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E-Book

Geschichte der Welt Die Welt vor 600

Frühe Zivilisationen

VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl1083 Seiten
ISBN9783406641114
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Von der Altsteinzeit bis zur Spätantike reicht das große Panorama, das im ersten Band der Geschichte der Welt entworfen wird – eine grandiose Darstellung von mehr als 2,7 Millionen Jahren Kultur- und Ereignisgeschichte der Menschheit. Sie reicht von den Anfängen der Menschwerdung über den Beginn des Ackerbaus, das Aufblühen der frühen Hochkulturen bis zur Epoche der griechisch-römischen Welt und dem Ende der Gupta-Zeit in Indien, dem Niedergang der Sui-Dynastie in China und dem Aufkommen des Islam.
Dieser Band über ferne Zeiten und alte Kulturen der Menschheit liefert den Schlüssel zum Verständnis auch jüngerer Epochen, wurden sie doch nachhaltig von Kulturen geprägt, die bereits untergegangen waren, lange bevor die Schrift erfunden wurde. Die meisterhafte Beschreibung der frühen Zivilisationen erhellt gleichermaßen das schriftlose Dunkel der Frühgeschichte wie den kulturellen Reichtum des Alten Orients, Ägyptens und der Klassischen Antike, aber auch der indischen und ostasiatischen Staatenwelt. Alle Beiträge sind großzügig mit Karten, Plänen, Abbildungen und Zeittafeln ausgestattet.
Mit Beiträgen von Hans-Joachim Gehrke, Mark Edward Lewis (übersetzt von Andreas Wirthensohn), Axel Michaels, Hermann Parzinger und Karen Radner

Hans-Joachim Gehrke ist Professor emeritus an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie Director of Outreach des University College Freiburg. Zuvor war er Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin und Professor für Alte Geschichte an den Universitäten Freiburg, FU Berlin und Würzburg. Er nahm verschiedene Gastprofessuren wahr, u.a. an den Universitäten Zürich und München sowie am Collège de France. Er ist Mitglied verschiedener Akademien und Institute, u.a. der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Seine Forschungsschwerpunkte liegen vornehmlich auf dem Gebiet der griechischen Geschichte, besonders der archaischen und der hellenistischen Zeit.

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Leseprobe

1. ANTIKE WELTGESCHICHTE ALS PROBLEM


Vor etwa 2,7 Millionen Jahren begannen die frühesten Vertreter der Gattung Homo mit den ältesten Artefakten, die die Menschheit hervorgebracht hat, ihre Welt – unsere Welt – zu gestalten. So beginnt auch mit ihnen der erste Band dieser neuen Weltgeschichte. Er endet an der grob festgelegten Grenze um 600 n. Chr.; bereits die runde Zahl verrät den konstruierten Charakter dieser Schwelle. Doch ist sie insofern nicht ganz willkürlich gewählt, als sich jenseits der in diesem Buch vorzustellenden Zivilisationen das Heraufziehen einer neuen Epoche beschreiben lässt – denkt man beispielsweise an die Anfänge des Islam. Für den nahöstlich-europäischen Kulturkreis lässt sich in etwa um diese Zeit das Ende des Altertums ansetzen – auch wenn man sich im Hinblick auf manche Kontinuitäten, wie etwa die Nachhaltigkeit der lateinischen Sprache, grundsätzlich der Problematik und der Offenheit solch einer epochalen Grenzziehung bewusst bleiben muss.[1]

Wir setzen also tiefer an als Yuval Noah Harari in seinem bemerkenswerten Buch,[2] der die «cognitive revolution» des Homo sapiens als Ausgangspunkt wählt. Wie bei diesem Autor spielen aber auch in dem vorliegenden Band die mit dem anbrechenden Neolithikum verbundenen Umwälzungen, die sogenannte Neolithische (oder «Landwirtschaftliche») Revolution vor rund 12.000 Jahren, eine große Rolle. Die Zeit danach, in der sich zunehmend komplexere gesellschaftliche Organisationsformen herausbilden und sich damit die Menschheitsgeschichte insgesamt erheblich differenziert, gelangt dann ausführlicher zur Darstellung – sie stellt uns vor ihre eigenen, nicht ganz trivialen Schwierigkeiten. Von ihnen soll zunächst die Rede sein.[3]

Grundsätzliche Probleme, die sich bei jedem Zugriff auf die Geschichte, in ihrer Erfassung wie ihrer Präsentation, stellen, werden nämlich im Fall einer weltgeschichtlichen Annäherung erheblich verschärft, wenn nicht potenziert – zumal wenn sich der Betrachter weit zurückliegenden Epochen zuwendet. Dies betrifft zunächst die Quellenfrage. Unsere Informationsmöglichkeiten sind gerade im Hinblick auf den in diesem Buch zu erschließenden Zeitraum äußerst beschränkt; zudem sind die wenigen Quellen auch noch ganz unterschiedlicher Natur. Auf schriftliche Zeugnisse können wir erst für die letzten rund fünf Jahrtausende zurückgreifen; sie werden mitunter von Relikten der materiellen Kultur, aber auch von natürlichen Überresten flankiert. Für alle früheren Zeiträume sind wir ausschließlich auf nichtschriftliche Quellen dieser Art angewiesen. Oft genug funktioniert die allein im Hinblick auf den Gebrauch der Schrift etablierte Unterscheidung zwischen dem Prä-Historischen und dem Historischen in dieser Phase der Menschheitsgeschichte nicht. Es zeigt sich vielmehr, dass beides in allerengster Beziehung zueinander steht und dementsprechend ausgewertet werden muss.

Dabei sind unsere Erkenntnismöglichkeiten zudem sehr häufig von Zufälligkeiten der Entdeckungen (vor allem im Falle archäologischer Forschungen) und den Wirkungsabsichten (gerade im Falle von schriftlicher Überlieferung) abhängig. Hinter unseren Quellen, Funden und Befunden stecken also entweder gar keine oder ganz andere Interessen als die des forschenden Historikers: Wir mögen in der Archäologie noch so gezielt prospektieren, wichtige kulturelle Hinterlassenschaften kommen nicht selten dort zum Vorschein, wo aus ganz anderen als wissenschaftlichen Gründen ‹ausgegraben› wird – etwa beim Anlegen von Straßen oder beim Bau von Pipelines. Und wenn wir auch die schriftlichen Hinterlassenschaften der Alten noch so rationaler Quellenkritik unterziehen, so können wir uns doch nicht vollständig der gezielten Lenkung durch monumentale Herrscherinschriften oder rhetorisch-ideologisch geprägte Texte entziehen.

Schlimmer noch: Oft genug fehlen Informationen für größere geographische Räume und längere Zeiträume völlig. Das Ganze, auf das wir Historiker immer von unserem Quellenbestand aus zu schließen haben, ist im Falle einer Weltgeschichte denkbar groß, die empirischen Möglichkeiten, dazu zu kommen, sind aber gerade für uns Altertumswissenschaftler nicht selten denkbar klein – ja, gleichsam umgekehrt proportional: Zur Rekonstruktion eines gigantischen (und in diesem Falle auch noch mehrdimensionalen) Mosaiks müssen wenige Steinchen genügen. Bei aller methodischen Sorgfalt, die man aufzuwenden hat, ist es unvermeidlich, dass solche versprengten Steinchen das Gesamtbild stärker bestimmen, als es der Sache nach angemessen wäre. So erklären sich manche Unterschiede in den folgenden Kapiteln bereits durch die heterogene Quellenlage – etwa wenn im Fall Indiens bzw. Südostasiens besonders viel von Religion die Rede ist oder in den Abschnitten über die Ur- und Frühgeschichte und den alten Nahen Orient von Technologien. Doch auch wenn angesichts all der zuvor genannten Schwierigkeiten Skepsis und ein methodischer Generalzweifel stets angebracht bleiben, schien es den Herausgebern und Autoren dieses Unternehmens doch keine Alternative, deshalb auf den Versuch der Rekonstruktion ganz zu verzichten. Sie haben nach Kräften versucht, sich dieser Problematik bei der Ausarbeitung ihrer Kapitel stets bewusst zu bleiben; sie sind sich auch der Vorläufigkeit ihrer Darstellungen bewusst und hoffen auf Leserinnen und Leser, die ihren Ausführungen eine kritische Offenheit entgegenbringen.

Mindestens ebenso bedenklich ist das Problem des «historischen Ganzen», auf das man die empirisch gewonnenen Informationen beziehen möchte. Wie alles Geschichtliche präsentiert es sich dem Betrachter nicht unmittelbar, und auch aus den Quellen ist es nicht direkt zu erschließen. Es ist ein gedachtes, ja, ein konstruiertes Kontinuum, in dem die zuvor erwähnten Informationen und Informationssplitter ihren Platz erst finden müssen. Es muss aber auch als Abstraktum vorgestellt werden und bildet zugleich den Gegenstand narrativer Darstellung.[4] Dieses Vorstellen geschieht in der Regel modellhaft – und damit kommen Theorien und Systeme ins Spiel, die sich auf dieses Ganze beziehen, Konzeptionen der Anthropologie, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Religions- und Kulturwissenschaften usw. Darüber hinaus haben wir es bei der Weltgeschichte nicht mit relativ klar umgrenzten Subjekten wie bei traditionellen Nationalgeschichten zu tun, sondern mit einem vielschichtigen und vielgesichtigen, schier grenzenlosen Zusammenhang, einer wahrhaften histoire totale.

Der Zugriff auf dieses Ganze ergibt sich also nicht ohne weiteres; und dies gilt zumal, seitdem sich die Menschheit im Gefolge der bereits erwähnten Agrarischen Revolutionen, der Sesshaftwerdung des Menschen, ausdifferenziert hat. Noch mehr als sonst in der Geschichte kommt es also in diesem Kontext auf die Perspektive an, auf die schon von Johann Martin Chladenius (1710–1759) beschworenen «Sehe-Punkte». Nicht zuletzt sie bestimmen, wie der Schritt von der Betrachtung und Verteilung der einzelnen Steinchen auf den Entwurf des gesamten Mosaiks ausfällt, welcher Teil des historischen Szenarios stärker beleuchtet wird, welche Momente im historischen Narrativ fokalisiert werden. Der Blick des Historikers bestimmt Auswahl und Arrangement, und es handelt sich dabei immer auch um eine subjektive Perspektive. Sie ist, wenn alles gut geht, durch die Regeln der wissenschaftlichen Praxis methodisch kontrolliert, aber sie lässt sich nicht ausschalten, wenn wir nicht das erkennende Subjekt selbst ausschalten wollen. Letzte Gewissheiten im Sinne reiner Objektivität dürfen wir also nicht erwarten.[5]

Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass selbst bei der größten methodischen Umsicht immer wieder unterschiedliche Deutungen eines Sachverhalts möglich sind. Sie hängen zum Teil mit unterschiedlichen fachlichen Traditionen zusammen. Diese mussten in dem vorliegenden Band Berücksichtigung finden, weil keine einzelne Person alle für eine Globalgeschichte notwendigen Kompetenzen in sich vereinigt. Die verschiedenen Autoren sind unter diesem Gesichtspunkt ohnehin schon bis an ihre Grenzen...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel5
Zum Buch1083
Impressum6
Inhalt7
Einleitung11
1. Antike Weltgeschichte als Problem12
2. Elementare Lebensformen im strukturellen Vergleich25
Vor- und Frühgeschichte41
Einleitung42
1. Die Entwicklung zum modernen Menschen45
2. Sesshaftwerdung, produzierendes Wirtschaften, Gruppenidentität57
3. Innovation, Umbrüche und komplexe Gesellschaften133
4. Gebiete jenseits der Hochkulturen185
5. Schlussbetrachtungen: Von Zeitachsen und Achsenzeiten251
Die frühen Hochkulturen Ägyptens und Vorderasiens263
Einleitung264
1. Das Zeitalter der frühen Staaten (Frühbronzezeit)278
2. Alle schreiben: Bürokraten, Literaten und Fernhandelsfirmen (Mittelbronzezeit)313
3. Streitwagen und Glas: Neues Spielzeug für königliche Brüder (Spätbronzezeit)341
4. Neustart: Kleinstaaten und Großreiche (Frühe Eisenzeit)374
Die Welt der klassischen Antike417
Einleitung418
1. Auf dem Weg zu einer neuen Welt: Das Mittelmeer und sein Umfeld420
2. Perser und Griechen: Eine Spaltung der Welt453
3. Die Republik der Römer485
4. Die hellenistische Welt499
5. Höhepunkt und Fall der Römischen Republik525
6. Das Römische Kaiserreich und die Einheit der Welt551
Das Alte China597
Einleitung598
1. Geographischer Hintergrund606
2. Der archaische Staat: Die Shang und die Zhou626
3. Die Übergangszeit der Streitenden Reiche642
4. Die ersten Kaiserreiche: Qin und Han658
5. Frühe Städte672
6. Die großen Familien: Wei und Jin688
7. Die Militärdynastien: Song, Qi, Liang, Chen und Nördliche Wei701
8. Die institutionellen Religionen: Daoismus und Buddhismus713
9. Mittelalterliche Städte726
10. Das frühimperiale China und die äußere Welt740
11. Die Wiedervereinigung Chinas und der Niedergang der Sui-Dynastie753
Südasien und Südostasien763
Einleitung764
1. Die Harappakultur (ca. 2600–1900 v. Chr.)768
2. Die Einwanderung der Indoarier (2. Jt. v. Chr.)791
3. Die vedische Kultur (ca. 1750–500 v. Chr.)804
4. Staatliche Strukturen und asketische Bewegungen (600–200 v. Chr.)823
5. Zwischen den Großreichen: Transregionale Verflechtungen (ca. 200 v. Chr.–300 n. Chr.)851
6. Die klassische Zeit und die Formation des Hinduismus (ca. 300–600)869
7. Indiens Einflüsse auf Ost- und Südostasien896
Anmerkungen911
Bibliographie981
Abbildungsnachweis1031
Die Autoren und Herausgeber1035
Danksagung1037
Register1039

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