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Seine Hoheit - der Kohlentrimmer

Die Kriegsheimfahrt des Herzogs Heinrich Borwin zu Mecklenburg

AutorJohann zur Plassow
Verlagepubli
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl85 Seiten
ISBN9783745002003
Altersgruppe18 – 99
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Der Herzog, der als naturfreudiger Sportsmann viele Monate im Jahr in einem gewaltigen Naturpark, nahe der mexikanischen Grenze verbringt, erlebt völlig überraschend den Ausbruch des Weltkrieges. Der bedrohten Heimat zu Hilfe eilend, wird ihm die Rückkehr durch Aussetzen eines Kopfgeldes erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Trotzend aller Gefahren und Schwierigkeiten, lässt der Herzog nichts unversucht, um in die Heimat zu gelangen.

Pseudonym von Eberhard von Puttkamer (1869-1930)

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Leseprobe

Von Arizona bis New Yorck


Wild-West Arizona. — Prärieleben. — Der Tag eines Cowboy. — Mein Abenteuer mit der roten Kuh. — Mein Klubfreund aus New York und mein ranchboss. — Wir reiten nach Marquez. — Im saloon von Marquez erfahre ich den Kriegsausbruch. — Auf in die Heimat. — Nach San Francisco. — 2000 Lstr. von England auf meinen Kopf gesetzt. — Die unterlassene Abreise auf der Brigg. — Von Detektivs beobachtet. — Ritte in Texas. — Verfolgte Verbrecher in Texas. — Kann von New York aus entkommen. — Abreise nach New York mit dem Expreßzug. — Durch Newada, Utah, Wyoming — die Hölle auf Rädern — nach der Hauptstadt des Ostens.

 

In dem gewaltig-wilden Gebiet von Arizona, im Südwesten der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, lebte ich meinen sportlichen und jagdlichen Neigungen vor Ausbruch des Weltkrieges. Diese weiten urwüchsigen Landstrecken, die nur ein kurzes Gras, Busch und Knüppelholz wuchern lassen, haben immer einen einladenden Reiz auf mich ausgeübt. Der Gefahr eiskalt ins ebenso kalte Auge blicken zu können, ist für mich stets die höchste Freude des Lebens gewesen.

Die Gebiete sind besonders hervorragend durch die interessante Jagd auf den Coyoten, eine Art Präriewolf, ein Mittelding zwischen Wolf und Hund: ferner jagt man dort Berglöwen — Puma — und die in ganz Amerika jagdbaren Virginia-Hirsche. Tiefe Riesentäler aus Urweltzeit — canion genannt —, vor allem das hochromantische Kolorado-canion, durchziehen die formschöne Landschaft, die nach Süden steil abfällt und im Norden eine weite Hochebene bildet.

Die ganze Gegend wird von zahllosen Viehherden und Pferden bunt belebt. Das Vieh grast wild auf diesen Riesenweiden; nur alle paar Tage einmal machen sich zwei oder drei Reiter gemeinsam auf und reiten los, um zu erforschen, ob das Vieh sich nicht verlaufen hat und ob die Wasserstellen und Wassertröge gefüllt sind.

Sonst kümmert man sich wenig um diese wilden Herden, die trotzdem den fast einzigen Reichtum des Landes darstellen. Das zügellose Leben in dieser primitiven Welt hat ja von jeher auf freiheitliebende Naturen einen unaussprechlichen Zauber ausgeübt. Das Leben in dieser Naturwildnis ist auch eigenartig genug, so daß ich ihm einige Worte widmen möchte. Ich will daher am einfachsten kurz einen solchen Lebenstag von irgend einer wesentlicheren Bedeutung im Leben der Hauptbewohner dieses Landes, der Cowboys, schildern.

Diese Cowboys sind ein eigener Schlag von Menschen: in der Prärie, im Leben und Verkehr mit Pferd und Vieh groß geworden, kennen sie von Jugend auf nur die Kunst des Reitens; außerdem sind sie erstklassige Revolverschützen. Die meisten sind wohl eingeborene Amerikaner, doch finden sich auch manchmal Halbindianer unter ihnen.

Aber was das Merkwürdige und Liebenswerte dabei ist, es finden sich viele Sportsleute der ganzen Welt dort zusammen. Sie suchen die sportlichen Leistungen der Cowboys, die die höchste Vollendung der Reitkunst darstellen, zu erlernen und wollen in der ursprünglichen Lebensform dieser Naturheilanstalt nach den Nervenjagden in den anderen Erdteilen an Leib und Seele gesund werden. So findet man unter anderen auch die zweiten und dritten Söhne englischer Lords unter der bunt aus der ganzen Welt zusammengewürfelten Gesellschaft der Cowboys.

Der Grundzug ihres Wesens ist die Betonung ihrer persönlichen Freiheit und das tief eingewurzelte altmexikanische, ritterliche Wesen. Es wird zu den großen Seltenheiten gehören, daß dort wehrlose Leute angefallen oder gar von hinten erschossen werden. Ich nehme natürlich die Pferdediebe und Prärieräuber aus, die zum gefährlichsten Gesindel der Welt gehören.

Die meist unverheirateten Cowboys wohnen alle zusammen in einer Art Junggesellenheim, in dem so genannten bunkhouse; das sind ebenerdige Häuser, wie überall dort im Land, aus Lehm, Schilf und Häcksel wetterhart zusammengebaut. Nur zwei Räume und eine Küche sind vorhanden, ein Wohnraum und anschließend ein Schlafsaal mit übereinander angebrachten Betten.

Die Küche besorgt ein Chinese. Die angeborene Reinlichkeit dieses Volkes bestimmt es zu diesem Amt, das auch tatsächlich von den Angehörigen der gelben Rasse viel ausgeübt wird.

Bei Tagesanbruch wird aufgestanden, dann, gleich als natürlich erstes Tagewerk, werden die Pferde gefuttert, und zwar nur zunächst die, die man zum Ritt benutzen will und die abends vorher aus der Koppel eingefangen worden waren. Diese Pferde sind keine wilden Pferde mehr, sondern „eingebrochene“ — braking in — d. h. nach Cowboyart in der mexikanisch-spanischen Reitmanier zugeritten und nur auf scharfe Kandare gearbeitet.

Nachdem die Sattellage sehr notdürftig abgeputzt ist und ganz lose angesattelt wird, bleiben die Tiere so im Stall stehen, bis nach dem gemeinsamen Frühstück. Das ist nun ein sehr reichliches und besteht aus Kaffee, Milch, Haferschleimsuppe — porridge oder mash — stark gesalzenem Schinken, Speck und heiß gerösteten Brötchen. Alkohol wird auf anständigen Ranchos wenig getrunken.

Nach dem saftigen Frühstück geht es wieder zu den Pferden, und es wird angegurtet, getränkt und schließlich aufgezäumt zum Ritt in die „Hügel“ — hills. Diese Hügel sind schroffe Höhen mit tiefabfallenden Bergschründen: der Name Hügel ist eine etwas verkleinernde Benennung.

Meist zu Zweit oder zu Dritt wird jetzt langsam bergan getrabt, um das dort grasende Vieh zu Gesicht zu bekommen. Man hat da, wie z. B. heute, die Tagesarbeit, eine Herde Vieh auf eine andere Weide zu bringen. Sowie man das Vieh erspäht hat, teilt man sich und drückt es langsam bergab gegen den Wechsel, den man zu nehmen beabsichtigt. Hat man die Herde in die Gegend des Wechsels gebracht, so fängt man nun schärfer zu drücken an, bis es dann schließlich in windender Fahrt, immer links und rechts an dem Wechsel, in dessen unmittelbarer Nähe man bleiben muß, zu Tal geht.

Es ist Regel, immer dichtauf an dem letzten Stück Vieh zu bleiben: kommt man nur wenige Meter ab, so kann es leicht passieren, daß der Reiter die Fühlung mit dem im Unterholz verschwindenden Vieh verliert. Wochenlanger Arbeit kann es dann bedürfen, um dieser auseinandergerissenen und versprengten Herde wieder habhaft zu werden.

Ich hatte einmal ein eigenartiges Erlebnis, als wir solche Herde zu Tal trieben. Mir fiel eine rote Kuh, die einem Rotschimmel nicht unähnlich sah, auf: ich hielt sie für eine gute Milchkuh und trachtete deshalb danach, sie zu fangen. Kühe sind meiner Erfahrung nach schlauer als Bullen und meist auch gefährlicher.

Ich sah, wie die Kuh, die meine Aufmerksamkeit erregt hatte, sich seitwärts in den Busch drücken wollte, und wie sie dann stehen blieb, um mich vorbeireiten zu lassen. Der Schauplatz des Ereignisses war die Talsohle an einem nicht allzubreiten Flußbett. Ich warf sofort mein Pferd herum mit der Absicht, die Kuh wieder der Herde nachzutreiben.

Kaum hatte das Tier mein Beginnen erspäht, machte es kurz kehrt und versuchte raschestens bergauf zu entkommen. Ich ritt an diesem Tag ein sehr schnelles, indianisches Pony. Da versuchte ich das laufende Tier schleunigst nach oben abzuschneiden. Nach ein paar Minuten toller Hetzjagd überholte ich die Kuh,

und schon blieb sie wieder unschlüssig stehen.

Das war der Augenblick, auf den ich gewartet hatte. Geschwind das Lasso vom Sattel, wo es rechts unterhalb des Sattelknopfes herunterhängt, die Riemen gelöst und wurfbereit zur Hand! Ich ritt das Tier nun an, das sich zur Flucht wendete. In dem Moment, wo die Kuh wieder in den Busch verschwinden wollte, bekam sie mein Lasso über die Hörner.

Schon saß da mein treues Pony auf der Hinterhand: dann das Lasso gestrafft am Sattel befestigt, fuhr ich nun mit dem Vieh in schnellster Fahrt den Berg hinunter und war schon ziemlich unten im Tal wieder angekommen, als es die Beine verlor und sich — holterdiepolter — überschlug.

Sowie ich die Kuh wieder hoch hatte, versuchte ich, sie in die Richtung der Herde zu bugsieren, als sie wieder bergan ausbrechen wollte. Aber ich hielt fest, und das nützte ihr nichts; da sah sie den besseren Teil ihrer Rettung darin, mich mit den Hörnern spießen zu wollen und nahm mich direkt an.

Es begann nun ein launiges Versteckspiel: ich wich den wohl- und immer geradeaus gezielten Stößen aus und ritt dann mit dem Wildling am gestrafften Lasso vorwärts; die Kuh aber drehte sich blitzschnell um und erneuerte dasselbe grausame Spiel mit mir. So ging das Vergnügen hin und her.

Auf einmal galoppierte das Vieh in wildem Tempo direkt auf das Flußbett los. Das paßte mir nun wieder gar nicht: denn mein Bad hatte ich heute früh schon genommen. Da gelang es mir im letzten Augenblick, kurz vor dem Absturz ins Wasser, das Tier herumzukriegen. Das gelockerte, bereite Lasso flog nun von hinten im Schlingwurf der ungebärdigen Dirne um die Beine: stolpernd flog mein Opfer in den Sand, und ich fesselte es nun vollkommen an beiden Hinterbeinen und ließ es liegen, um Hilfe zu holen.

Später wurde die Ausreißerin dann wieder der Herde zugeführt und trottete nun resigniert, mit gesenktem Kopf, von Zeit zu Zeit eine brummende Melodie trällernd, zwischen meinen zwei berittenen Leuten, die sie links und rechts am gestrafften Lasso fest hatten, den heimatlichen Weideplätzen entgegen....

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