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Migration und Behinderung: Heilpädagogik im interkulturellen Kontext

AutorMoritz Gómez Albornoz
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl99 Seiten
ISBN9783836644679
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Was ist wirklich unter dem Begriff Behinderung zu verstehen? Diese Frage steht im Mittelpunkt dieses Buches, in dem die Phänomene der Migration und Behinderung tiefgründig analysiert werden und zu einer interessanten Beziehung finden. Dabei wird erörtert, was es bedeutet, Mensch mit Migrationshintergrund in Deutschland zu sein, welchen Stellenwert Kultur und Fremde für den Behinderungskontext tragen und was die Konsequenzen für entsprechende (heil-)pädagogische Hilfemaßnahmen sind. Anschließend an eine einführende Auseinandersetzung mit den Grundbegriffen der Thematik werden die Lebenswelten von Menschen mit Migrationsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland vielschichtig untersucht und dabei hinterfragt, in welchem Maße die spezifischen Umstände dieser Personengruppe Behinderungen ihrer selbstbestimmten Lebensführung und sozialen Teilhabe hervorrufen. Hierauf analysiert der Autor kritisch das traditionelle Behinderungsverständnis und entwirft eine differente, an biologischen als auch sozialen und kulturellen Aspekten orientierte Perspektive des Behinderungsphänomens. Auf dieser Grundlage baut die anschließende Skizzierung eines alternativen Konzepts einer interkulturell ausgerichteten Heilpädagogik. Auch wenn die Begriffe Migration und Behinderung vermutlich sehr unterschiedliche Assoziationen in der Gesellschaft wecken mögen, so zeigt sich in der vorliegenden Studie jedoch, dass sich beide Phänomene mitunter sehr nahe kommen. Denn wie sich einerseits ein migrierter Mensch in seiner Lebensgestaltung und gesellschaftlichen Partizipation behindert erleben kann, vermag sich andererseits eine körperlich beeinträchtigte Person vor allem als Fremder seiner kulturellen Umwelt empfinden. Es stellt sich heraus: Behinderung kann Kultur und Kultur eine Behinderung sein.

Moritz Gómez Albornoz, geboren 1985 in Markranstädt, wuchs 19 Jahre in Leipzig auf. Nach seinem Abitur setzte er sich während seines Zivildienstes in einer Förderschule zum ersten Mal intensiv mit der Behinderungsthematik auseinander. Später absolvierte er das Diplom-Studium der Heilpädagogik an der Katholischen Fachhochschule NRW. Seit 2005 lebt Moritz Gómez A. gemeinsam mit seiner Frau in Münster. Der Autor arbeitete in verschiedenen Institutionen der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe in Deutschland sowie in Chile, Südafrika und Spanien. Diese beruflichen Erfahrungen im In- und Ausland als auch persönliche Erlebnisse prägten signifikant sein besonderes Interesse in den Themen der Migration, Behinderung und Kultur, die in diesem Fachbuch ihren umfassenden Zusammenschluss finden.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.2, Persönliche Aspekte: Die persönlichen Eigenschaften und individuellen Umstände einer Person gestalten den Umgang mit seiner Migrationsgeschichte. Gleichzeitig ist ein Migrationshintergrund mitunter auch Ausdruck eines gewissen Typus Mensch. In diesem Sinne werden zunächst die Charakteristika von Menschen mit Migrationsgeschichte erläutert und hierauf ihre emotionalen, kulturellen, sprachlichen und ökonomischen Umstände analysiert. Die Erörterung des gesundheitlichen Zustands jener Personengruppe und der Verbreitung diagnostizierter Behinderungen stellen die abschließenden Gesichtspunkte dieses Abschnitts dar. 3.2.1, Der Charakter: Führt man sich vor Augen, was einen Menschen zu einer Migration bewegt und welche Bürden er dafür oft in Kauf nimmt, so ist festzustellen, dass eine Wanderung ein einschneidendes Lebensereignis darstellt. Das Verlassen der eigenen Familie, der Verzicht auf gewohnte Strukturen, die erschwerte Kommunikation in der neuen Umgebung oder das Aushalten prüfender Blicke sind Erlebnisse eines Migranten, die dessen Charakter prägen und ihn vor allem in seiner Willenskraft, Geduld und Toleranz formen. Auch Menschen mit Migrationshintergrund ohne eigene Wanderungserfahrung leben häufig in Spannungsfeldern zwischen Familie und Gesellschaft, zwischen Kulturen und erfahren mitunter ein stetiges Gefühl des Andersseins, wodurch ihr Charakter gezeichnet wird. Global betrachtet bevorzugen Menschen meist selbst bei schlechten bis katastrophalen Lebensbedingungen das Bleiben in ihrer Heimat und nur starker Anreiz oder Druck kann in der Regel eine Person zu einem Verlassen der gewohnten Umgebung wortwörtlich bewegen. Migration ist also keine einfache, spontane Entscheidung. Zudem gehören Migranten eher selten zu der ursprünglich armen und ungebildeten Weltbevölkerung, vielmehr gelten sie als aktiv, mutig und konfliktfähig. Sie sind sie in der Lage, nicht nur emotionale Lasten auszuhalten sondern auch die meist relativ hohen, finanziellen Kosten einer Wanderung aufzuwenden. 3.2.2, Emotionales Befinden: 82% der Menschen, die eine Migrationsgeschichte aufweisen, fühlen sich mit Deutschland eng verbunden. 83% der Befragten leben gerne in Deutschland, 42% sogar sehr gerne. 87% meinen, dass es richtig war, nach Deutschland gekommen zu sein. Gleichzeitig fühlen sich gut zwei Drittel der Befragten mit ihrem Herkunftsland eng verbunden. 17% wissen nicht, zu welcher Kultur sie gehören und 28% sehen Deutschland als Ort, an dem sie ihr Geld verdienen, ihre Heimat bleibt jedoch ihr Herkunftsland. Diese Zahlen gehen aus der SINUS-Studie von 2007/2008 hervor. Zudem wurde anhand der Befragung feststellbar, dass Menschen mit Migrationshintergrund grundsätzlich eine kulturelle Integrationsbereitschaft zeigen und häufig über eine Art bi-kulturelles Selbstbewusstsein verfügen. Überdurchschnittlich stark stellt sich die Leistungsbereitschaft von Personen mit Wanderungsgeschichte dar. 69% meinen, dass man sich durch Anstrengung in Deutschland erfolgreich hocharbeiten kann (im Vergleich zu 57% der Gesamtbevölkerung). Für 80% ist Leistung ein persönlich wichtiger Wert, für 74% gilt selbiges bezogen auf Bildung und Wissen. Knapp drei Viertel aller befragten Menschen mit Migrationsgeschichte streben Erfolg im Beruf und Karriere an. Die Schwerpunkte ihrer Motivationen fallen dabei sehr unterschiedlich aus. Das Streben nach Selbstverwirklichung oder gar Entwurzelung ist genauso feststellbar wie traditionelle Orientierungen oder der Wunsch nach materieller Sicherheit. Eine ältere Befragung von 1994 stellte des Weiteren fest, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund eine höhere Lebenszufriedenheit aufweisen als Personen der gleichen Altersspanne ohne Wanderungsgeschichte. Nur in den Kategorien Hilflosigkeit und Einsamkeit waren die Zufriedenheitswerte umgekehrt. Auch wenn die Ergebnisse der Statistiken nur begrenzte Aussagekraft haben und in Anbetracht der ungleichen und mitunter benachteiligenden Lebensbedingungen der Menschen mit Migrationshintergrund mit großer Vorsicht zu bewerten sind, drücken sie dennoch das grundsätzlich eher positive emotionale Befinden und die Bereitschaft zur Leistungserbringung und Integration jener Personengruppe aus und widersprechen damit ein Stück weit auch den gängigen Vorurteilen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Migration und BehinderungHeilpädagogik im interkulturellen Kontext1
Vorwort4
Inhaltsverzeichnis5
1. Einleitung7
2. Grundlagen10
2.1 Migration10
2.2 Behinderung15
2.3 Heilpädagogik19
2.4 Kultur und Interkulturalität22
3. Die Lebenswelten von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland24
3.1 Migrationsspezifische Aspekte24
3.1.1 Migrationshintergrund24
3.1.2 Migrationsphasen25
3.1.3 Identität26
3.2 Persönliche Aspekte28
3.2.1 Der Charakter28
3.2.2 Emotionales Befinden29
3.2.3 Kultur30
3.2.4 Sprache31
3.2.5 Ökonomische Lage32
3.2.6 Gesundheit33
3.2.7 Die Diagnose „Behinderung“36
3.3 Juristische Aspekte38
3.4 Aspekte alltäglicher Lebensfelder41
3.4.1 Bildung41
3.4.2 Erwerbstätigkeit43
3.4.3 Wohnsituation44
3.5 Soziale Aspekte45
3.5.1 Sozialleben46
3.5.2 Fremdenfeindlichkeit47
3.6 Die erschwerten Lebensbedingungen von Menschen mit Migrationshintergrund – ein erstes Fazit48
4. Wer ist behindert, wer wird behindert? – ein bio-sozio-kulturelles Konzept von Behinderung51
4.1 Die Behinderung des Anderen51
4.2 Das bio-sozio-kulturelle Behinderungsmodell56
4.2.1 Das Fundament des Modells56
4.2.2 Definition von Behinderung und dem behinderten Menschen58
4.2.3 Klassifizierung von Behinderung59
4.2.4 Der ätiologische Hintergrund60
4.2.5 Die Grenzen des Modells63
4.2.6 Zusammenfassung65
4.3 Wer ist wirklich behindert? – ein zweites Fazit66
5. Heilpädagogik im interkulturellen Kontext69
5.1 Die Barrieren der Heilpädagogik69
5.1.1 Das Behinderungsverständnis69
5.1.2 Die Individuumszentrierung70
5.1.3 Das Erziehungsparadigma71
5.1.4 Die Einzigartigkeit72
5.2 Die interkulturelle Heilpädagogik74
5.2.1 Grundlagen des Konzepts74
5.2.2 Die Wesensbegründung76
5.2.3 Der Auftrag77
5.2.4 Das Nutzerprofil78
5.2.5 Der Handlungsansatz79
5.2.6 Zusammenfassung82
5.3 Heilpädagogik für Menschen mit Migrationshintergrund – ein drittesFazit84
6. Schlussfolgerungen88
Literaturverzeichnis90

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