1. Einleitung
Die vorliegende Bachelor-Arbeit befasst sich mit dem Thema leichte Körperstrafen in der Kindererziehung, im häuslichen Kontext in der Schweiz. In diesem Kapitel wird einleitend ein Überblick über die gesamte Arbeit geschaffen. Zunächst wird die Ausganglage und die daraus resultierenden Fragestellungen präsentiert. Daraufhin wird die Zielsetzung beschrieben und Adressatinnen und Adressaten benannt. Im Anschluss an die Themeneingrenzung findet ein Überblick über den Aufbau dieser Arbeit statt.
1.1. Ausgangslage
Das Thema leichte Körperstrafen in der Kindererziehung ist überaus aktuell, zumal es keine explizite Bestimmung im schweizerischen Gesetz gibt, welche diese im häuslichen Kontext verbietet (Stiftung Kinderschutz Schweiz, 2016). Die Vorstellungen darüber, in welchem Ausmass leichte Körperstrafen gegenüber Kinder als zulässig anerkannt oder zumindest toleriert werden sollte, unterzogen sich zunehmend einem gesellschaftlichen Wandel (Remo H. Largo, 2004, S. 333-339). Viele Autoren und Autorinnen1 betonen, dass ein Recht auf Körperstrafen nicht mit dem Wohl des Kindes vereinbar ist.
Sowohl auf kommunaler, kantonaler wie auf Bundesebene wurde viel darüber diskutiert, mit welchen Mitteln sich Kindeswohlgefährdungen am besten präventiv vermeiden lassen. Zuletzt wurde am 18. Juni 2015 von Nationalrätin Chantal Galladè, SR 15.3639, die „Abschaffung des Züchtigungsrechtes“ in einer Motion verlangt. Der Bundesrat erachtete im August 2015 aber eine explizite Bestimmung als nicht notwendig, weil er befand, dass die aktuelle Rechtslage ausreiche. Daher beantragte er die Ablehnung dieser Motion (Stellungnahme des Bundesrates vom 19. August 2015). Andere Vorstösse in ähnlicher Weise blieben auch in den Jahren zuvor erfolglos2.
Eine Studie der Universität Fribourg konnte zwar bezüglich des Ausmasses zwischen 1990 und 2004 eine leichte Abnahme von leichten Körperstrafen feststellen, jedoch zeigten die Eltern weniger Zweifel und Reue gegenüber Körperstrafen (Dominik Schöbi & Meinrad Perrez, 2004, S. 41).
Die Kinderrechte gehören zu den Menschenrechten, die für Professionelle der Sozialen Arbeit als Fundament für ihr Handeln dienen. Prävention und Früherkennung können als Handlungsoptionen hinzugezogen werden, um die Rechte zu erfüllen (AvenirSocial, 2010). Für Silvia Staub-Bernasconi (2007a) ist die gesetzliche Legalisierung von Gewalt an Kindern ein soziales Problem für die Soziale Arbeit (S. 9). Die Soziale Arbeit ist eine Disziplin, die sich auf Gerechtigkeit und Chancengleichheit bezieht (Berufskodex (BK), 7.3, 10.3). Aus ethischer Perspektive kann sie darum ihrer Früherkennungsfunktion gar nicht ausweichen. Zu ihrem Selbstverständnis gehört es, Belastungen abzubauen und Risiken zu mildern (BK. 7.1). Um Kinder langfristig vor körperlichen Bestrafungen zu schützen, ist Prävention als Hauptstrategie sehr wichtig (Susanne Kurz, 2015, S. 23). Eine geeignete Vorsorge vermeidet teure und langwierige Nachsorge und verfolgt auch gemäss Martin Hafen (2014a) das Ziel, zukünftige Probleme zu verhindern, ehe sie auftreten (S. 22). Die Prävention ist somit ein geeigneter Ansatz, da sie zu verhindern versucht, dass Kinderrechte verletzt werden.
1.2. Fragestellung
Vor diesem Hintergrund stellt sich für die Praxis der Sozialen Arbeit folgende Frage:
Welchen Beitrag kann die Soziale Arbeit in den Bereichen Prävention und Früherkennung, bei leichten Körperstrafen in den ersten Lebensjahren in der Kindererziehung im familiären Kontext in der Schweiz, leisten?
Daraus ableitend stellen sich vier Detailfragen:
- Wie werden leichte Körperstrafen definiert?
- Welche Folgen haben leichte Körperstrafen und inwiefern wird das Kindeswohl durch leichte Körperstrafen verletzt?
- Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind bezüglich leichter Körperstrafen in der Kindererziehung in der Schweiz gegeben?
- Was sind Einflussfaktoren und Anzeichen für leichte Körperstrafen in der Kindererziehung in den ersten Lebensjahren im familiären Kontext im Hinblick auf präventive Massnahmen?
1.3. Zielsetzung, Adressatinnen und Adressaten
Diese Arbeit soll einen Beitrag zur Sensibilisierung leisten und dabei helfen, gesellschaftliche Normen und Werte zu reflektieren. Es soll herausgefunden werden, was Professionelle der Sozialen Arbeit bezüglich Prävention und Früherkennung bereits leisten und welche Handlungsoptionen in Bezug auf leichte Körperstrafen bestehen.
Die Bachelor-Arbeit richtet sich an Professionelle der Sozialen Arbeit, welche in den Bereichen Prävention und Früherkennung tätig sind. Weiter richtet sie sich an Fachleute in sozialen Institutionen, wie etwa in Familienberatungsstellen, in Kindergärten und Kinderkrippen sowie an Mitarbeitende der Sozialen Arbeit in der Schule. Selbstverständlich werden auch Studierende, Eltern und andere interessierte Personen eingeladen, aus den Erkenntnissen dieser Arbeit zu profitieren.
1.4. Abgrenzung der Arbeit
Diese Fachliteraturarbeit, welche sich auf deutschsprachige Literatur abstützt, betrachtet hauptsächlich die Sachverhalte in der Schweiz. Sie befasst sich bewusst mit leichten respektive milden3 Körperstrafen bei Kindern im Alter zwischen 0 und 5 Jahren, welche von ihren Eltern ausgeübt werden. Der Grund für die Auswahl dieser Altersspanne liegt darin, dass viele Ereignisse von Kindeswohlgefährdung bereits im Säuglingsalter stattfinden (Simone Carolin Botzenhart, 2013, S. 2). Da Kleinkinder und Säuglinge noch wenige Kontakte zum ausserfamiliären Umfeld haben und sich meistens selbst noch nicht äussern können, erscheint Prävention und Früherkennung als besonders relevant (ebd.). Viele Autoren und Autorinnen erwähnen leichte Körperstrafen oftmals nur am Rande, obwohl gerade diese den Weg in schwerere Ausmasse ebnen können (Judith Wyttenbach, 2003a, S. 769).
Formen wie sexuelle Gewalt, Tötungsdelikte, schwere Kindesmisshandlungen, soziale Vernachlässigung, Körperstrafen im Schulsystem und in Pflegefamilien werden im Rahmen dieser Arbeit ausgeschlossen. Diese Bereiche sind durch Faktoren bedingt, die nicht im direkten Zusammenhang mit leichten Körperstrafen in der Kindererziehung im häuslichen Kontext stehen. Sie müssten darum eigenständig bearbeitet werden.
Es wird erwähnt, wie das Kindeswohl mit gesetzlichen und behördlichen Kindesschutzmassnahmen gewährleistet wird. Es wird jedoch nicht vertieft darauf eingegangen, weil leichte Körperstrafen an Kindern zufolge Wyttenbach (2003a) nur selten zu behördlichen Massnahmen führen (S. 769). Die Begriffe Kindeswohl und dessen Gefährdung werden im Blickwinkel auf die präventiven Massnahmen und Instrumente der Prävention und Früherkennung definiert. Die Themen Frühbehandlung und Behandlung von Kindeswohlgefährdung werden am Rande thematisiert, da sonst der Rahmen dieser Arbeit gesprengt werden würde. Leichte Körperstrafen können emotionale und psychische Folgen für kleine Kinder haben und auch gemeinsam mit emotionalen Bestrafungen auftreten (Franz Moggi, 2005; zit. in Moonki Hong, 2016, S. 115). Aufgrund dessen werden diese Formen nicht ausgeklammert. Psychische respektive emotionale Bestrafungen in der Kindererziehung (Hausarrest, Liebesentzug) gehören jedoch nicht zum primären Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Ich befasse mich in der vorliegenden Arbeit interessehalber mit der systemischen Präventionstheorie von Martin Hafen und grenze mich von anderen Modellen, wie etwa das von Gerald Caplan entwickelte Modell ab. Die unterschiedlichen Präventionsarten, welche im Zusammenhang des Zeitpunkts einer Intervention unterteilt werden, nämlich in Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention (Caplan, 1964; zit. in Franz Ziegler, 2005, S. 15) werden nicht betrachtet.
Da sich diese Bachelor-Arbeit auf leichte Körperstrafen an kleinen Kindern zwischen 0 bis 5 Jahren bezieht, werden neben Sozialarbeitende, Sozialpädagogen- und Pädagoginnen, Soziokulturelle Animateure- und Animateurinnen auch andere Berufsgruppen, wie Kleinkinderzieher-/innen, Hebammen, Entbindungshelfer, Heilpädagogen und Heilpädagoginnen, Pflegekräfte und Ärzte-/innen, Väter- und Mütterberater-/innen sowie andere Berufsgruppen, die mit Familien mit kleinen Kindern in Berührung kommen, angesprochen. Organisationen, wie beispielsweise Kindergärten, Kindertagesstätten, Schulen, Sozialdienste, Kinderheime, Beratungsstellen, Arztpraxen oder Spitäler zählen zu den Orten, welche in dieser Arbeit eine wichtige Rolle spielen, weil sie Schnittstellen für Professionelle der Sozialen Arbeit bilden. Bewusst wird darum auf die Nennung spezifischer Organisationen verzichtet. Dadurch soll deutlich werden, dass Soziale Arbeit als Profession sich sowohl mit institutionellen Fragen auseinandersetzt, sich aber auch mit anderen Berufsfeldern vernetzt und Informationen austauscht (vgl. Kap....