Ist ein Fohlen von der Mutter getrennt worden, spricht man generell von einem Absetzer. Bereits am 1. Januar des Jahres nach der Geburt des Fohlens gilt das Pferdekind aber schon als Jährling. Dabei ist es gleichgültig, ob das Fohlen im März oder November des vergangenen Jahres zur Welt gekommen ist. In den Herbst hineingeborene Fohlen werden darum schon mit zwei oder drei Monaten als Jährlinge bezeichnet. In der Regel bedeckt man die Stuten aber im Frühjahr oder Frühsommer, sodass die Fohlen vorzugsweise im April oder Mai zur Welt kommen. Somit sind die Jährlinge im Januar des nächsten Jahres etwa ein Dreivierteljahr alt, im November desselben Jahres jedoch schon gut anderthalb Jahre.
Wenn hier von Jährlingen die Rede ist, sind aber immer diejenigen Fohlen gemeint, die bereits abgesetzt – also mindestens ein halbes bis Dreivierteljahr alt – sind, unabhängig vom 1. Januar als Stichtag. Die vorgestellten Lektionen sind also für Pferde gedacht, die unabhängig von der Mutter und mindestens sechs bis acht Monate alt sind.
Mit einem Absetzer oder Jährling können die meisten Pferdebesitzer am wenigsten anfangen. Dabei ist gerade diese Zeit für die Entwicklung des jungen Pferdes besonders wichtig. Doch solange die jungen Tiere noch nicht longiert oder geritten werden können, sind die Besitzer oftmals ratlos, was sie mit den Pferden unternehmen könnten. Der Grund dafür liegt einfach darin, dass es kaum gelehrt wird, welche Lektionen man bei einem noch nicht angerittenen Pferd bereits durchführen kann. Diese Ohnmacht führt dann auch häufig dazu, dass ein Training in diesem Alter als „Kinderarbeit“ abgetan und deshalb verpönt wird. Aber sperren wir unsere Kinder, solange sie noch nicht zur Schule gehen, in ein Zimmer ein und warten, bis sie alt genug für die Schule sind? Oder bereiten wir sie auf die Schule und das Leben vor, indem wir mit ihnen spielen, in den Zoo gehen und ihnen die Tiere zeigen, ihnen beibringen, mit dem Löffel zu essen usw.? Lehren wir sie beispielsweise nicht, fremden Leuten zur Begrüßung die Hand zu geben und dass sie sich auch sonst anständig benehmen? Genau darum geht es auch in der Erziehung und Ausbildung des abgesetzten Fohlens, das nun praktisch im Vorschulalter ist und eine Menge Dinge lernen kann, bevor es tatsächlich zur Arbeit herangezogen wird.
Ohne Begleitung der Mutter können Absetzer selbst bei bekannten Aufgaben Unsicherheit entwickeln.
Hat man den Grundstein für eine gute Erziehung bereits im Saugfohlenalter gelegt, wird diese Aufgabe nicht besonders schwer sein, allerdings muss man auf Verhaltensänderungen des jungen Pferdes gefasst sein, die völlig normal sind. Man darf sich aber nicht wundern, wenn Übungen und Lektionen, die als Saugfohlen schon wunderbar funktioniert haben, plötzlich nicht mehr klappen. Man muss wissen, dass das Fohlen einen Entwicklungsprozess durchläuft, der vergleichsweise schnell vonstatten geht. Man sieht dies sehr deutlich am Wachstum des Pferdes. Die Auswirkungen dieses Prozesses betreffen aber nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche des Pferdes. Der wichtigste Aspekt, den diese Phase der Entwicklung und des Lernens prägt, ist die geforderte Selbstständigkeit des jungen Pferdes, weil die Mutterstute als Sicherheit nicht mehr vorhanden ist. Man wird bald merken, dass dies zu einem Problem werden kann. Es gibt dem Ausbilder möglicherweise das Gefühl, nun mit der Erziehung und Ausbildung wieder von vorne beginnen zu müssen, was viele entmutigt. Doch die Vorarbeit mit dem Saugfohlen ist trotzdem von unschätzbarem Wert. Würde der Absetzer die Lektionen noch nicht kennen, wären die Schwierigkeiten doppelt so groß, denn die Unsicherheit des Alleinseins koppelt sich mit grundsätzlichem Unwissen: keine guten Lernvoraussetzungen! Man wird Widersetzlichkeiten erwarten müssen, die angesichts der mittlerweile erreichten Stärke und Geschicklichkeit des Fohlens Probleme bereiten werden. Damit setzt man das erworbene Vertrauen aufs Spiel und Vertrauen ist niemals wieder so einfach aufzubauen wie im Saugfohlenalter.
Eine artgerechte Aufzucht und Haltung ist die Voraussetzung, um ein körperlich und geistig agiles Pferd heranzuziehen.
Die artgerechte Haltung des Absatzfohlens ist selbstverständlich die Voraussetzung, um ein körperlich und geistig agiles Pferd heranzuziehen. Die richtige Fütterung, die medizinische Versorgung (Wurmkuren, Impfungen) sowie regelmäßige Hufpflege dürfen auch weiterhin nicht vernachlässigt werden. Sie sind die Grundlage für die Gesundheit, aber auch für eine gute Erziehung und Ausbildung. Hierzu gehört freilich auch weiterhin die Gesellschaft Gleichaltriger sowie älterer Artgenossen. Wenn das Absatzfohlen nach genügend langer Trennungsphase zum heimatlichen Stall zurückkehrt, muss es neu in die dortige Herde integriert werden. Sind allerdings nun keine gleichaltrigen Weidegefährten mehr vorhanden, beginnt eine schwere Zeit für das junge Pferd. Jährlinge sind – obwohl von der Mutter abgesetzt – immer noch Kinder. Sie lernen weiterhin wie Kinder von den älteren Pferden und haben das Bedürfnis, zu spielen, ihre Kräfte zu messen und herumzutollen. Die Forderung nach gleichaltrigen Artgenossen wird noch längere Zeit bestehen. Man muss bedenken, dass Pferde erst mit etwa sechs Jahren erwachsen sind!
Hat man sich dazu entschlossen, einen Absetzer oder Jährling zu kaufen, sollte man die Aufzuchtbedingungen des Züchters unbedingt unter die Lupe nehmen. Konnte das Saugfohlen mit Gleichaltrigen zusammenleben? Wurde ihm genügend Auslauf gewährt? Hat es die notwendigen Impfungen und Wurmkuren erhalten? Wurden die Hufe laufend kontrolliert? Wie sieht es mit der Fütterung aus? Viele Fragen, die für den weiteren Lebensweg sehr entscheidend sind, denn was im Saugfohlenalter versäumt worden ist, kann oftmals nicht wieder aufgeholt werden!
Eine gute Aufzucht ist die Grundlage für ein späteres gesundes Leben.
Wer ein Fohlen aus schlechter Aufzucht gekauft hat, das weder genügend versorgt worden ist noch die Grundkenntnisse der Erziehung erfahren hat, wird es mit seinem Absetzer nicht leicht haben. Problematisch wird es, wenn das junge Pferd bereits gesundheitlichen Schaden erlitten hat. Aufzuchtsünden schleppt ein Pferd sein ganzes Leben lang mit.
Ein Pferd leidet unter den Folgen einer schlechten Aufzucht ein Leben lang.
Wenn die Erziehung im Saugfohlenalter vernachlässigt worden ist, hat man viel Nachholbedarf. Es wird schwierig, aber nicht unmöglich, ein mehr oder weniger „wildes“ Pferd noch entsprechend zu erziehen und auszubilden. In jedem Fall ist dies keine Aufgabe für einen unsicheren und ängstlichen Menschen, sondern setzt bereits entsprechende Erfahrung voraus. Fehler in der Erziehung rächen sich später immer, doch eine fachkundige Hand kann selbst ein zwei- oder dreijähriges Pferd noch „hinbiegen“. Will man jedoch mehr Freude an seinem Pferd haben, ist es besser, sich zur rechten Zeit mit den richtigen Dingen zu befassen. Die Kinder- und Jugendzeit des Pferdes im Alter von einem halben bis zwei Jahren sollte man deshalb nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Das Ausbildungsziel beim Jährling besteht in erster Linie darin, die Beziehung zwischen Mensch und Tier zu festigen. Dabei ist es nicht so wichtig, was man tut, sondern dass man etwas tut.
Die Anforderungen an den Jährling sind nicht hoch, wenn er als Saugfohlen die notwendigen Kenntnisse erlernt hat. Trotzdem muss man die Fohlenlektionen immer wieder auffrischen, um sie zu festigen beziehungsweise in neuen Situationen (ohne Beisein der Mutter) zu üben.
Es ist im Alter von einem Jahr nicht so wichtig, was man mit dem Pferd tut, Hauptsache ist, dass man etwas unternimmt. Das große Ziel der Ausbildungszeit im ersten und zweiten Lebensjahr ist, die Beziehung und das Vertrauen des jungen Pferdes zu festigen. Dabei gibt es jede Menge zu tun. Viele Dinge hat das Absatzfohlen schon gelernt, und diese dienen nun dazu, das Vertrauen und die Bindung zu stärken. Und wem bewusst ist, wie wichtig das Vertrauen des Pferdes und die Beziehung zu ihm das ganze Pferdeleben lang ist, kann ermessen, wie nützlich die Zeit nach dem Absetzen sein kann.
Vorweg soll aber auch vor allzu großem Eifer gewarnt werden. Es ist grundsätzlich richtig und gut, mit jungen Pferden viel zu unternehmen. Alle Aufgaben aber, die das Pferd geistig beanspruchen, dürfen höchstens 15 Minuten lang geübt werden. Das Jungpferd kann sich noch nicht länger konzentrieren. Wird es überfordert, klappt die Übung nicht mehr und das Pferd wird zappelig. Dann muss man mit einem schlechten Ergebnis aufhören, was der allgemeinen Ausbildung nicht zuträglich ist. Weniger ist deshalb mehr. Das bedeutet nun aber nicht, sich nur für eine Viertelstunde beim Pferd blicken zu lassen. In der Regel wird 10 bis 15 Minuten intensiv und konzentriert gearbeitet, weitere 15 Minuten widmet man sich den bisher zur Routine gewordenen Aufgaben, der Rest besteht aus Streicheln, Kraulen und Reden – einfach Beisammensein!
Natürlich dürfen einem Jährling auch noch keine zu hohen...