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Paradies oder Hölle auf Erden - Entwicklungsfehler in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und die Macht unserer Gene

AutorSteffen Kopitzsch
VerlagVerlag DeBehr
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl284 Seiten
ISBN9783957534316
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Zigmal standen unsere Vorfahren vor der Ausrottung, kämpften Millionen von Jahren um ihre Existenz, um schließlich zur erfolgreichsten Spezies aufzusteigen. Was uns über in all dieser Zeit Stabilität und Höherentwicklung brachte, ist jedoch aus den Fugen geraten. Unsere Gene bringen uns eindeutig an Grenzen, trotz aller beeindruckenden technischen Innovationen. Die größten Fehler begehen wir, indem wir unsere Evolutionsgeschichte nicht mehr beachten. Wir müssen uns zurückliegende Fakten unserer Menschwerdung vor Augen führen. Unsere gegenwärtigen Probleme, auch die körperlichen und gesellschaftlichen Verwerfungen, gilt es zu analysieren. Derzeitige Lebensstile und menschliche Beziehungen wie die Ehe als Wegwerfprojekt, die Rolle der Frau, die Ernährungs- und Körpersünden, kriegerische Auseinandersetzungen und Umweltverbrechen - verschieben sich mehr und mehr ins Absurde. Eine lebendige Gegenkraft zu unseren genetischen Fixierungen, die in über einer Million Jahren erwuchsen und uns prägten und prägen, ist notwendig. Wo sind unsere Evolutionsstärken geblieben, die sich Kooperation, Empathie, soziale Intelligenz und Gruppenzusammenhalt nennen? Steffen Kopitzsch erstellt Analysen zu Vergangenheit und Gegenwart und bietet zugleich Lösungen für eine steuerbare und lebenswertere Entwicklung. Fakten aus der Evolutionspsychologie und Evolutionsbiologie werden verglichen mit Einstellungen und Verhaltensweisen aus der Jetztzeit und den fatalen Aussichten bei Nichtbeachtung. Um den Homo sapiens in seiner Qualität zu erhalten, ist nur noch begrenzt Zeit. Wir könnten uns ein Paradies erschaffen, oder eine Hölle auf Erden.

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Leseprobe

 

II. Über die Alterslüge und unsere Nichtabgehobenheit von der Natur

 

Es beeindruckt immer wieder, wie der Homo sapiens über Hunderttausende von Jahren es verstanden hat, Schwierigkeiten zu begegnen und daraus sogar gestärkt hervorzugehen. Es verblüfft schon, wie unsere Altvorderen bei jeder Selektionsdruckwelle offensichtlich das Richtige taten und unsere Art vor dem Aussterben bewahrten. Aber egal in welcher Situation sich der Homo sapiens gerade befand, gerade oben oder bedrohlich unten im Evolutionstal, eitel war er immer schon. Wahrscheinlich wollte er zu allen Zeiten seines Daseins Attraktivität besitzen.

   Farben und deren Symbolik haben offenbar schon bei seinem Vorgänger, dem Homo erectus, eine wichtige Rolle gespielt. Das war vor etwa 300 000 Jahren. Erste Schmuckstücke wurden vor etwa 200 000 Jahren in der libyschen Sahara gefunden.

   War es bis zum 20. Jahrhundert der Intellektuelle, der ein besonderes Image besaß und dadurch das Interesse auf sich zog, verschiebt sich seit geraumer Zeit das Zentrum der Attraktivität hin zum Körperlichen. Mittlerweile sind einige gigantische Industriezweige damit erfolgreich, die aktuelle Schönheit des Menschen zu definieren, als Zeitgeist in die Köpfe zu lancieren, jedwede nutzbringende Halbwahrheit als wissenschaftliche Erkenntnis zu verbreiten und daraus ökonomischen Nutzen zu ziehen. Es überrascht schon die steigende Anzahl derer, die aus der Masse der Normalos etwas in dieser Richtung unternehmen, um ins Spiel zu kommen, um an Attraktivität zu gewinnen, wenigstens sich ein wenig zu optimieren. Hauptsache, dabei gewesen zu sein, auch wenn die Chance auf „Ballkontakt“ denkbar gering war.

   Eine Tatsache, die auf alle Fälle noch stärker in Augenschein genommen werden muss, wenn es um die Frage geht, ob wir demnächst Gefahr laufen, einem „Methusalem-Komplott“ entgegenzustreben.

   Was kommt da eigentlich auf uns zu, in diesem 21. Jahrhundert? Wird sich bestätigen, dass die Zahl der 100-Jährigen allein in Deutschland in den nächsten 50 Jahren sich verdreißigfachen wird und topfitte Senioren die Fäden der Gesellschaft in den Händen halten? Die meisten mit dem Jahr 2000 in Europa geborenen Kinder, sagt der Demograph James Vaupel voraus, werden das Alter von 100 Jahren überschreiten. Die Begründung liefert der Biogerontologe David Gems gleich nach, indem er die nassforsche Behauptung „Das Altern ist evolutionstheoretisch sinnlos“ aufstellt. Na dann!

   Nach letzten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes ist mit einem weiteren Anstieg des Lebensalters bis 2050 zu rechnen. Bis dahin werden Männer etwa 87,2 Jahre alt werden, Frauen 90,9 Jahre, nachdem in den vergangenen 50 Jahren die Lebenserwartung bei Männern und Frauen um rund 11 Jahre gestiegen ist. Das Ziel steht fest: das Leben zu verlängern, indem man sich selbst verjüngt. Ein gewaltiger Strom von Zukunftsforschern, Biologen und Medizinern, als Megatrend ausgewiesen, verfolgen diese Strategie gegen das Altern. Auch wenn bis heute, sobald es konkret wird, Tierexperimente herhalten müssen. Tiere, die nicht immer zu unseren nächsten Verwandten gehören.

   Fliegen, Mäusen und Würmern, uns genetisch nicht ganz unähnlichen Tieren, wird in wissenschaftlichen Versuchen bereits verlängertes Leben eingehaucht:

· Spezielle Würmer erfahren im Labor des Biologen Siegfried Hekimi aus Montreal statt der normalen 9 Tage bis zu 50 Tage fortschreitendes Wurmleben. Auf den Menschen übertragen, hieße das ein Leben von etwa 400 Jahren.

· Japanische Wissenschaftler haben ein Mäusegen gefunden, welches bestimmte Alterungsprozesse unterdrückt.

· Der Molekulargenetiker Gerald Schellenberg von der Uni Seattle brach den Code eines Gens, das bereits bei 30-Jährigen zur Vergreisung führt, auch Werner-Syndrom genannt.

· Michael Rose von der University of California, Irvine züchtete über 500 Taufliegen-Generationen mit dem Erfolg, dass sich die Lebensspanne verdoppelte. Dies würde einer menschlichen Lebensdauer von 200 Jahren entsprechen.

· Richard Weindruch von der University of Wisconsin-Madison drosselte die Nahrungsaufnahme seiner Nagergruppe aus Mäusen und Ratten. Nur die Menge aller nötigen Spurenelemente und Vitamine wurde beibehalten. Die Nahrung wurde um 2 Drittel reduziert. Die mageren Nager lebten gesund und dazu um 1 Drittel länger.

   Doch bei allen Erkenntnissen - eine Maus ist kein Mensch. Ein gefundenes Gen ist noch lange kein verändertes Gen. Und wenn wir anfangen sollten, menschliche Gene zu verändern, dann ist unbedingt vorher zu klären, was mit dem Ausschuss geschieht, mit denen, wo der Eingriff misslang. Wie sieht das juristische Feld aus bei unserer Streitwut? Viele interessante Fragen, wobei keine dabei ist, die wirklich optimistisch stimmt. Was ist mit Machbarkeit, Sinn, Bezahlbarkeit und politischer Durchsetzungsfähigkeit? Eine Zeit, die bleibt, um Gegenfragen zu stellen und offensichtliche Lügen der Öffentlichkeit nahezubringen.

   Die Wissenschaft besitzt seit einiger Zeit schon nicht mehr die Glaubwürdigkeit, die sie sich gern zuschreiben lassen möchte. Zu sehr sind Wissenschaftler an bestimmte Vergabemodalitäten von Forschungsgeldern gebunden, müssen sich deshalb gegebenenfalls zurücknehmen oder mit übertriebener Anteilnahme sich zu aktuellen Thematiken äußern. Die Wissenschaften haben sich ungemein stark dem Zeitgeist unterworfen, dass es unerlässlich scheint, sich neuen Erkenntnissen gegenüber entsprechend zu verhalten. Speziell, wenn es um biologisch-medizinische Erkenntnisse geht. Zuoberst die Thematik des verlängerten Lebens.  

   Was als schönes Gesicht oder schöner Körper gilt, bestimmen die Eliten, sie definieren Trends und geben Moden vor, heißt es. Sie wären freilich in ihrer Elite-Subkultur ziemlich allein, gebe es nicht ganze Industriezweige, die den 08/15-Zeitgenossen Notwendigkeiten – beispielsweise im Mode- oder Beautybereich - erfolgreich suggerieren und dass sie zu den Auserwählten gehören. Damit werden Mode und Körper zur Philosophie, zur Religion!

   Aufrechterhalten lässt sich dieses Lügengebäude nur vor dem Hintergrund des Jungbrunnens, um genauer zu sein: dem Volks-Jungbrunnen, denn im Prinzip kann jeder teilhaben, jeder kann dabei sein. Ein sich auflösender Mittelstand ist prädestiniert für das Überlassen des Jungbrunnens, um eins mit ihm zu werden, ihn in den Lebensmittelpunkt zu rücken. Dabei verdrängt der umsatzträchtige Verkauf vermeintlicher „Wunderpillen“ den Denkansatz gesunden Menschenverstandes. Ohne veränderten Lebensstil und „gehobeneren“ Konsumierens könne der Mensch weder leistungsfähiger werden noch ein höheres Alter erreichen.

   Die Realität sieht indes schon heute anders aus. Jeder dritte Deutsche über 65 Jahren nimmt mehr als 5 verschiedene Arzneimittel, mit oftmals ungeklärten Neben- und Wechselwirkungen. Bei den Hochbetagten zwischen 80 und 94 Jahren ist es fast jeder 2.

   Nach einer Untersuchung am Robert-Koch-Institut gelten in der Altersgruppe über 65 Jahren nur noch 7,1 Prozent der Frauen und 9,4 Prozent der Männer als gesund. Die Übrigen haben mindestens bis 2 chronische Krankheiten, viele davon auch mehr. Schlechte Aussichten, um über die 90 zu kommen, vital und geistig rege.

   Dazu kommen die Schmerzen. Annähernd die Hälfte der zu Hause lebenden und fast doppelt so viele der in Pflegeheimen versorgten Alten leiden zeitweise oder dauerhaft darunter. Die Abklärung der Schmerzursachen bei älteren Menschen wird schon deshalb kompliziert, weil sie oft gleichzeitig an mehreren Krankheiten leiden, was eigentlich ein interdisziplinäres Herangehen verlangt, um die Wechselwirkungen von Medikamenten erkennbar zu halten. Bereits 5 unterschiedliche Wirkstoffe gelten, was die Wechselwirkungen anbelangt, als unüberschaubar, so die Zeitung Neues Deutschland im Februar 2007. Ungeachtet dessen - bis hin zum Jungbrunnen - werden die Möglichkeiten diskutiert und gelebt, bei entsprechender Bezahlung, versteht sich.

   Nach wie vor erfreut sich der Megatrend Anti-Aging bester „Gesundheit“. Der aus dem amerikanischen Wissenschaftsvokabular übernommene Begriff trat einen beeindruckenden Siegeszug durch alle gesellschaftlichen Bereiche an. Mittlerweile weiß niemand mehr genau, ob es sich um einen Schlachtruf unter vielen oder einen kategorischen Imperativ, dem sich keiner entziehen kann, handelt.

   Das vorgegebene Ziel ist in jedem Fall, egal welcher Variante man sich bedient, das Leben zu verlängern. Um die Anti-Aging-Formeln mit Glaubwürdigkeit zu füllen, musste dabei tief in die Trickkiste gegriffen werden. Von ursprünglich 50,0 Prozent Umwelt und 50,0 Prozent Genetik, dann 60,0 Prozent zu 40,0 Prozent sind wir heutzutage bei 80,0 Prozent Umwelt zu 20,0 Prozent Genetik angelangt. Der genetische Anteil beim Altern, quasi eine Art Rest, könne nun spürbar beeinflusst werden.

   Mit entsprechender Pflege des Genoms würde die biologische Uhr um Jahre zurückgedreht. Dieses Argument überzeugt. Von Zukunftsforschern als Supertrend apostrophiert, bricht sich die Strategie gegen das Altern Bahn. Zu immer mehr Selbstsicherheit, Arroganz und Größenwahn passt genau diese Strömung. Zum Hedonismus gehört das Jungsein!

   Unser genetisch vorgegebenes Alter soll bei etwa 120 Jahren...

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