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Zurück zum guten Bauchgefühl - Folgewunder als Seelenretter?

AutorSandra Wiedemann
VerlagEdition Riedenburg E.U.
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783903085459
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Nach einem Schwangerschaftsabbruch aufgrund tödlicher Fehlbildungen des Kindes beginnt für Sandra der lange, schmerzhafte Weg der Verarbeitung. Phasenweise verzweifelt sie am Leben und glaubt, ihr Urvertrauen sei für immer zerstört worden. Zur Trauer um die verlorene Wunschtochter gesellt sich das zähe Warten auf eine Folgeschwangerschaft. Sandra ist der Überzeugung, unbedingt noch einmal schwanger werden zu müssen. Nur davon verspricht sie sich Heilung, und nur eine erneute Schwangerschaft scheint die letzte und einzige Rettung zu sein. Als es endlich dazu kommt, muss Sandra erkennen, dass sie vom Seelen­frieden noch weit entfernt ist. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle beginnt. Wieder "guter Hoffnung zu sein" gibt ihr zwar neuen Lebensmut, ist aber erst der Anfang einer aufregenden Reise mit ungewissem Ausgang. Wird das Schicksal ihr diesmal gnädig sein? Darf sie am Ende ein gesundes Kind im Arm halten? *** Sandras erstes Buch heißt "Am Ende aller guten Hoffnung - Sterbehilfe im Mutterleib?" und ist ebenfalls bei edition riedenburg erschienen (ISBN 978-3-902943-61-3). www.editionriedenburg.at *** Suchworte: Folgeschwangerschaft, Spätabbruch, Abtreibung, wieder schwanger nach Verlust, Sternenmama, Sternenmutter, Sternenmütter, Sternenkinder, Kindergrab, Trost, Hoffnung, Zuspruch, Erfahrungsbericht, Erlebnisbericht einer Mutter, Autobiographie, Roman, medizinische Indikation, Trisomie 13, Trisomie 21, Down Syndrom, Behinderung, Austragen, krankes Baby austragen, Entscheidung gegen Schwangerschaftsabbruch, Schwangerschaftsabbruch, Abbruch, Baby behalten, gesundes Kind, Pränataldiagnostik, pränatale Diagnose, Warten auf Pränataldiagnose

Sandra Wiedemann (*1978) ist dreifache Mutter. Ihr erstes Buch, "Am Ende aller guten Hoffnung - Sterbehilfe im Mutterleib?", sorgte medial für Aufsehen, denn selten zuvor wurde aus Sicht einer Betroffenen so ehrlich und aufwühlend über die innere Zerrissenheit Pro und Contra Spätabbruch geschrieben. Mit "Zurück zum guten Bauchgefühl" legt die Autorin nun die Fortsetzungsgeschichte über ihre heiß ersehnte Folgeschwangerschaft vor.

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Leseprobe

Gesegneter Austausch – verfluchter Austausch


Wieder einmal bin ich sehr froh, im Zeitalter des Internets zu leben. Was würde ich nur machen ohne diese virtuellen Kontakte, die ich gerade in den letzten Wochen so eifrig pflege? Wem sollte ich mein lädiertes Herz ausschütten?

Die ganze Schwangerschaft mit Angel Marie war ich, wie damals schon bei Niklas, in einem entsprechenden Forum aktiv – bis hin zum bitteren Ende. Auch jetzt schaue ich noch mehr oder weniger regelmäßig dort vorbei, allerdings ohne irgendwelche Postings zu schreiben. Der Mensch ist bekanntlich ein Gewohnheitstier. Endgültig loszulassen fällt mir sehr schwer, obwohl ich merke, dass mein „heimliches Spionieren“ in dem Forum, wo ich doch nicht mehr dazugehöre, mich belastet. Wieder und wieder frage ich mich, warum ich mir das überhaupt antue. Genau genommen ist es eine Art des Masochismus. Seelische Selbstverstümmelung.

Immer wieder bekomme ich dort demonstriert, dass die Welt der Anderen sich weiterdreht. Es ist wieder der normale Schwangeren-Alltag eingekehrt. Nach mir kräht schon längst kein Hahn mehr. Mein Schicksal ist offenbar vergessen. Das passt ja auch zur Reaktion meiner ehemaligen „Forumsfreundinnen“. Anfangs hatte ich mit einigen von ihnen noch regen Kontakt per Privatnachricht. Persönliche Emails wurden hin und her geschickt – für mich eine Art Rettungsanker während und kurz nach den furchtbaren Ereignissen.

Es war schön zu sehen, dass die Frauen, mit denen ich über Monate hinweg so vieles geteilt hatte, mich nicht hängen ließen. Dass ich bei ihnen nicht„abgemeldet“ war mit meinen schlimmen Erlebnissen.

Doch dann geschah das, was wohl früher oder später die logische Konsequenz war: Eine nach der anderen ließ den Kontakt plötzlich „einschlafen“. Ich wartete vergebens auf weitere Nachrichten. Meine Emails blieben einfach unbeantwortet. Ausnahme dabei bildet Natalie, die selbst schon zwei Fehlgeburten verkraften musste. Sie hältmir bis heute die Treue, und wir schreiben uns mehr oder weniger regelmäßig. Meine anderen ehemaligen „Mitkuglerinnen“ waren wohl einstimmig der Meinung, dass es jetzt genug sei und sie sich nicht weiter mit meinen Problemen belasten wollten.

Doch – wie sagt man so schön: Wenn sich eine Türe schließt, öffnet sich eine neue. Und so lernte ich im Internet einige liebe Frauen kennen, die vom Schicksal ebenfalls ziemlich gebeutelt waren.

Da ist Petra. Sie hat im Jahr 2012 gleich zwei Babys in der Frühschwangerschaft verloren, das zweite ausgerechnet über Weihnachten. Wir waren also beide zur gleichen Zeit ganz unten und durch unseren Schmerz gewissermaßen verbunden. Jetzt hoffen wir zusammen mit dem Mut der Verzweiflung auf eine schnelle Folgeschwangerschaft. Auch auf Michaelas Schicksal bin ich durch „mein“ Internetforum aufmerksam geworden. Sie hatte den errechneten Entbindungstermin einige Wochen nach mir und musste ihren Sohn im Januar 2013 still zur Welt bringen. Kurzerhand schrieb ich sie an, woraus ein regelmäßiger Mailverkehr entstand.

Es ist tröstlich zu sehen, dass ich nicht alleine bin mit solch einem Schicksalsschlag. Andererseits erschreckt es mich aber auch, wie viele Frauen bereits ähnlich Schlimmes erlebt haben. Im Schwangerenforum war ich gewissermaßen Exot mit meinen Erfahrungen. Auf einer anderen Homepage jedoch, auf die ich durch Unterlagen vom Krankenhaus aufmerksam wurde, gehört der Verlust von Kindern zur traurigen Tagesordnung: frauenworte.de

Anfangs bin ich regelmäßig dort aktiv. Versuche aus dem Gemeinschaftsgefühl Kraft zu ziehen. Einige liebe Frauen lerne ich über private Emails näher kennen. Sie wachsen mir ans Herz, und schon bald will ich den Kontakt nicht mehr missen.

Jenny zum Beispiel, die um ihre Tochter„Audrey“ trauert, die im Dezember 2012 tot geboren wurde. Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Die Kleine ist von selbst in ihrem Bauch gestorben. Jenny musste nicht eingreifen, nichts entscheiden. Natürlich ist ihr Verlust deswegen ganz bestimmt nicht weniger schmerzlich. Aber ich selbst habe oft ein Problem solchen „normalen“ Sterneneltern gegenüber. Fühle mich irgendwie minderwertig.

Da verbindet mich mit Nicole noch deutlich mehr. Sie hat sich ebenfalls für den Abbruch der Schwangerschaft mit ihrer Wunschtochter entschieden, nachdem unter anderem ein offener Rücken diagnostiziert worden war, der bereits andere gravierende Fehlbildungen nach sich zog. Ihre Sternenprinzessin Mia kam einen Tag vor Angel Marie still zur Welt.

Besonders tragisch finde ich die Geschichte von Melanie, die sie mir eines Tages in einem langen Telefongespräch anvertraut. Bei ihrer Tochter wurde festgestellt, dass der Balken, der normalerweise beide Gehirnhälften trennt, nicht vorhanden war. Während für ihren Freund gleich klar war, dass er „das nicht kann“, hat sie selbst lange mit sich gekämpft, ist einige Tage alleine weggefahren, um sich über alles klar zu werden, und hat sich letztendlich für einen Abbruch der Schwangerschaft entschieden.

Das Schlimmste war für sie die Ungewissheit bezüglich der Prognose. Das Fehlen des Balkens im Gehirn hätte eine riesige Spannbreite an möglichen Beeinträchtigungen bedeuten können. Von fast gesund bis zu schwerstbehindert – so hat Melanie es mir unter Tränen erklärt. Wie furchtbar! Ich kann ihre Zerrissenheit diesbezüglich so gut nachfühlen. Da bin ich selbst ja fast dankbar dafür, dass die Lage bei Angel Marie so eindeutig war.

Auch wenn ich in den nächsten Monaten immer mal wieder auf Kritiker stoßen werde, die mir vorwerfen, sie hätte eventuell doch lebensfähig sein können: Ich für mich weiß, dass das absolut unrealistisch ist angesichts der schlimmen Fehlbildungen. Und falls doch, wäre es nur ein sehr kurzes und vor allem menschenunwürdiges Leben gewesen.

Bei Melanies Tochter jedoch war gar nichts eindeutig, was es sicher noch viel schwerer macht, mit dem Abbruch klarzukommen. Sie tut mir echt leid – bin ich mir doch sicher, dass auch sie die unglaublich schwere Entscheidung aus Liebe zu ihrer Tochter getroffen hat. Und zu allem Überfluss wurde sie hinterher dann noch von ihrem Freund verlassen und kann dadurch in absehbarer Zeit nicht auf ein Folgewunder hoffen. Dabei war ihr Sternenkind auch noch ihr erstes Baby überhaupt.

Bei allem Elend gibt es wohl immer Menschen, die es noch schlimmer getroffen hat als mich. Das wird mir angesichts Melanies Geschichte, aber auch durch den Austausch auf frauenworte.de bewusst. Doch – soll ich dafür tatsächlich dankbar sein? Hilft die Erkenntnis, dass man zwar ganz unten ist, aber andere noch mehr leiden als man selbst, tatsächlich über den eigenen Schmerz hinweg? Ich bezweifle es ...

Dafür merke ich aber, dass ich im Laufe der Zeit dem Schreiben und Lesen im Frauenworte-Forum immer weniger abgewinnen kann. Die ewig gleichen, leeren Phrasen empfinde ich nicht wirklich als hilfreich. „Ich halte Dich, wenn Du magst ...“ „Ich schicke Dir ein großes Kraftpaket ...“

Am schlimmsten aber finde ich die folgende Weisheit, die ich immer wieder zu lesen bekomme: „Es stimmt nicht, dass die Zeit alle Wunden heilt – wir lernen nur, mit dem Schmerz zu leben.“

„Nein! Nein! Nein!“, schreit es dann in mir. „Das will ich nicht glauben! Das darf einfach nicht wahr sein!“ Ich weigere mich, mir einreden zu lassen, dass mein Leben jetzt für alle Zeiten verpfuscht sein soll. Dass ich für immer diese Last mit mir herumschleppen muss. Eine Wunde, die nie mehr verheilen wird und von der ich angeblich nur lerne, sie irgendwie zu ertragen.

Heißt es nicht schon in der Bibel: „Dem Menschen geschehe nach seinem Glauben“? Na also! Dann mag das von mir aus die Realität der Anderen sein. Ich werde es nicht einfach so als wahr akzeptieren. Ich will Heilung für meine Wunden. Ich brauche sie – irgendwann ...

Regelmäßig tauchen verzweifelte Neuzugänge im Forum auf. An manchen Postings kann ich einfach nicht vorbeigehen, ohne mir die Mühe zu machen, den Betroffenen etwas zu schreiben, von dem ich hoffe, dass es irgendwie tröstlich sein könnte. Das ist bei mir aber nicht in zwei oder drei belanglosen Sätzen getan, sondern wird meist ein ganzer„Roman“, der viel Zeit in Anspruch nimmt und meinen ganzen eigenen Schmerz wieder „hochholt“. Doch von den meisten der Frauen höre ich anschließend nie wieder irgendetwas. Sie verschwinden einfach wieder in der Versenkung, ohne dass man jemals erfahren hätte, was aus ihnen geworden ist. Darauf habe ich schon bald keine Lust mehr!

Am meisten jedoch macht mir eine Sache in diesem Forum zu schaffen: Die Geschichten werdender Mütter, die ebenfalls eine schlimme oder hoffnungslose Diagnose für ihre Babys bekommen haben und vor der Wahl stehen, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Wenn die Betroffenen sich dann dagegen entscheiden und den„Dingen ihren natürlichen Lauf lassen“, ernten sie dafür immer viel Lob und Beifall.

„Du hast meinen allerhöchsten Respekt ... Wie schön, dass Du Dein Kind selbst...

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