Die Geschichte
»Petrus war der erste Papst.«
Die Entwicklung des Papstamtes
Papst Franziskus ist der 265. Nachfolger des Apostels Petrus. Er ist aber nicht der 266. Papst. Das Papstamt, wie es heute existiert, ist das Ergebnis eines Jahrhunderte andauernden Entwicklungsprozesses. Dieser ist noch nicht abgeschlossen. Franziskus hat wie seine beiden Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. mit Blick auf die Ökumene dazu aufgerufen, sich Gedanken darüber zu machen, wie das Papstamt so ausgeübt werden kann, dass es kein Hindernis mehr für die Einheit der christlichen Kirchen ist.
In vielen Büchern über das Papsttum gibt es eine Liste der Päpste – angefangen von Petrus bis zum amtierenden Pontifex Franziskus. Entsprechend finden die Besucher der römischen Basilika Sankt Paul vor den Mauern in den Seitenschiffen Mosaikmedaillons mit Abbildungen der Nachfolger des Apostels. Allerdings müssen diese Listen mit Vorsicht betrachtet werden, zumindest was die Zeit bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts anbetrifft. Denn die früheste bekannte Bischofsliste für Rom erstellte Irenäus von Lyon gegen Ende des 2. Jahrhunderts.
Die Gemeinde in Rom hat wie alle frühchristlichen Gemeinden bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts eine kollegiale Leitung. Es gibt eine Gemeindeversammlung, der verschiedene Personen vorstehen können. Es muss nicht immer ein Bischof (episkopos) sein, sondern auch Presbyter und Diakone übernehmen die Leitung. Erst langsam entwickelt sich die Gemeindeleitung hin zu einer monepiskopalen Struktur, also der Leitung durch einen Bischof. Das hatte verschiedene Gründe. Zum einen gab es bereits in der kollegialen Struktur oft einen Sprecher, dessen Funktion sich verfestigte. Zum anderen wurde durch verschiedene Fehlentwicklungen (z. B. Montanismus) in der Lehre ein Amt in der Gemeinde notwendig, das den Glauben authentisch auslegt. Dies wird durch den Bischof in besonderer Weise gewährleistet, da bereits in der Alten Kirche die Meinung vorherrschte, dass der Bischof in der Nachfolge der Apostel, in der sogenannten »apostolischen Sukzession«, steht und damit besondere Autorität besitzt.
Montanismus: altkirchliche Bewegung im 2. Jahrhundert, die glaubte, Offenbarungen des Heiligen Geistes zu empfangen.
Was das Verhältnis der Gemeinden untereinander betrifft, ist die frühe Kirche dezentral verfasst. Es stehen gleichberechtigte und selbstständige Ortskirchen nebeneinander. Größere Probleme werden auf regionalen Synoden besprochen und zu lösen versucht. Die Bischöfe tragen gemeinsam die Verantwortung für die gesamte Kirche. Man spricht auch vom Communio-Charakter der Gesamtkirche. Rom war folglich eine Bischofsstadt unter vielen. Eine Vorrangstellung vor allen anderen entwickelt sich erst langsam. Bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts heben sich vor allem die Bischofssitze gegenüber den anderen ab, die sich auf einen Apostel zurückführen. Jerusalem, Alexandria, Antiochien und Rom bekommen so eine gewisse Sonderstellung. In wichtigen Fragen suchen Bischöfe den Rat dieser Gemeinden, die durch ihre apostolische Gründung im Ruf stehen, die Tradition in besonderer Weise zu wahren. Bei dieser Profilierung der Apostelkirchen kommt Rom eine besondere Stellung zu, denn es ist die einzige Apostelkirche im Westen, während es im Osten drei, später mit Konstantinopel sogar vier gibt. Rom beruft sich zudem auf zwei Apostel. Der Tradition nach waren sowohl Petrus als auch Paulus dort. Sie sind zwar nicht die Gemeindegründer, aber ihre Anwesenheit wird nach und nach als Grund für die besondere Autorität des römischen Bischofsstuhls angegeben. Die Missionierung Nordafrikas, Galliens und anderer europäischer Gebiete geht von Rom aus. Die neu entstehenden Ortskirchen haben in der Gemeinde der alten Reichshauptstadt ihren Bezugspunkt. In Rom selbst entsteht nach der Verlagerung der Reichshauptstadt nach Konstantinopel 330 ein Machtvakuum, das nach und nach der römische Bischof ausfüllt.
Parallel dazu entwickelt sich bis zum 5. Jahrhundert, der Amtszeit Leos des Großen (440 – 461), eine theologische Begründung der Vorrangstellung des Bischofs von Rom. Christus selbst habe Petrus zum ersten unter den Aposteln gemacht, daher auch der Titel des Apostelfürsten. Diese herausragende Position lebe nun im Bischof von Rom als Nachfolger des Petrus fort.
Grundlage für diese Deutung ist eine Stelle im Matthäusevangelium. Dort sagt Jesus zu Petrus: »Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.« (Mt 16,18.19)
Es gelingt dem römischen Bischof allerdings nicht, seine Primatsansprüche, die Ende des 4. Jahrhunderts voll ausgebildet sind, auch gegenüber den Gemeinden im Osten durchzusetzen. Im Westen braucht es noch Jahrhunderte, bis die Theorie des päpstlichen Primats sich auch in der Praxis durchsetzen kann.
In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts taucht zum ersten Mal der Begriff »Papst« (griech. πάπας; lat. papa; Vater) als Bezeichnung für den Bischof von Rom auf. Der Titel wird ursprünglich im griechischen Bereich für Äbte und Bischöfe verwendet. Seit dem 5. Jahrhundert trägt ihn im Westen nur noch der Bischof von Rom, im Osten sind es die Patriarchen. Mit Gregor dem Großen (590 – 604) wird er als ausschließliche Amtsbezeichnung für den Bischof von Rom festgeschrieben. Nur die koptische Kirche behält den Titel Papst für ihr Oberhaupt bei. Sie hatte sich bereits nach dem Konzil von Chalkedon 451 wegen theologischer Differenzen von der lateinischen Kirche getrennt. Im 11. Jahrhundert kommt die Bezeichnung »Papsttum« für die Institution auf.
Im Mittelalter gerät das Papstamt in unruhiges Fahrwasser. Römische Adelshäuser streiten sich um die Besetzung der Kathedra Petri. Könige und Kaiser versuchen Einfluss zu nehmen auf die Kirche. Der Investiturstreit im 11. Jahrhundert und die Bulle »Unam sanctam«, mit der Bonifaz VIII. 1302 die päpstliche Universalherrschaft auch in weltlichen Angelegenheiten durchzusetzen suchte, gehören ebenso in diese Zeit wie das Exil von Avignon und das darauf folgende Abendländische Schisma. Von 1309 bis 1377 sind die Päpste in der südfranzösischen Stadt Avignon. Dort stehen sie unter dem Einfluss des französischen Königs. Nach dem Tod Gregors XI. 1378, der auf Drängen der heiligen Katharina von Siena wieder nach Rom zurückgekehrt war, kommt es zum Streit in der Kurie. Französische Kardinäle erkennen die Wahl Urbans VI. nicht an und wählen in Avignon den Gegenpapst Clemens VII. Erst auf dem Konzil von Konstanz 1417 kann der Streit beigelegt werden.
Investiturstreit: Streit zwischen weltlichen und geistlichen Machthabern um die Einsetzung von Priestern.
Der Beginn der Neuzeit ist für das Papsttum mit einem neuen schmerzlichen Konflikt verbunden. Mit der Reformation verliert die katholische Kirche ab Ende 1517 einen großen Teil ihres Einflusses in Nord-, Mittel- und Osteuropa. In der Gegenreformation gelingt es der römischen Kirche, ihre Hierarchie zu stärken, den Machtverlust kann das aber nicht ausgleichen. Zumal mit der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert der Einfluss des Papsttums auch in katholischen Ländern immer mehr zurückgeht. Als dann auch noch der Kirchenstaat zunehmend schrumpft und mit dem Einmarsch italienischer Truppen in Rom 1870 ganz von der Weltkarte verschwindet, scheint das Papsttum am Ende, ohne jede politische Bedeutung. Doch unter dem Eindruck der schwindenden äußeren Macht erfährt es eine innerkirchliche Stärkung. Sie gipfelt 1870 in der Formulierung des Jurisdiktionsprimats und der Unfehlbarkeit des Papstes auf dem I. Vatikanischen Konzil.
Ulrich Richental, Konzilssitzung im Konstanzer Münster
Mit den Lateranverträgen und der Gründung des Vatikanstaats 1929 wird die Unabhängigkeit des Papstes auch physisch wieder sichtbar. Schnell gewinnt er politische Macht zurück, die sich aber nicht auf Divisionen, sondern auf die moralische Autorität gründet. Das II. Vatikanische Konzil bestätigt die herausragende Stellung des Papstes als oberstem Lehrer und Hirten der Kirche, bindet ihn aber ein in das Kollegium der Bischöfe, die zusammen mit dem Papst die gleiche außerordentliche Macht der Unfehlbarkeit und des Primats besitzen.
Gleich acht Titel vereint der Papst auf sich. Er ist Bischof von Rom, Stellvertreter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten und oberster Bischof (Pontifex) der Universalkirche. Er ist Primas Italiens, Erzbischof und Metropolit der römischen Kirchenprovinz und Souverän des Staats der Vatikanstadt. Schließlich ist er Diener der Diener Gottes, ein Titel, der auf Papst Gregor den Großen zurückgeht und in vielen päpstlichen Dokumenten verwendet wird.
Papst Benedikt XVI. hat zur Überraschung vieler im Jahr 2006 den Titel »Patriarch des Abendlandes« abgelegt, den der Bischof von Rom traditionell seit dem 7. Jahrhundert trug. Offiziell wurde der Schritt als ökumenische Geste bezeichnet; doch gerade die orthodoxen Kirchen kritisierten den Vorgang, der vor allem zwei Gründe hatte. Zum einen trägt er der Entwicklung der katholischen Kirche Rechnung, die nicht mehr nur im traditionellen Abendland verbreitet ist, sondern heute...