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Von der Mosel nach Arkadien

Johann Franciscus Ermels (1641-1693) als Künstler in seiner Zeit

AutorStephan Brakensiek
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783744845991
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Als einer der berühmtesten Nürnberger Landschaftsmaler seiner Zeit fehlte Johann Franciscus Ermels ehemals mit seiner Kunst in keiner wichtigen Sammlung. Heute sind der Künstler und sein Werk nahezu vergessen. Dabei bietet seine Kunst vielfache Anknüpfungspunkte an unsere Zeit: Sehnsuchtsorte und Idyllen, südliches Licht und wohltuende Wärme suchen auch viele von uns in bewegter Zeit. Ähnlich erging es den Menschen, die durch die Erfahrung des Dreißigjährigen Krieges geprägt waren. Zuflucht bot heute wie damals die Kunst - und Johann Franciscus Ermels war mit seinen Motiven ein stark nachgefragter Künstler.

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Leseprobe

Auf dem Weg nach Köln


Der Weinhandel an der Mosel als Motor des Kulturtransfers um 1650

Rosemarie Müller-Huesgen

Der Weg von Johann Franciscus Ermels führte vermutlich vor 1652 von Reil nach Köln in die Werkstatt des Malers Johann Hulsmann (1610-1652). Ermels war etwa elf Jahre alt, als er seine Heimat und sein Elternhaus verließ.53 Was mag einen so jungen Burschen dazu veranlasst haben, seine Familie, sein bisheriges Lebensumfeld, um in der damals ›weiten Ferne‹ eine Ausbildung zu beginnen, wohl wissend, dass es so schnell keine Umkehr gab? Wer wird sein Talent entdeckt haben? Mit wem reiste er? Und wer stellte erstmals den Kontakt zu seinem Ausbilder in der Domstadt her? Wer kam auf die Idee, den Weg nach Köln zu nehmen, eine der größten und wichtigsten Handelsstädte jener Zeit im Rheinland?

Viele Fragen, deren Antworten nur im Kontext des Zeitgeschehens erschlossen werden können, da hierzu keine Dokumente überliefert sind – die Quellen schweigen.

Weinbau und Leben in einem Moselort vor 400 Jahren

Der Weinbau an der Mosel konnte bereits zu Ermels Zeiten auf eine lange Tradition zurückblicken. Schon aus der Zeit vor den Römern gibt es Zeugnisse von Rebenan- und -ausbau. Mit den Römern kamen sodann neue Rebsorten, eine verbesserte Weinverarbeitung sowie eine Ausweitung der Anbauflächen an die Mosel. Dies bewirkte bis weit ins Mittelalter und in die Frühe Neuzeit hinein einen schwunghaften Handel auf dem Wasser und den bekannten Handelswegen über Eifel und Hunsrück. Zahlreiche bauhistorische Zeugnisse hierüber sind entlang der Mosel vorhanden.54

Im Laufe der Zeit wurde der Weinanbau durch stetig zunehmende Nachfrage sowie durch den steigenden Bedarf der Klöster und Stifte sowie deren dazugehöriger Wirtschaftshöfe vorangetrieben, so dass die bewirtschafteten Flächen beständig wuchsen. Dabei wurde die Weinverarbeitung der kirchlichen Güter unmittelbar durch anliegende Höfe bewerkstelligt. Die Kirche war der größte Weinbergbesitzer der Region und hatte eine somit wirtschaftliche Vormachtstellung. Durch Zukäufe von Land – auch von säumigen Pächtern und Steuerschuldnern – sowie durch Vererbung wurde dieser Besitz ständig gemehrt. Auch das Erlöschen einzelner Familiendynastien führte zu größeren Stiftungen an geistliche Institutionen.55 Dies hatte zur Folge, dass im Zuge dieser Entwicklung auch das Handwerk und andere Wirtschaftszweige ausgebaut wurden und mehr Menschen ihr Auskommen fanden. Handwerker für Werkzeuge in Weinberg und Keller wie Schmiede, Korbflechter für Lesekörbe und Hotten, Böttcher, Küfer und Fassmacher für die Lagerung und den Transport des Weines sowie Gewerbetreibende für den gesamten Warentransport zu Wasser und zu Land waren in fast allen Dörfern an der Mosel anzutreffen – so auch in Reil. Zudem lebten auch Landarbeiter und Tagelöhner mit ihren Familien hier, diese jedoch unter eher bescheidenen Verhältnissen. Ihre Kinder konnten keine Schule besuchen, denn dazu fehlten die Mittel, und so mussten sie schon früh mitarbeiten.56

Abb. 16: Das Kröver Reich, Fassadenmalerei, Kröv/Mosel.

Krieg und Elend

Der Moselort Reil gehörte zum sogenannten Kröver Reich, einem an der Mittelmosel gelegenen Territorium, zu dem auch die Orte Kröv, Kinheim, Bengel, Kinderbeuern und Erden nebst abgelegener Höfen zählten.57 Als zunächst reichsunmittelbares Kleinterritorium gelang es den Bewohnern, für sich umfangreiche Rechte und Privilegien zu sichern, die bis 1784 Bestand haben sollten.58 Geregelt wurden die Rechte und Pflichten der Einwohner bereits 1399 in einem eigenen Gesetzbuch, dem sog. Weistum. Die Gerichtsbarkeit lag bei dem frei gewählten Vogt innerhalb der Gemeinden.59

Abb. 17: Jacques Callot: Soldaten überfallen ein Bauernhaus, aus der Serie: Les misères et les malheurs de la guerre, Radierung, um 1633.

Zu Ermels war das Kröver Reich ein Kondominium, in dem die Ausübung der Rechte durch zwei verschiedene Landesherren unterschiedlicher Konfessionen geregelt wurde. Die lutherischen Grafen von Sponheim bzw. ihre Nachfolger auf der einen und der Erzbischof von Trier auf der anderen Seite besaßen gemeinsam anteilig die Landeshoheit. Über diesen nicht nur konfessionellen Dauerkonflikt machten sie sich die Hoheitsrechte über das Gebiet streitig, zumal die Sponheimer in der Region offensiv den lutherischen Glauben durchsetzen wollten:60

»Auf der Grundlage des Augsburger Religionsfriedens von 1555 hatten die sponheimischen Gemeinsherren, Pfalz und Baden, 1557 in der Hinteren Grafschaft Sponheim die evangelische Konfession eingeführt. 1561 wiesen sie ihren Oberamtsmann in Trarbach an, auch das Kröver Reich zu reformieren. Diesem Vorhaben widersetzte sich aufs heftigste der Trierer Erzbischof, der als Inhaber der Kröver Vogtei ein Mitspracherecht in Konfessionsfragen beanspruchte.«61

Der spanisch-niederländische Krieg, der 1568 anhebend, nahtlos in die Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieg mündete und erst mit dessen Ende 1648 beigelegt wurde, zeigte seine Schrecken auch an der Mosel. Durch das Moseltal ziehende Truppen des mit Spaniern, Franzosen und Italienern besetzten Söldnerregimentes Bellemont hinterließen 1588 eine Spur der Verwüstung und Plünderung, die noch heute im kulturellen Gedächtnis der Region vorhanden ist.62

Abb. 18: Der Friedensreiter von Münster, Bildfeld eines illustrierten Flugblatts, Holzschnitt, 1648

Auch der Dreißigjährige Krieg selbst überzog mit all seinen Plagen und Heimsuchungen die Gegend, so dass die Bevölkerung »nur am Rande des Ruins die Schreckenszeit überstand.«63 Das ganze Kröver Reich war in dieser Zeit – mal mehr, mal weniger – mit Soldateska belegt. Der Besitz der Bevölkerung wurde über einen langen Zeitraum hinweg für die Versorgung der Truppen mit Nahrung und Viehfutter herangezogen, ohne auf ihr Lebensnotwendiges Rücksicht zu nehmen, ganz nach Albrecht Wenzel von Wallensteins (1583-1634) Devise, wonach der Krieg den Krieg zu ernähren habe.64

Aufschwung und Handel

Erst nach dem Westfälischen Frieden von 1648 begann sich im Moseltal die durch Krieg und Seuchen dezimierte Bevölkerung allmählich wieder zu erholen. Für den Neuaufbau der Wirtschaft und des Gemeinwesens wurden nun erneut zusätzliche Arbeitskräfte benötigt und Tagelöhner verdingten sich zunehmend bei den Grundbesitzern.

Erneute mehrte auch der in den Städten allgemein wieder gestiegene Wohlstand die Nachfrage an Moselwein und ein schwunghafter Handel begann.

Die Niederlande, gestärkt und unabhängig aus dem jahrzehntelangen militärischen Konflikt hervorgegangen, hatten sich zu einer besonders aufstrebenden Wirtschafts- und Handelsnation entwickelt. Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts, besonders gefördert durch den zwölf Jahre währenden Waffenstillstand mit Spanien von 1609-1621, wurden mit vielen Handelsplätzen auf der ganzen Welt Geschäfte gemacht – und mit steigendem Wohlstand erhöhte sich auch die Nachfrage nach Wein. Es verwundert daher nicht, dass die tüchtigen niederländischen Händler nach eigenen Handelsvertretungen auch an der Mosel suchten und diese in großer Anzahl auch gründeten. Dabei bevorzugten die ganz wirtschaftlich denkenden und entsprechend handelnden Kaufleute Niederlassungen an der Mosel speziell bei ihren protestantischen Glaubensbrüdern, etwa in Traben und Trarbach, aber möglichweise auch in Reils damals evangelischem Nachbarort, in Enkirch.

Abb. 19: Israël Silvestre: Der Moselkran bei Malzèville, Radierung, um 1640.

In wie weit der aufblühende Weinhandel in der unmittelbaren Nachbarschaft von Reil auch Ausstrahlung und Auswirkung auf den Weinhandel in Reil selbst bzw. in Reilkirch hatte, bleibt noch zu untersuchen.65 In Reil und auch in Reilkirch gab es jedenfalls Schiffsanlegestellen, zum einen für den Fährbetrieb, den man zum Erreichen der Wallfahrtskirche bzw. des zum ebenfalls in Reilkirch gelegenen Ortsfriedhofs benötigte, aber sicherlich auch, um die Weinberge zu bewirtschaften und am Warenstrom auf der Mosel teil zu haben – ansonsten hätte man dort keines eigenen Hafenkrans (Abb. 19) bedurft, wie er für Reil nachweisbar ist.66 Sein genauer Standort oder gar Gebäudereste und Fundamente sind heute nicht mehr vorhanden. Straßenbaumaßnahmen und spätestens die Moselkanalisierung zwischen 1958 und 1964 sowie viele, viele Hochwasser in den vergangenen Jahrhunderten haben sicher dazu beigetragen, seine Spuren vollständig zu tilgen.

Abb. 20: Karte mit eingezeichneten Standorten von Hafenkränen an Mosel und Mittelrhein.

Zwar sind eigenständige Weinhändler für Reil im 17. Jahrhundert bislang nicht nachgewiesen, doch ist anzunehmen, dass es solche schon zu Ermels Zeiten gegeben haben muss. Die...

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