbracht wurden? Oder liegt das darin begründet, dass Männer viel mehr unter Druck stehen, sich und ihrer Umwelt ihre Existenzberechtigung zu beweisen? Sich eine Partnerin zu verdienen, wenn sie so tüchtig sind?
Können wir jetzt eher verstehen, dass nur ca. 20 % der Scheidungen von Männern eingereicht werden? Und ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Männer bereits ein neues Weibchen zur Seite haben. Können wir jetzt verstehen, dass Männer unter Trennungen mehr leiden als Frauen, auch wenn Männer diese Gefühle verstecken, vielleicht mit Alkohol zuschütten? Können wir jetzt verstehen, dass Männer, die verwitwen, sich schnell eine neue Partnerin suchen, und dies, obwohl heute fast alle Männer kochen und bügeln können? Finden Witwer keine Frau mehr, so versandeln sie meist. Allein lebende Witwer liefern ein ganz anderes Bild als Witwen, die in der Regel sehr eigenständig und befriedigend ihr Leben meistern.
August Strindberg meint zu diesem Thema: „Sollte es wirklich einmal zu einem Kampf zwischen den Geschlechtern kommen, dann werden die Frauen siegen, weil die Männer die Frauen mehr lieben als die Frauen die Männer.“ Natürlich bleibt es offen, ob Männer liebesfähiger sind oder ob sie abhängiger sind.
Wie ist das bei Mädchen? Ihre Erfahrungen mit der Mutter sind die gleichen wie die der Buben. Aber Mädchen gehören ebenfalls zu dieser Kategorie der Lebensspenderinnen. Sie haben an sich selbst den nährenden Busen, sie haben in sich die Geborgenheit gebende Gebärmutter, in der Leben heranwachsen kann, und eine Vagina, aus der das Leben heraustreten kann. Schließlich ist die Vagina der Ort, aus dem wir alle gekommen sind. Der Ort, wo die Vertreibung aus dem Paradies erfolgte. Jetzt ist die Zeit der absoluten, bedingungslosen Liebe vorbei, von nun an sind wir auf der Schiene der Leistung. Hoffentlich erleben wir noch eine Zeit tiefer Liebe ohne Anforderungen, aber bald schon wird ein Lächeln, das Sitzen und Gehen, Worte wie Mama und Papa und und und ... von uns verlangt.
Mädchen gehören somit von Anfang an zur Gruppe der Königinnen. Was Männer können, können sie auch, aber was sie in sich tragen, das Mysterium des Lebengebens, da sind die Männer draußen.
Die Begriffe „Königin“ und „König“ möchte ich an dieser Stelle einmal genauer betrachten. Meist meinen Märchen mit Königin eine Frau, die wirklich bei sich ist, ihr Leben lebt, ihre Begabungen und Fähigkeiten umsetzt und ganz sie selbst ist.
Niemand ist glücklicher und macht auch seine Umgebung glücklicher als ein solcher Mensch. Eine Prinzessin oder ein Königssohn ist erst auf dem Weg. Man kann dies an der Prinzessin im Froschkönig wahrnehmen, die noch dem Vater gehorcht, zumindest anfangs, oder am Königssohn in Aschenputtel, wo noch der Vater für ihn die Feste organisiert.
Anselm Grün und Linda Jarosch definieren die Königin so: „Die Königin herrscht über sich selbst und wird nicht von anderen beherrscht. Sie bestimmt ihr Leben so, wie sie selbst es möchte. Sie vergleicht sich nicht mit anderen, sondern steht in sich selbst. Sie ist Königin in ihrem Reich.“ 8
Eine solche Frau ist eine unendliche Bereicherung – für sich selbst, für ihren Partner, für ihre Kinder und für alle in ihrem Umfeld.
Aber es gibt die Königin auch in einer problematischen Ausgabe. Man kann an die peinliche Königin in Schneewittchen denken, die nur vor dem Spiegel sitzt, um von ihm zu hören, dass sie die Schönste wäre, und die nicht ertragen kann, dass ihre junge Tochter inzwischen viel hübscher geworden ist. Ich spreche von jenen Königinnen, die meinen, sie hätten von Haus aus ein Anrecht auf Verehrung, bloß weil sie eine Frau sind, bloß weil es sie gibt. Und sie müssten gar nichts dafür tun – weder liebevoll, noch tüchtig und schon gar nicht weise sein.
Schon Sokrates meinte: „Einmal gleichberechtigt, werden die Frauen den Männern grundsätzlich überlegen sein.“ Meist so übersetzt: „Eine Frau gleichgestellt, wird überlegen.“ Hier wird nicht differenziert zwischen einer gereiften und einer selbstsüchtigen Frau.
In diesem Licht besehen wird es...