MUT ZUM WAGNIS
(Gedankenreflexe des Protagonisten Karl)
Als er nach 42 Arbeitsjahren im Alter von 64 Jahren in Rente ging,
re-aktivierte er ein Hobby aus Jugendtagen, begann spontan mit dem
Schreiben von Büchern. Jedoch an seinem 71. Geburtstag fiel er in ein
tiefes Loch, weil er, von netten deutschen Freundinnen umgeben, keine
fand, welche mit ihm den Ehebund schließen wollte. Da wusste er, dass
es Zeit war Neues zu beginnen und dem Zauber des mutigen Aufbruchs
zu vertrauen. So begab er sich als Einzelreisender in das Reich der Mitte,
um zu finden die Frau fürs Leben, das Geheimnisvolle und das
wunderbar Menschliche.
Willst Du es ihm gleichtun? Sei nicht überrascht, wenn wahre Liebe
Du in der Ferne findest. Immer sind es wohl die Fernen und die Frauen
denen unsere Sehnsüchte folgen. Doch beachte, dass die Wirklichkeit
mehr fordert als nur die Pflege von irgendwelchen Sehnsüchten. Sie
erfordert das Überwinden der Unschlüssigkeit und den Mut ins
Unbekannte aufzubrechen.
DIE ERSTE REISE NACH CHINA
Flug nach Nanning (Provinz Guangxi)
Laut Flugplan der Air China erreicht man die Stadt Nanning von München
aus mit den Flügen CA962 und CA1485, wobei es sich meist so ergibt, dass
der erste Flug ein Direktflug von München nach Peking ist und gut an die
zehn Stunden andauert. In Peking fällt dann meist eine längere Wartezeit an,
bevor der circa dreistündige Weiterflug nach Nanning angetreten werden
kann. Vorweg sei festgestellt, dass der Hauptprotagonist der auf uns
zu- kommenden Geschichten ein gewißer Herr Karl ist, der seine Erlebnisse
dem Autor offenbar machte, damit dieser in jeder Hinsicht wahrheitsgemäß
davon berichten konnte. Karl saß im Flieger mit der Zuordnungsnummer
CA962 und wurde soeben durch ein Ruckeln des Fliegers aus dem Schlaf
geweckt und daran erinnert, dass der Landevorgang auf dem Flughafen
Peking eingeleitet war und die Boing zum Haltepunkt des Terminals 3
hinüberrollte. Bald wird Karls Ausharren in der knapp bemessenen
Sitzreihe ein Ende haben, sodass längst fällige Bewegung wieder für den
nötigen körperlichen Ausgleich sorgen kann. Im Moment freute sich Karl
auf all das, was er auf dem riesigen Pekinger Flughafens so erleben würde.
Über den Bordlautsprecher gab es bereits Durchsagen auf Chinesisch und
Englisch, wobei die meisten der schnell gesprochenen Worte kaum zu
verstehen waren. Nur der stereotype Hinweis, die Sicherheitsgurte erst dann
zu lösen, wenn vom Bordpersonal dazu aufgerufen wird, der blieb im
Gedächtnis haften. Als das Flugzeug noch nicht still stand, lösten bereits
etliche Passagiere recht voreilig die Schnappschlösser ihrer Gurte und nach
erfolgter Durchsage befreiten sich auch all die Anderen von ihren Gurten
und machten sich bereit für das Aussteigen. Als die Passagiere die
Bordfächer geleert hatten, verbreitete sich erhöhte Nervosität und es
begannen wie üblich unliebsame Drängeleien, denn jeder Passagier wollte
möglichst schnell festen Boden unter den Füßen haben. Das Drücken nach
vorne zum Ausstieg nahm erst ab, als die Reisenden offensichtlich begriffen
hatten, dass Aussteigen seine Zeit benötigt und drängeln wenig sinnvoll sein
kann. Langsam ging es voran, doch letztendlich kamen alle nach draußen,
in den Ankunftsbereich des Terminals 3. Dort blickten die meisten der
Passagiere verunsichert umher und benötigten eine Weile, bis sie jene
Informationstafeln entdeckten, die den Weg zu Pass- und
Sicherheitskontrollen anzeigten. Nach erfolgter Orientierungsphase ergab
es sich, dass die in Peking ankommenden Passagiere wie eine Herde von
Schafen hintereinander herliefen, bis sie letztendlich vor drei
Paßkontrollschaltern stehen bleiben mussten und sich dadurch längere
Warteschlangen bildeten. Reisepaß und Arrivelcard hielten die meisten
Ankommenden schon griffbereit in einer ihrer Hände. Bezüglich der
sogenannten Arrivelcard gilt es zu erwähnen, dass diese bereits im Flugzeug
verteilt wurde mit dem Hinweis sie auszufüllen, da jeder Reisende, der in
Peking ankommt, sie bei der Einreisekontrolle zusammen mit seinem
Reisepass vorzeigen muß. Als Karl an die Reihe kam, übergab er seine
Papiere dem chinesischen Kontrollbeamten und dieser prüfte äußerst ge-
nau, denn fast nichts wird in China irgendwelchen Zufällen überlassen. Die
Staatssicherheit hat seit je höchste Priorität bei allen chinesischen Beamten
und sie handeln stets nach dem Motto: „Vertrauen ist gut, aber Kontrolle
ist besser.“ Karl`s Papiere waren in Ordnung und als er sie zurückbekam,
atmete er tief durch und lief zu den nicht weit entfernten Stellen für die
Personen- und Handgepäckkontrollen. Dort wurde jeder der an die Reihe
kam vom Sicherheitspersonal dazu angehalten sein Handgepäck und andere
als verdächtig geltende Objekte zum Durchleuchten auf ein Förderband zu
legen. Im Anschluß daran mussten die dem Sicherheitscheck unterworfenen
Personen durch eine Torsonde laufen, wo sie von Beamten mit
Metalldedektoren empfangen und abgetastet wurden. So konnte festgestellt
werden ob Reisende noch irgendwelche gefährlichen Objekte am Körper
oder in Kleidungsstücken versteckt hielten. Wird beim Abtasten mit den
Dedektoren ein Piepston gehört, so greifen die Sicherheitsleute beim
nachfolgenden händischen Abrasten oftmals kräftiger zu, als sie es im
Normalfall ohne Piepston getan hätten. Das härtere Zugreifen und
Abtasten stört vor allen Dingen empfindsamere Frauen und es soll schon
vorgekommen sein, dass sich etliche von ihnen durch das Zugreifen sexuell
belästigt fühlten und eine Klage in die Wege leiteten. Ob mit solchen Klagen
je etwas erreicht wurde sei dahingestellt, denn all die erwähnten
Untersuchungen dienen ja der Flugsicherheit und die Behörden in China
scheinen davon auszugehen, dass jedermann Verständnis aufbringen muß
für solche sicherheitsrelevanten Untersuchungen, seien sie noch so
fragwürdig. Protagonist Karl dachte sich nach seiner unbeanstandeten
sicherheitstechnischen Abfertigung insgeheim: „Ich kann nur hoffen, dass
meine Reise weiterin von glücksbringenden Sternen begleitet und
problemlos bestanden wird.“ Nach solch zuversichtlichen Gedankengängen
lief Rentner Karl mit seinem Handgepäck an den Transportbändern vorbei,
welche vom Flughafenbodenpersonal hinter den Kulissen bereits mit jenen
Behältnissen bestückt wurden, welche bereits beim Abflug als zu schwer
oder zu groß erkannt wurden und deswegen nicht als Handgepäck
akzeptiert wurden. Smart aussehende Luxuskoffer, abgewetzte Rucksäcke,
hölzerne Überseekoffer und stinknormale Plastikboxen waren dabei. Alle
Passagiere mit Endziel Peking starrten angespannt auf das Förderband und
warteten mehr oder weniger nervös auf ihre Koffer. Karl hingegen konnte
unbeschwert weiterlaufen, da sein Reiseziel ja Nanning war und sein Ge-
päckstück dort, zusammen mit ihm, landen würde. Er muß nur rechtzeitig
zum Gate für seinen Anschlußflug nach Nanning hinfinden und dort auf
den Weiterflug warten.
Zurück zu den bereits erwähnten Abfertigungsprozeduren. Sie gelten für
jeden neu ankommenden Passagier und sie sind besonders streng, wenn es
sich um Transferreisende handelt, bei welchen gewiße Anschlußflüge eine
Rolle spielen. Erst wenn ein Reisender all den verlangten Kontrollwünschen
des chinesischen Beamtenapparates nachgekommen war und sie erfolgreich
bestanden hatte, durfte er jenen Hinweistafeln folgen, die ihn zu einem
Sackbahnhof lotsten, auf dessen Bahnsteigen in kurzer Folge Züge
ankamen und nach kurzer Haltezeit wieder abfuhren. Es handelt sich um
die Transportwaggons des sogenannten Flughafenexpresszuges, welcher
vom Terminal 3 aus, zwischen Terminal 1 und Terminal 2, laufend hin- und
herfährt und die Reisenden zum Ort ihrer Wahl transportiert, entweder zum
Terminal für Inlandsflüge oder zum Outcheckepoint für all jene, welche aus
irgenwelchen Gründen in Peking verweilen wollen. Alle können nur mit
dem Flughafenexpresszug ihr angestebtes Ziel erreichen. Sowohl die
meisten Wartenden, als auch jene, welche dahinhasten oder suchend
umherschauen wollen ja irgendwo gut ankommen und gewiße Hoffnungen
erfüllt sehen. Oft handelt es sich wohl um von Fernsucht geplagte
Weltenbummler, um Geschäftsreisende oder auch um jene Personen,
welche als Einheimische umherirren auf der Suche nach einer besseren
Zukunft, nach einem glücklichen Zufall oder einem neuen Partner.
Vielleicht sind auch Flüchtende von irgendwoher unterwegs, auf dem Weg
in eine versprochene und glorifizierte Freiheit. Kein Reisender kennt die
geheimen Gründe für das Unterwegssein all der anderen Reisenden, weiß
nichts vom Ursprung dessen, was all jene fremden Gesichter zum Aufbruch
in andere Bereiche bewegt hat. So werden Flughäfen allüberall auf...