Die ersten Versuche, Prostitution abzuschaffen, gab es schon im 19. Jahrhundert, jedoch meist mit dem Hintergrund, moralische Gebote durchzusetzen und die Bevölkerung vor Geschlechtskrankheiten zu bewahren, für deren Verbreitung man lange Zeit die in der Prostitution tätigen Frauen verantwortlich machte. Das abolitionistische Gegenmodell kritisierte die Frauen unterdrückende Regulierung der Prostitution. Eine der ersten Vertreterinnen war Josephine Butler in Großbritannien. Die um sie gruppierte feministische Bewegung sah in der staatlichen Regulierung der Bordelle die Voraussetzungen für Frauenhandel. Ihr Ziel war es, die Arbeits- und Lebenssituation der Prostituierten zu verbessern. Auch weitere Gruppierungen mit verschiedenen Tendenzen bildeten sich (Huland 2012: 71-72).
Um die Wende herum nahm Prostitution stark zu, da immer mehr Frauen vom Land in die Stadt zogen um Arbeit zu suchen. Auch die Änderung der Sozialstrukturen und eine Vergrößerung der Mittelschicht beeinflussten dieses Phänomen. Wegen der starken Regulierungsmaßnahmen übten viele Frauen Prostitution heimlich aus. Das eröffnete neue Möglichkeiten für die Ausbeutung und den Handel mit Frauen. Die wirtschaftliche Organisation des Prostitutionssektors veränderte sich vom lokal agierenden Markt zu einem internationalen. Es gab neue Kommunikations- und Transportmittel, die der internationalen Kriminalität förderlich waren. Dadurch wandelte sich der Prostitutionsdiskurs zum Frauenhandelsdiskurs (a. a. O.: 73-74). 1904 und 1910 wurden die ersten internationalen Abkommen zur Bekämpfung des Mädchen- und Frauenhandels geschlossen. Diese beinhalteten jedoch lediglich Verwaltungsvorschriften[33] und machten keine Gesetzesänderungen erforderlich. Doch eigentlich sollte damit das Problem der Prostitution gelöst werden, das die Normalität der Gesellschaft störte. Der Frauenhandelsdiskurs wurde dafür als willkommener Vorwand instrumentalisiert (a. a. O.: 74-75).
Wichtig im Frauenhandelsdiskurs ist außerdem das Geschlechtskrankheitengesetz (GeschlKrG) von 1927.[34] Es kann als Vorläufer des Prostitutionsgesetzes (ProstG) gesehen werden und war der erste Versuch, Prostitution nicht zu reglementieren. De facto änderte sich für die Frauen in Prostitution jedoch nicht viel (Hunecke 2011: 7). Schon damals wurde mit dem Gesetz versucht, die Arbeit der Prostitution vom allgemeinen Sitten- und Moralverständnis zu trennen und die Situation der darin tätigen Frauen zu verbessern. Zielvorgabe war ähnlich wie die des heutigen ProstG die Verbesserung der Ausstiegsmöglichkeiten für Frauen in Prostitution (a. a. O.: 33). Am 23.07.1953 wurde das GeschlKrG reformiert. Es war nun auf gesundheitspolitische Maßnahmen beschränkt und erwähnte Prostitution nicht mehr in strafrechtlicher Hinsicht. Diskutiert wurden jetzt in erster Linie die „Strafbarkeit von Bordellbetreibern oder von Eltern, die ihre Kinder verkuppelten, und Zuhälterei (a. a. O.: 68-69).
Im Oktober 1966 wurde von 21 Strafrechtswissenschaftlern ein Alternativentwurf (AE) eines Strafgesetzbuches (StrGB) vorgelegt. Demnach sollten alle Straftatbestände bezüglich Prostitution abgeschafft werden. Strafbar wäre nur, wer Minderjährige unter 18 Jahren, bzw. Personen zwischen 18 und 21 Jahren in einer Zwangslage in Prostitution bringt und wer 14-18-jährige zu außerehelichem Beischlaf verleitet. Dadurch sollten die freie Willensbetätigung und die sexuelle Selbstbestimmung geschützt werden. Der Straftatbestand der Zuhälterei sollte vollständig gestrichen werden, da man bloß die Lebensweise der Zuhälter moralisch verurteilen könne, denn einzelne Straftaten könne man ihnen nicht vorwerfen. Dieser Gesetzesentwurf fand viel Widerspruch, da er keinerlei ethische Grundanschauungen vertrat. Die Autoren erwiderten daraufhin, dass es nicht Aufgabe des Strafrechts sei, moralische und sittliche Erziehung auszuüben (a. a. O.: 70-71). Diese beiden Argumente werden in der heutigen Diskussion nach wie vor eingebracht.
Zwar war Prostitution seit dem GeschlKrG 1927 legalisiert worden, es galt aber noch als sittenwidrig und gemeinschaftsschädlich. Bordellbesitzer galten grundsätzlich als straffrei, jedoch war alles strafbar, was eine Frau noch weiter in Prostitution verstrickte. Deshalb war es nicht möglich, Verträge zwischen einer Sexarbeiterin und z. B. dem Bordellbesitzer abzuschließen (Herz/Minthe 2006: 31-32). Ebenso galt das für jegliche Form der Organisation von Prostitution, da dies als „Förderung der Prostitution“ verstanden wurde. Bordellbesitzern wurde somit nicht erlaubt, angenehme Standards in den Prostitutionsstätten zu schaffen, da es die dort tätigen Frauen ermutigen könnte, der Tätigkeit erst recht nachzugehen. Weiterhin war Sexarbeiterinnen der Zugang zu Sozial- und Krankenversicherungen verwehrt, steuerpflichtig waren sie dennoch (Kavemann/Steffan 2013: 9).
Seit den 1980er Jahren begannen organisierte Sexarbeiterinnen, eine gesellschaftliche Anerkennung und rechtliche Gleichstellung mit anderen Berufen zu fordern. Darauf folgte 1990 der Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes von den Grünen, der die Gleichstellung aller Sexarbeiterinnen zum Inhalt hatte. Die Abgeordneten der 5. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren (GFMK) vom 29.- 30. August 1995 forderten die Bundesregierung auf, Maßnahmen zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Stellung der Prostituierten zu ergreifen. Darauf folgten weitere Entwürfe aus den Reihen der Parteien Bündnis 90/Die Grüne[35], PDS und SPD[36]. Der Entwurf der SPD war dem heutigen Prostitutionsgesetz schon sehr ähnlich. Der nächste Impuls für eine rechtliche Veränderung kam im Februar 2000 durch den UN-Ausschuss mit der Empfehlung, die rechtliche Stellung der Prostituierten zu verbessern, um Ausbeutung zu reduzieren und Schutz zu gewährleisten. Das führte zur Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens im Mai 2001 (a. a. O.: 10). Die SPD und Bündnis 90/Die Grüne schlugen für den Gesetzesentwurf vor, das Entgelt für die Tätigkeit der Prostituierten zivilrechtlich wirksam vereinbaren zu können und Prostituierten somit Zugang zum Sozialversicherungssystem zu gewähren. Durch Änderungen im Strafgesetzbuch (StGB) sollte Sexarbeiterinnen ein angemessenes Arbeitsumfeld ermöglicht werden. Das Ergebnis war die Änderung des § 181 a, Abs. 2 StGB. Vermittlung von Prostitution sollte von nun an straffrei bleiben, sofern diese freiwillig geschieht. In diesem Zusammenhang wurde die Überschrift des Gesetzesentwurfs in "Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten" geändert. Die Abgeordneten der CDU verwehrten sich diesem Vorschlag im Juli und forderten die Bundesregierung auf, einen abgestimmten und in sich schlüssigen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Ziele der Verbesserung der rechtlichen und sozialen Stellung der Prostituierten erreichen könne und ein besonderes Augenmerk auf Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution lege. Sie begründeten ihre Forderung nach mehr Ausstiegsmöglichkeiten folgendermaßen: "Der Kauf und Verkauf sexueller Dienstleistungen ist menschenunwürdig und entspricht nicht unserem Menschenbild und unseren Wertvorstellungen" (Hunecke 2008: 82-84).
Schon im Oktober kam es mit einer Mehrheit durch SPD, Bündnis 90/Die Grüne, FDP, PDS zur Verabschiedung des ProstG mit dem Zusatz, dass nach drei Jahren über die Folgen und Auswirkungen berichtet werden sollte (Kavemann/Steffan 2013: 10). „Diese Wertvorstellungen sind auch keine starre Größe, sondern einem immerwährenden Wandel unterworfen. […] Wir haben also mit diesem Gesetzesentwurf nichts anderes getan, als die Gesetzeslage dem Wandel im Bewusstsein der Gesellschaft anzupassen“ (Hunecke 2011: 84). Durch das ProstG sollte die Tätigkeit der Prostitution aber nicht als „Beruf wie jeder andere“ verstanden werden. Ziele waren vielmehr:
„die Sittenwidrigkeit der Prostitution abzuschaffen,
Prostituierten die Einklagbarkeit ihres Lohns zu sichern,
den Zugang zur Sozialversicherung zu erleichtern,
kriminellen Begleiterscheinungen der Prostitution den Boden zu entziehen,
den Ausstieg aus der Prostitution zu erleichtern und
bessere (möglichst wenig gesundheitsgefährdende) Arbeitsbedingungen zu sichern“ (BMFSFJ 2007: 80).
Mit zwei Jahren Verspätung veröffentlichte der BMFSFJ 2007 einen Bericht über die Auswirkungen des ProstG.[37] Darin wird festgehalten, dass das ProstG ein begrenzter Ansatz von Regulierung sei. Es strebe weder eine Auf- noch Abwertung von Prostitution an, sondern nehme sie als gegeben hin. Der Fokus des Gesetzes sollte die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sein, sowie die rechtliche und soziale Lage der Sexarbeiterinnen stärken. Die dadurch entstehenden geordneten Beschäftigungsverhältnisse sollten die Abhängigkeit von...