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E-Book

Eifersucht

Die dunkle Seite der Liebe

AutorNancy Friday
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl476 Seiten
ISBN9783105618998
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Nancy Friday unternimmt eine Forschungsreise ins Labyrinth der »schwarzen Schwester der Liebe«. In diesem umfassenden Werk über eine der stärksten menschlichen Triebfedern durchleuchtet die bekannte Autorin Gefühle, Beziehungen, Erfahrungen und Tatsachen, befragt Fachleute, interviewt Betroffene und lüftet alle Masken, hinter denen sich Eifersucht so oft lauernd versteckt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Nancy Friday ist eine US-amerikanische Autorin, die sich in ihren Büchern insbesondere mit den Themen Selbstbestimmung und Sexualität auseinandersetzt.

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Leseprobe

1. Memoiren einer eifersüchtigen Frau


Erster Teil

Ich bin einmal einem Mann begegnet, der die Eifersucht verbieten wollte. Als Junge war er von seiner Mutter gezwungen worden, die Strumpfreklamen, die er an die Wand seines Zimmers geheftet hatte, zu entfernen. Jahre später hatte seine Ehefrau ihn wieder an die Bedingungen erinnert, die Frauen mit Liebe verknüpfen: Er lag im Bett, betrachtete das nackte Mädchen auf dem Faltblatt im Inneren einer Zeitschrift und liebkoste sich dabei selber. Er streckte die Hand nach seiner Frau aus. «Nein», sagte sie.

Als wir uns kennenlernten, hatte Jack seine Frau und seine drei Kinder verlassen und wohnte in seinem Büro. Er wollte noch einmal von vorn beginnen, die Geschichte neu schreiben: seine eigene. Ich lebte in einer Beziehung, in der ich vor Eifersucht umkam und in der das Verlassenwerden unmittelbar bevorstand: meines. Ich war die Verliererin, fühlte mich verloren und war daher neuen Vorschlägen zugänglich. Und Jack war der geborene Lehrer.

Sein ganzes Leben lang hatte er Frauen zum Begehren, zum Bett, zum Orgasmus geführt. Nun träumte er davon, die Sache umzukehren, träumte von irgendeiner ungeheuer «verruchten» Frau, die ihn zum nächsten Schritt führen würde. Woher sollte er wissen, als er sich mit mir einließ, daß nicht sie, sondern ein «anständiges» Mädchen die Tür öffnen würde? Daß das «Ja» einer Frau mit weißen Handschuhen und einreihiger Perlenkette das «Sesam-öffne-dich» zu dem Kontrollverlust sein würde, den er suchte?

Bei Mädchen meiner Generation sah die Adoleszenz, so atemberaubend in ihrer Direktheit, Tapferkeit nicht vor. Ich hätte ein Rennen gewonnen, ein Sonett geschrieben, mich von den höchsten Bäumen geschwungen – mich in jeder meiner zahllosen «männlichen» Fertigkeiten ausgezeichnet –, um die Liebe des Jungen zu erringen, für den ich die Sterne vom Himmel holen wollte. Doch leider war Warten die einzig erlaubte Aktion. Schnell bemühte ich mich, von den anderen Mädchen zu lernen, deren Anführerin ich einmal gewesen war. Niemand befolgte die Spielregeln der weiblichen Adoleszenz sorgfältiger als ich. Da ich fürchtete, meine sündhaften Wünsche nach diesen geheimnisvollen Geschöpfen, den Jungen, gingen tiefer als bei meinen Freundinnen, wetteiferte ich mit ihnen in Wohlanständigkeit, wie ich einst in Kühnheit und Mut mit ihnen konkurriert hatte. Mein erotisches Selbst verschwand im Untergrund. Ich kannte nicht einmal den Spielraum meiner Phantasien, bis ich Jack traf. Meine Lieblingsvorstellungen, alte Getreue, die mich immer über die Anstandsregeln hinaus und zum Orgasmus getragen hatten, waren mit der Last des Verbotenen befrachtet. Bis Jack kam, war ich meiner Sexualität so entfremdet wie alle anderen Frauen, die ich kannte; jede einzelne zeigte mir dasselbe vorsichtige, brave Gesicht, das auch ich ihr zeigte.

Wäre es überhaupt zu irgend etwas gekommen, wenn ich an dem Tag, an dem ich Jack traf, glücklich gewesen wäre? Hätte ich, wenn ein Mann mich geliebt hätte, wenn meine Identität intakt gewesen wäre, sofort auf einen Mann reagiert, der meinem Leben so fremd war? Spielt das eine Rolle? Seit Monaten war ich immer tiefer in die unerbittliche Depression der Eifersucht gesunken und hatte, wenn ich schlaflos neben dem Mann lag, der mich nicht mehr wollte, die Teile meiner selbst abgestreift, von denen ich am meisten hielt.

Ich hätte ihn verlassen sollen. Ich wußte, daß er mich bald verlassen würde. Doch Zurückweisung war etwas Neues für die Frau, die ich aus mir gemacht hatte. Das Kind, das ich gewesen war, hatte sie sehr genau gekannt. Mit verhängnisvoller Schnelligkeit wurde es wieder wach. Am Anfang hatte dieser Mann mich mehr gewollt als ich ihn. Nun machte er sich nicht einmal mehr die Mühe, die Aschenbecher mit den lippenstiftbeschmierten Zigarettenkippen auszuleeren. Wir schliefen auf den befleckten Laken, auf denen er zuvor andere Frauen geliebt hatte. Als wir uns kennenlernten, hatte seine Frau ihn gerade verlassen. Er war zornig. Seine Rache war noch nicht vollständig. Ich war das erste Opfer, das ihm über den Weg lief.

Ich versuchte, mich zu retten. Wenn andere Männer mit mir ausgehen wollten, nahm der gesunde Teil meiner selbst die Einladung an, doch je weiter der Tag fortschritt, desto mehr ließ meine Entschlossenheit nach. Ich rief zurück und log irgendeine Entschuldigung, weil ich das Bedürfnis hatte, verfügbar zu sein, falls er sich doch noch melden sollte. Es fiel mir leichter, auf seinen Anruf zu warten, als eine Treue zu brechen, die er nicht mehr verlangte und selbst schon längst gebrochen hatte. Spielchen von Nicht-Verfügbarkeit pflegten sonst sein Interesse anzustacheln, doch für geschicktes Manipulieren fehlte mir inzwischen die Energie. Mein Treuegelöbnis galt irgendeinem primitiven Bedürfnis in mir selbst, das verlangte, ich solle auf ihn warten; also wartete ich.

Wenn er sich dann tatsächlich meldete, lag ich nach dem Sex neben ihm und betete, der häßliche Frosch möge erwachen und wieder der Prinz sein, der einmal von Heirat gesprochen hatte. Doch er tat es nie, und nun wurde ich selbst häßlich, blätterte morgens, während er duschte, sein Notizbuch durch und schrieb mir die Namen und Adressen dieser anderen Frauen auf. Sie hatten nichts bedeutet, als wir uns kennenlernten, doch nun waren sie Schönheitsgöttinnen; mächtige Geschöpfe mit all dem Glanz, den ich an jenem Abend besessen hatte, an dem er mich zum ersten Mal sah.

Ich hatte den Raum betreten und das Gefühl gehabt, er gehöre mir. Außer der Gastgeberin war niemand da, den ich kannte, doch es machte mir Spaß, allein zu kommen, den neuen Zauber meines Aussehens zu erproben, der so unerwartet und so spät gekommen war. Der Mann hatte gebeten, mit mir bekannt gemacht zu werden. Ich hatte seinen Wunsch gespürt, mir zu gefallen, mich zu gewinnen, nicht zurückgewiesen zu werden. Ich fühlte meine Macht. Wie bald ich sie wieder verlor …

Schon in derselben Nacht, als wir miteinander schliefen – unserer ersten Nacht –, spürte ich die Verschiebung. Hier liegt ein gutes Argument, nicht sofort mit einem Mann ins Bett zu gehen. Hätte ich ihn besser kennengelernt, so hätte ich festgestellt, daß er nichts weiter war als ein hübsches Gesicht. Überhaupt nicht mein Typ. Ein Rückfall auf die gutaussehenden Helden meiner Jugend, die Football-Stars, die wegen hübscherer, kleinerer Mädchen an mir vorbeigegangen waren. Also hatte ich die sekundäre Macht von Intelligenz und Humor entwickelt und diese am besten bei den Männern gelernt, die ich geliebt hatte.

Ich war gewohnt, mein Spiegelbild, meinen Wert in den Augen von Männern zu suchen. Die Augen dieses Liebhabers hatten mir monatelang die müden, verkniffenen Lippen einer traurigen Frau gezeigt – meine eigene, private Vorstellung davon, was Angst den Gesichtern von Frauen antut. Wenn ich in Schaufenstern mein Spiegelbild sah, wandte ich mich ängstlich ab. Wo hatte ich dieses Gesicht schon einmal gesehen? Bei meiner Mutter, und ich hatte mir geschworen, so würde ich niemals werden.

Jack gab mir mein Selbstgefühl zurück. Es war die Art, wie er mich sah.

«Nein, man sieht, was man sehen will», sagte er später, als ich es ihm erzählte. Er wollte keine Verantwortung, nicht einmal für das Glück einer Frau. Er wollte keine Abhängigkeit. Gleichberechtigung war alles.

Jack selbst suchte das, was er brauchte, in den Augen von Frauen. Wie Narziß schuf er ein Gesicht, um sein eigenes zu spiegeln: aufregend, erotisch, mit vollen Lippen. Eine Frau, so sexuell wie er selbst. Das war eine Maske, die die meisten Frauen nicht tragen wollten. Die meisten Frauen schauten weg. Ich setzte die Maske auf und entdeckte, daß sie ich war.

Ich wollte ein Teil von Jacks Leben sein. Ich wollte meine eigene, eiserne Kontrolle verlieren, den Zwang, der mich immer beengt hatte. Nie kam mir in den Sinn, daß ich keine Vorkenntnisse, keine Erfahrungen in Freiheit oder Leichtigkeit besaß. Ich hatte Liebe ohne Eifersucht nie gekannt.

Jeden Nachmittag rief eine Frau ihn an. Er erzählte mir von ihr. Wochenenden auf Fire Island. Sie nahmen Meskalin. Neidisch lauschte ich den Beschreibungen von Losgelöstheit, Zeit- und Raumverlust. Es verstörte und erregte mich. Die Frau hinterließ Erinnerungen in seinem Büro. Manchmal stieß man unter einem Sessel unerwartet auf ihre Unterwäsche. Jack pflegte sie in eine Schublade zu stopfen. Ließ die Frau – oder Jack – sie liegen, um mir schon jetzt, ehe wir weitergingen, klarzumachen, daß dies die Regeln waren: Es würde keine Regeln geben?

Die Frau, die die rote Bikiniwäsche trug, war real, aber ich war nicht eifersüchtig auf sie. Die Bettgefährtinnen meines ungetreuen Liebhabers führten in meiner argwöhnischen Phantasie ein viel machtvolleres Leben als sie. Jack machte keinen Hehl aus seiner Bewunderung für diese Frau. Ich empfand das nicht als Warnung. Sie war keine Rivalin. Sie war eine Herausforderung. Ich stand in einem Wettbewerb, war noch rational, wenn es um Jack ging. Wir hatten noch keinen Sex gehabt. Die Hitze, die er in mir weckte, war unausgesprochen. die Entscheidung, zu geben oder zurückzuhalten, lag noch in meiner Hand. Ich hatte die Macht.

Ich kannte Jack zwei Wochen, ehe wir uns liebten. Er hätte gesagt, «ehe wir fickten», entschlossen wie er war, sich selbst und mir den Unterschied klarzumachen.

Wir liebten uns, wir fickten, auf seinem riesigen Bett.

Mein Arm schlang sich um ihn.

«Mach das nicht», sagte er.

Die Worte hätten mir signalisieren sollen, daß er vor etwas davonlief, das ich zu jener Zeit verzweifelt brauchte: Nähe.

Kein Versprechen wurde gebrochen. Von Liebe war...

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