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E-Book

Positive Supervision und Intervision

AutorFredrike P. Bannink
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl239 Seiten
ISBN9783844428049
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Was funktioniert nicht? Woran liegt das? Wie kann das Problem gelöst werden? Die traditionelle Supervision und Intervision orientieren sich meist an diesen Fragen. Der Schwerpunkt liegt vor allem auf Problemen, Fehlentwicklungen, Stagnationen und Sackgassen, eher selten auf den bereits erzielten Erfolgen. Positive Supervision und kollegiale Beratung stellen dagegen die Fragen: Was funktioniert gut? Wodurch gelingt das? Wie lässt sich im Weiteren darauf aufbauen? Positive Supervision und Intervision sind kompetenzorientiert: Es geht darum, Kompetenzen aufzuspüren, daran zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln. Das Buch umreißt zunächst die theoretischen Hintergründe und die praktischen Anwendungsmöglichkeiten der positiven Supervision und kollegialen Beratung und geht ausführlich auf die vier Pfeiler der positiven Supervision und Intervision ein: Die Zielformulierung, das Finden von Kompetenzen, die Arbeit am Fortschritt und die Reflexion. Schritt für Schritt wird erläutert, wie Ziele positiv formuliert, wie Stärken und Kompetenzen identifiziert, wie Weiterentwicklungen angeregt, wie Reflexionen unterstützt und wie Rückmeldungen gegeben werden können. Zahlreiche Fallbeispiele veranschaulichen das Vorgehen, Übungen und Materialien geben Anregungen für die praktische Umsetzung. Das Buch liefert damit einen systematischen Supervisionsansatz, der Anregungen für alle Personen gibt, die in der Psychotherapie, im Coaching oder in der Mediation ihren Kollegen Supervision geben, die in einer Organisation die Rolle des Supervisors übernehmen, um ihre Kollegen zu supervidieren, oder die als Lehrkraft oder Coach im schulischen Bereich oder im Sport als Supervisor tätig sind.

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Leseprobe

|9|Einleitung


Sie haben Hunger und beschließen, ein Restaurant aufzusuchen. Nachdem Sie eine Weile gewartet haben, wird Ihnen ein Platz zugewiesen. Der Ober stellt sich vor und beginnt, Sie zu Ihrem Hunger zu befragen: Wie groß ist Ihr Hunger, wie kommt es dazu, dass Sie Hunger haben, wie lange haben Sie schon Hunger, hatten Sie früher auch Hunger, welche Rolle hat der Hunger in Ihrer Herkunftsfamilie gespielt, welche Nachteile und möglicherweise Vorteile hat er für Sie?

Wenn Sie – inzwischen noch hungriger geworden – darum bitten, endlich essen zu können, möchte der Ober, dass Sie erst einige Fragebögen über Hunger (und vielleicht auch andere Themen, die ihm wichtig erscheinen) ausfüllen. Wenn das alles erledigt ist, bekommen Sie ein Menü serviert, das nicht Sie selbst ausgewählt haben, sondern der Ober für Sie zusammengestellt hat, und das sich bereits bei anderen hungrigen Menschen bewährt hat. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Sie dieses Restaurant zufrieden verlassen?

Forschungsarbeiten haben ergeben, dass Affen aus Erfolgen mehr lernen als aus Misserfolgen (Histed, Pasupathy & Miller, 2009). Der Grund dafür ist, dass immer dann, wenn die Affen Aufgaben erfolgreich ausführen, neue neuronale Netzwerke angelegt werden. Wir nennen das neuronale Plastizität. Bei Misserfolgen werden keine neuen Netzwerke gebildet. Die Biologen, die diese Forschungsarbeit durchgeführt haben, gehen davon aus, dass dasselbe auch für Menschen gilt. Damit ist die Vorstellung, wir würden am meisten durch unsere Fehler lernen, wahrscheinlich überholt.

Vergleichen Sie das einmal mit der Zubereitung von Mahlzeiten. Wie sorgen Sie dafür, dass Sie, wenn Freunde oder Familienangehörige zum Essen kommen, ein Gericht auf den Tisch bringen, bei dem sich alle die Finger ablecken? Nutzen Sie dabei Ihr Wissen über misslungene Gerichte? (Ich gehe davon aus, dass wir alle schon einmal mit Misserfolgen in der Küche zu tun hatten.) Natürlich nutzen Sie dieses Wissen: „Ich habe zu viel Chilisalz verwendet“ oder „Das Gericht war nicht lang genug im Backofen.“ Wahrscheinlich nutzen Sie aber vor allem Ihr Wissen über frühere Erfolge: „Wie habe ich beim letzten Mal dieses Gericht gleich wieder gemacht? Wodurch war es damals so besonders gut?“ Diesen Erfolg können Sie wiederholen oder mit neuen Kreationen ausweiten.

Finden Sie in Kochbüchern oder im Internet gelungene oder misslungene Rezepte (die daraufhin verbessert wurden)? Es lassen sich ein paar Geschichten darüber finden, wie ein misslungen geglaubtes Essen doch noch gerettet werden |10|konnte, aber es ist eher unwahrscheinlich, dass sich ein misslungenes Gericht nach einigen Rettungsmaßnahmen in ein sehr feines Essen verwandeln lässt. Daraus kann man schlussfolgern, dass Sie wahrscheinlich am meisten durch eigene Erfolge oder die Erfolge anderer lernen und weniger durch eigene und fremde Fehlversuche.

Bei der traditionellen Supervision/Intervision werden vor allem Probleme, wunde Punkte, Fehltritte, Stagnationen und Sackgassen thematisiert und selten oder nie Erfolge. Man orientiert sich am Paradigma des Problem-Solving: Was funktioniert nicht, woran liegt das und wie kann das repariert werden? Bei der positiven Supervision/Intervision wurde dieses Modell durch das Solutions-Building-Paradigma ersetzt: Was funktioniert gut, wodurch gelingt das und wie lässt sich im Weiteren darauf aufbauen?

Die Rolle der Supervisoren ändert sich entsprechend: Aus Problem-Solvers werden Solutions-Builders. Statt Ratschläge aus der Expertenrolle heraus zu geben, stellen sie Fragen, um die Supervisanden/Intervisanden dazu einzuladen, ihre eigene Expertise zu entdecken und optimal einzusetzen. Die Positive Psychologie fragt nicht „What’s wrong with you?“, sondern „What’s right with you?“ Was sind Ihre Stärken, über welche Kompetenzen und positiven Charaktereigenschaften verfügen Sie? In der lösungsfokussierten Therapie wird nicht herausgearbeitet, was nicht funktioniert hat, sondern die Frage gestellt: „Was hat funktioniert?“ Ein weiterer Vorteil ist, dass die Supervisanden/Intervisanden gleichzeitig das so erworbene Paradigma in ihrer eigenen Arbeit anwenden können.

Positive Supervision/Intervision ist kompetenzorientiert: Es geht darum, Kompetenzen aufzuspüren und daran zu arbeiten, weiterzukommen und sich weiterzuentwickeln. Das lässt sich mit dem Finden und Anwenden von Erfolgsrezepten vergleichen, wie es weiter oben beschrieben ist.

Dass ich dieses Buch geschrieben habe, hat vor allem damit zu tun, dass ich mir wünsche, Supervision und Intervision mögen besser, sinnvoller und vor allem erfreulicher gestaltet werden, sowohl für die Supervisanden und Intervisanden als auch für die Supervisoren.

Meine Vorstellung wäre, dass Supervisanden sich auf ihre Supervision freuen, anstatt sich – wie das manchmal der Fall ist – vor der Supervision zu fürchten oder aus Pflicht die Veranstaltung auszusitzen. Intervisanden sollten ihre Intervision genießen können, anstatt sich vor Kritik zu fürchten oder sich schutzlos ausgeliefert zu fühlen. Am Ende eines jeden Treffens sollten sie aufgeweckt und zufrieden ihrer Wege gehen und dabei ein im Entstehen begriffenes Empfinden von Kompetenz in sich tragen und nicht das einer wachsenden Unsicherheit.

Die Arbeitsfreude der Supervisoren und Supervisanden/Intervisanden kann durch den positiven Fokus weiter gesteigert werden. So überrascht es kaum, dass Studien |11|belegen, dass das Solutions-Building-Modell bei Menschen in helfenden Berufen zu weniger Burnout führt, eine nicht unbedeutende Tatsache für Supervisanden/Intervisanden und Supervisoren (Visser, 2012; Medina & Beyebach, 2014).

„Davon ausgehend, dass Sie sich in der Ausbildung befinden, um einen Beruf zu erlernen, den Sie von Herzen anstreben, ist Supervision auch ein Moment, um die gemeinsame Begeisterung für das Fach zu teilen. Die Supervision wird damit zu einem schönen Extra in der Ausbildung. Außerdem funktioniert die Beschäftigung mit einer geteilten Leidenschaft wie ein Verstärker, der noch mehr Lust auf die Arbeit macht. Ich bekam buchstäblich Lust, zu meiner Supervision zu rennen, um neue Entwicklungen und erlebtes Wachstum mit meinem Supervisor zu teilen. Dieser machte einmal, nachdem wir uns begeistert über eine angewandte Technik ausgetauscht hatten, die Bemerkung: ,Und, was glauben Sie, wer war am meisten erstaunt, dass es so gut funktionierte,
Sie oder Ihr Klient?‘“

Worum genau geht es in diesem Buch? Es werden zum einen die theoretischen Hintergründe und die praktischen Anwendungsmöglichkeiten der positiven Supervision/Intervision umrissen. Zum anderen wird ausführlich auf die Theorie und die vier Pfeiler der positiven Supervision und Intervision eingegangen: Die Zielformulierung, das Finden von Kompetenzen, die Arbeit am Fortschritt und die Reflexion. Näher betrachtet werden die Art der Beziehung und die Form der Zusammenarbeit zwischen Supervisor und Supervisand sowie die der Intervisanden untereinander. Weiter werden verschiedene praktische Angelegenheiten erörtert und häufig gestellte Fragen und Antworten sind in einem Kapitel zusammengefasst. In dem Buch finden Sie außerdem viele Übungsmöglichkeiten und Fallbeispiele. Zudem berichten Supervisanden über ihre persönlichen Erfahrungen mit der positiven Supervision.

Für wen ist dieses Buch? Dieses Buch ist für all diejenigen gedacht, die (auch einmal) die Rolle des Supervisors in Unternehmen der freien Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst übernehmen, zum Beispiel erfahrene Mitarbeiter, die einem Junior-Kollegen oder Junior-Trainee Supervision geben. Dieses Buch wurde auch für Menschen geschrieben, die in der Psychotherapie, im Coaching oder der Mediation ihren Kollegen Supervision geben. Und es eignet sich für alle Menschen, die im schulischen Bereich oder im Sport supervidieren, beispielsweise die Lehrkraft, die einen Schüler, oder der Sportcoach, der Nachwuchstalente supervidiert. Dieses Buch ist außerdem für alle Supervisanden (die es ihrem Supervisor mit der Bemerkung „Es gibt jetzt auch positive Supervision“ schenken können) und alle Intervisanden gedacht, damit sie ihre Kompetenzen erweitern und ihre Arbeitsfreude steigern können. Das Buch wendet sich auch an alle Menschen, die unzufrieden sind mit dem derzeitigen Stand der Dinge im Bereich der Supervision und Intervision. Und schließlich wurde es für alle Menschen geschrieben, die hinreichend neugierig sind, erkunden zu wollen, wohin das Konzept der positiven Supervision/Intervision führen kann.

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