KAPITEL 2
TRAININGSBASICS
Wir hören immer wieder von Läufern, die einen Marathon oder Halbmarathon laufen wollen, zur Tür hinausgehen und so oft, weit und schnell laufen, wie sie nur können. Natürlich muss man bei diesen Distanzen an seine Grenzen gehen, doch dafür gibt es bewährte Trainingsmethoden – ohne Schmerzen oder Qualen.
Erfolgsstory
BOSTON-QUALIFIKATION IM ERSTEN RENNEN
Michael Feldhaus, 47
Gesundheitsberater, zweifacher Vater
2 Marathons; 3:25 PB
ICH WAR VORHER NOCH NIE einen Schritt gelaufen und hatte keine Ahnung, was eine PB ist. Was ich jedoch wusste, war, dass ich bei meiner Größe von 1,85 Meter annähernd 100 Kilo wog. So begann ich zu walken, bis zu 5 Kilometer die Woche. Ein Freund schenkte mir eine Ausgabe von Runner’s World, in der ein Artikel über Marathontraining stand. Warum nicht, dachte ich mir, und folgte sklavisch dem Trainingsplan. Es gab Augenblicke, da wollte ich nur noch aufgeben, doch dann trieb ich mich noch etwas weiter voran, bis mir klar wurde, dass ich es schaffen konnte. Als ich mit dem Plan durch war, hatte ich fast 30 Kilo abgenommen, meine Freunde haben mich beinahe nicht wiedererkannt. Dann lief ich einen Marathon. Einziges Ziel: nur nicht verletzen! Meine Endzeit war 3:29 – und irgendjemand erzählte mir, ich hätte mich soeben für den Boston Marathon qualifiziert. Obwohl ich nichts über das Rennen wusste, lief ich den Marathon im folgenden Frühjahr – drei Minuten schneller und damit auch für das kommende Jahr qualifiziert. Ein unglaubliches Gefühl, dass man so etwas mit 47 ohne jedwede Schmerzen schaffen kann. Ich habe nun also das gefunden, worin ich richtig gut bin.
Trainingspläne gibt es für Marathon und Halbmarathon zwar zuhauf, sie folgen jedoch alle grundlegenden Prinzipien, mit denen Läufer die notwendige Ausdauer erlangen, 21,0975 oder 42,195 Kilometer zu laufen, ohne sich zu verletzen. Dabei werden systematisch Kilometeranzahl und Trainingsintensität erhöht. Auf anstrengende Läufe folgen Ruhetage, um Verletzungen und Übertraining zu vermeiden. Das macht sich für Körper und Geist bezahlt. 2 bis 4 Monate sind eine lange Vorbereitungszeit; die Praxis, die Sie beim Training bekommen, versorgt Sie am Wettkampftag mit der nötigen mentalen und emotionalen Kraft. Nach den 30 Kilometer langen Läufen, den Tempoläufen und den vielen, vielen Tagen, an denen Sie sich erfolgreich aufgerafft haben, stehen Sie viel selbstbewusster an der Startlinie.
In diesem Kapitel erfahren Sie alles über die Grundprinzipien der Marathonvorbereitung und warum die meisten Trainingspläne – auch die von Runner’s World – so aufgebaut sind, wie sie aufgebaut sind. Ihnen als Marathonneuling hilft dies, sich an den Plan zu halten, und alte Laufhasen können damit ihr Wissen ein wenig auffrischen. So haben Sie die größtmöglichen Chancen, Ihre Ziele zu erreichen, voller Power an den Start zu gehen und Ihre Bestzeit zu laufen.
Laut einer Runner’s-World-Umfrage haben 20 Prozent aller Läufer bei ihrem ersten Marathontraining nur improvisiert.
Langsam anfangen, langsam steigern Die Aussicht auf die vielen Kilometer kann schon abschreckend sein, selbst für Wiederholungstäter. Zum Glück müssen Sie nicht alle auf einmal laufen – versuchen Sie es bitte erst gar nicht. Der Körper braucht Zeit, um sich an die Trainingsveränderungen anzupassen, Muskeln und Gelenke brauchen Regenerationszeit. Wenn Sie überstürzt handeln, sabotieren Sie Ihren Körper, statt ihn aufzubauen. Verletzungen vermeiden Sie am besten mit der 10-Prozent-Regel: Steigern Sie die gelaufenen Kilometer pro Woche und die Länge der langen Läufe nicht um mehr als jeweils 10 Prozent. Das macht das Ganze außerdem schaffbarer. 20 Kilometer auf einmal zu laufen hört sich sehr viel an; wenn Sie in der Woche davor jedoch bereits 16 Kilometer gelaufen sind, ist die Zahl nicht mehr ganz so einschüchternd. Halten Sie sich an den Plan. Wenn es unbedingt mehr Kilometer sein müssen, dann bei lockeren Läufen und nie mehr als 1,5 bis 3 Kilometer auf einmal.
Überwiegend locker laufen Rund 80 Prozent Ihrer Läufe sollten Sie in lockerem Tempo absolvieren, etwa 60 bis 90 Sekunden langsamer als Ihre Zielgeschwindigkeit. Sie sollten sich beim Laufen noch unterhalten können. Wenn Sie mit Herzfrequenzmesser laufen, sollte diese 65 bis 70 Prozent Ihrer maximalen Herzfrequenz betragen. Wenn Sie keuchen, sind Sie zu schnell.
Diese gelaufenen Kilometer kräftigen die Muskeln, bauen Ausdauer auf, verbrennen Fett und steigern die Gesamtblutmenge. Doch der größte Vorteil: Sie bekommen Laufpraxis mit minimalem Verletzungsrisiko. Nach sechs Wochen Training können Sie wahrscheinlich die gleiche Distanz in der gleichen Geschwindigkeit, aber müheloser laufen. Laufen Sie die gleichen Kilometer zu schnell, sind Schmerzen in Knien, Schienbeinen und Füßen die Folge. Das liegt daran, dass sich Herz und Lunge schneller anpassen als Muskeln, Sehnen und Knochen. Bei lockeren Läufen hat das Muskel-Skelett-System eine Chance, kräftiger zu werden und mit Herz und Kreislauf Schritt zu halten.
Einmal schnell, einmal locker Die meisten Trainingspläne sehen einen Wechsel zwischen anstrengenden und lockeren Läufen vor. In jeder Trainingswoche gibt es neben z. B. einem Tempo- oder einem langen Lauf einen lockeren Lauf oder einen Ruhetag. In ähnlicher Weise schrauben Sie auch alle paar Wochen die Kilometerzahl herunter, um sich ausreichend regenerieren zu können. Warum? In diesen Regenerationsphasen repariert der Körper das bei härterem Training beanspruchte Muskelgewebe. Dadurch wird er kräftiger und erschöpft sich bei höherem Tempo und größeren Distanzen weniger rasch. Ohne ein solches Training würden Sie nie weiter oder schneller laufen können, ohne zu ermüden. Wenn Sie Ihrem Körper keine ausreichende Regenerationszeit gönnen, sind Verletzungen unweigerlich die Folge.
Ein langer Lauf pro Woche Der lange Lauf ist der Grundstein des Marathon-und Halbmarathontrainings. Er baut Ausdauer auf, gewöhnt den Läufer daran, lange auf den Beinen zu sein, und übt die Ess-, Trink-, Ausrüstungs- sowie Toilettenlogistik, die man am Wettkampftag braucht. Er bereitet zudem emotional und mental auf stundenlanges Laufen vor. Neulinge sollten diese Läufe ganz locker absolvieren und sich nur darauf konzentrieren, die Distanz zu bewältigen, ohne sich völlig auszupowern. Sie häufen Kilometer an, ohne dabei ein unnötiges Verletzungsrisiko einzugehen. Wer auf eine PB aus ist, kann seinen Lauf variieren. Beim Training auf einen Endspurt sollte das Tempo auf den letzten 5 bis 8 Kilometern auf das Zieltempo im Rennen angezogen werden; so muss man noch einmal alles geben, wenn man am müdesten ist. Planen Sie einen langen Lauf pro Woche ein, an dem Tag, an dem Sie am meisten Zeit haben – auch danach, zum Wiederauffüllen Ihrer Energiespeicher, zum Dehnen, zum Eiskühlen und zum Ausruhen.
Hügelläufe In der ersten Hälfte des Trainings sollten Sie an einem Tag in der Woche die hügeligste Strecke laufen, die Ihnen zur Verfügung steht. Hügel kräftigen Beine und Lunge, was Sie später zum schnellen Laufen brauchen. Sie bereiten Sie außerdem auf eventuelle Hügel im Wettkampf vor. Sie werden sich dabei nicht schnell, aber stark fühlen. Selbst wenige Hügelläufe stärken die Beinmuskulatur und steigern die aerobe Kapazität sowie die Laufökonomie, d.h., wie effizient Ihr Körper Sauerstoff nutzt. Das Aufwärtslaufen beansprucht die Muskeln auf die gleiche Weise wie Krafttraining; Gesäßmuskeln, Quadrizeps, hintere Oberschenkelmuskulatur und Wadenmuskeln müssen Sie quasi den Hügel hinaufstemmen. Zudem verbessern die »explosiven« Anstiegsprints die Dehnbarkeit der Muskeln und Sehnen, was Ihnen auf anspruchsvollem Terrain mehr Beweglichkeit verleiht. Lassen Sie es als Neuling aber langsam angehen – Hügel beanspruchen Muskeln, Knie und Achillessehnen besonders stark.
So läuft’s …
| Mehr ist nicht immer mehr. Laufen Sie nicht mehr Kilometer, selbst wenn Sie könnten. Es gibt Sportler, die laufen in jungen Jahren am Wochenende 35, 40 Kilometer – weil sie es können. Doch kann es sein, dass sie später die Rechnung bekommen und mit 40, 50 schon Schmerzen haben, wenn sie wenig laufen. Denken Sie dran: Was Sie heute nicht laufen, werden Sie dafür in 30 Jahren laufen können. |
Hier geht’s rauf – und runter
So laufen Sie entspannt und bleiben in Form, wenn Sie Hügel hinauf- und hinablaufen, um Beine und Lunge zu kräftigen.
■ Halten Sie Kopf und Brust gerade. | ■ Halten Sie den Oberkörper gerade. |
■ Sehen Sie nach vorn. | ■ Sehen Sie nach vorn. |
■ Stellen Sie sich vor, die Straße käme auf Sie zu. | ■ Stellen Sie sich vor, Sie würden »kontrolliert fallen«. |
■ Nehmen Sie die Schultern nach hinten. | ■ Halten Sie Ihre Nasenspitze in einer Linie mit Ihren Zehen. |
■ Drücken Sie sich mit den Zehen von der Straße ab. |
■ Beugen Sie sich nicht nach vorn. | ■ Treten Sie leicht auf, lassen Sie Ihre Füße nicht aufs Pflaster plumpsen. |
...