Einleitung
Unser Gesundheitssystem ist in den letzten Jahren ins Gerede gekommen. Und es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht über steigende Kosten, ausufernde Verwaltung oder explodierende Beiträge in den Medien zu lesen wäre.
Eine Reform, mag sie ihren Namen verdienen oder nicht, folgt der nächsten und löst jeweils riesige Umordnungsaufgaben aus. Ärzte verbringen mittlerweile ein Drittel ihrer Zeit damit, Formulare auszufüllen, statistisches Material zu erheben, Gebühren zu kassieren und neue Abrechnungsverfahren zu erlernen.
Die Hauptforderung der Krankenkassen wird vor allem dann erfüllt, wenn immer engere finanzielle Rahmen eingehalten werden, wenn Mediziner in Diagnostik und Verordnungen „nicht aus dem Rahmen fallen“ und sich im statistischen Vergleich von benachbarten Kollegen und Fachgruppen am besten gar nicht unterscheiden.
Der Patient mit seinem Anliegen auf Gehör, angemessene Zuwendung und Diagnostik, seelische und körperliche Betreuung oder menschliches Verständnis stellt mit großer Verwunderung fest: Trotz unverändert hoher Gebühren und ständiger öffentlicher Diskussion in Politik und Medien spielt er keine so rechte Rolle mehr in dieser Medizin.
Und der ärztliche Beruf gerät mehr und mehr zur Farce bürokratischer Verteilungsmuster. Es ist an der Zeit, dass sich daran etwas ändert. Viele Jahrzehnte hindurch sind die Menschen ermuntert worden, sich mit ihren Krankheiten an Spezialisten, die Ärzte, zu wenden. Es ist ein gutes Gefühl, wichtige Bereiche aus dem eigenen Lebensbereich zu delegieren: Man ist dann selbst nicht in der Pflicht, und Heilung mag von außen kommen, ohne dass sich an der Lebensführung oder an Verhaltensweisen etwas ändern müsste. Dass es sich bei dieser Perspektive wohl eher um einen Irrtum handelt, wird immer mehr und spürbar deutlich.
Immer aufwändiger und technisch kaum noch zu bedienen gestaltet sich die Diagnostik. Und was mancher erfahrene Hausarzt in früheren Jahren mit einem Blick und kurzer körperlicher Untersuchung sicher feststellen konnte, braucht heute diverses medizinisch-technisches Gerät, umfangreiche Analysen aus dem Labor und mitunter zwei oder drei Spezialisten, um als gesichert anerkannt zu werden.
Ein unglaublicher Apparat dient dabei vor allem einem Zweck: Krankheit auf immer neue Art und Weise zu beschreiben. Ob all das einen sinnvollen, hilfreichen oder in der Folge heilenden Nutzen für den erkrankten Patienten hat, wird häufig nicht mehr hinterfragt.
Um Gesundheit hingegen kümmert man sich vergleichsweise recht wenig. Vorsorge und salutogene Perspektiven erschöpfen sich seit vielen Jahren in Hinweisen zu einer ausgeglichenen Ernährung und angemessener Bewegung. In den letzten Jahren kommt die Vermittlung des einen oder anderen Verfahrens zur Entspannung hinzu und ergänzt den ziemlich alten Katalog. Offenbar erscheint es vielen Menschen nicht bedeutsam, Aufmerksamkeit und finanzielle Mittel in Gesundheit statt in Krankheit zu investieren. Und der oft gehörte Hinweis des Systems, dass die umfangreiche Suche nach Krankheiten und Erklärungsmodellen Gesundheit erst ermögliche, lässt sich so nicht wirklich halten.
Denn längst ist bekannt, dass nicht gleiche Einflüsse, Erreger und Faktoren alle Menschen in der gleichen Weise erkranken lassen. Einer Erkrankung mit dem HI-Virus geht ohne Frage eine Infektion voraus. Aber manche Menschen erkranken nach nur kurzer Frist, während andere Jahrzehnte oder immer ohne den Ausbruch der gefürchteten Krankheit bleiben.
Einige Menschen müssen nur von weitem einen Grippeerkrankten erblicken und niesen schon Minuten später, während anderen täglicher Kontakt auch aus der Nähe mit den Viren keinen Schaden zufügen kann. Manche Tabletten wirken bei einigen Patienten sofort und auch sehr gut, während andere keine Wirkung oder nur einen Teil davon verspüren und stattdessen Nebeneffekte zu erdulden haben.
Und so zeigt sich sehr deutlich, dass bei Gesundheit und Krankheit offenbar noch andere Faktoren eine Rolle spielen, als man bislang vermutet oder berücksichtigt hat. Es ist an der Zeit, dass sich daran etwas ändert.
Die Verbindungen von Körper und Seele sind zu allen Zeiten auf sehr unterschiedliche Weise betrachtet worden. Innerhalb der letzten zwei Jahrhunderte hat sich eine Trennung von Körper und Seele in der Medizin vollzogen.
Da gibt es die „richtige“ Medizin, die sich mit der Behandlung aller „organischen“ Erkrankungen befasst, zu denen Herzinfarkte, Bronchitiden, Schlaganfälle, Bluthochdruck, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) oder Magengeschwüre zählen können. Daneben hat sich eine Psychotherapie entwickelt, die sich schwerpunktmäßig mit den seelischen Veränderungen und Erkrankungen beschäftigt, zu welchen Depressionen, Ängste, Wahnerkrankungen oder Zwangshandlungen gerechnet werden.
In jüngster Zeit hat sich die Psychosomatik etablieren können, jener Zweig am Baum der Therapie, der Zusammenhänge zwischen Psyche (Seele) und Soma (Organ) vermutet und bei der Behandlung der Erkrankungen mit einzubeziehen sucht. Zu solchen Krankheitsbildern werden körperliche Beschwerden wie Herzrasen, Atemnot oder Engegefühle gezählt, zu denen sich keine organischen Ursachen finden lassen können. Aber auch Asthma bronchiale, Colitis ulcerosa (entzündliche Darmerkrankung) oder der Migräne und der Hauterkrankung Neurodermitis werden seelische Anteile an Entstehung und Verlauf inzwischen zuerkannt.
Tatsächlich sind jedem Menschen unabhängig von medizinischen Betrachtungsweisen die Zusammenhänge von Körper und Seele gut bekannt und direkt am eigenen Leib spürbar. Die Erinnerung an die ersten Vogelstimmen nach einem langen Winter, die auf Frühling, Wärme und Licht hoffen lassen, kann ganz wunderbare wohlige Wärme in der Bauchregion wecken oder die Bewegungen leichter werden lassen.
Betrachtet man ein älteres Bild, das den Moment nach einer bestandenen Prüfung festgehalten hat, spürt man die Erleichterung mit freier Atmung, einem weiten Blick und aufrechter Körperhaltung so direkt, als geschähe das gerade so erst jetzt.
Wie wunderbar ist es, einen geliebten Menschen nach langer Zeit wieder in die Arme zu schließen. Und schon die Erwartung eines solchen Ereignisses lässt den Puls schneller schlagen („vor Freude hüpfen“), verbessert die Durchblutung der Haut oder löst ein angenehmes Zittern aus.
Rechnet man dagegen mit dem Eintreten einer unangenehmen Entwicklung, die mit Unsicherheit, Angst oder Spannungsfeldern verbunden ist, meldet der Körper diese Empfindungen der Seele auf andere Art und Weise: Herzrasen, schnelle Atmung, Schweißausbrüche, Darmaktivitäten, verspannte Nackenmuskeln oder eine gebückte Haltung können solche Zeichen sein. Jeder spürt also sehr direkt, dass es zwischen dem seelischen Empfinden und den körperlichen Wahrnehmungen eine absolut sichere Verbindung gibt. Seele spiegelt Körper und Körper spiegelt Seele.
Eine Wissenschaft, die sich seit wenig mehr als zehn Jahren mit den Verbindungen von Körper und Seele auf naturwissenschaftlicher Ebene beschäftigt und dieses Gebiet zunehmend intensiv beforscht, nennt sich Psychoneuroimmunologie. Sie vereint „unter einem Dach“ die Psychologie (Seelenkunde), die Neurologie (Nervenkunde) und die Immunologie (Körperabwehrkunde) und beschäftigt sich mit den Verknüpfungen dieser Bereiche.
In der Praxis bedeutet das: Wie wirken sich seelische Ereignisse oder Empfindungen auf die Körperabwehr aus, und welche Rolle kommt dabei dem Nervensystem zu? Und derartige Fragen und die möglichen Antworten darauf sind von elementarer Bedeutung für die Gesundheit oder die Seele der Krankheit.
Eine solche Frage und die möglichen Konsequenzen daraus könnten unser Gesundheitssystem und den Umgang mit der Krankheit revolutionieren. Denn das Abwehrsystem des Körpers, das Immunsystem, zeigt sich inzwischen als der zentrale Punkt, die absolute Schaltstelle für Gesundheit oder Krankheit.
Der Körper wird täglich mit vielen Millionen Krankheitskeimen konfrontiert, die über den Mund, die Lungen, über den Darm oder die Harnwege eindringen. Das Immunsystem sorgt aber dafür, dass sich diese Krankheitserreger (Viren oder Bakterien zum Beispiel) nicht ausbreiten und den Organismus schädigen können, und vernichtet sie. Ebenso werden jeden Tag unzählige Krebszellen im Körper gebildet. Und auch diese erkennt die körpereigene Abwehr und macht sie unschädlich. Erst wenn dieses Immunsystem verändert, geschädigt oder überfordert wird, kommt es zum Ausbruch einer Krankheit wie einer Infektion oder Krebs. Zahlreiche andere Einflüsse spielen dabei ohne Zweifel auch eine Rolle, aber die wirklich „letzte Entscheidung“ liegt beim Immunsystem.
Erfahrene Ärzte wissen, wie sehr der weitere Verlauf einer Erkrankung vom grundsätzlichen seelischen Zustand des Patienten abhängt.
Umfangreiche Studien belegen inzwischen, dass...