1 Was ist eine Hashimoto-Thyreoiditis?
Die Hashimoto-Thyreoiditis gehört zu den gutartigen Erkrankungen der Schilddrüse. Benannt wurde sie nach dem japanischen Arzt Hakaru Hashimoto.
Hashimoto hat erstmals im Jahre 1912 in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift über die Erkrankung berichtet. Der Begriff »Thyreoiditis« setzt sich aus dem griechischen Wort für »Schilddrüse«, thyreoidea, und der Endung »itis« zusammen. Wird diese Endung an einen medizinischen Fachbegriff angehängt, ist von einer Entzündung die Rede. Dies trifft auch für die Hashimoto-Thyreoiditis zu. Diese Erkrankung führt zwar nicht zu den klassischen Zeichen einer Entzündung, wie wir sie von anderen Organen kennen. Eine Rötung, Fieber oder starke Schmerzen, wie sie sonst bei Entzündungen auftreten, sind nicht typisch. In der Schilddrüse lassen sich jedoch in der feingeweblichen Untersuchung unter dem Mikroskop viele weiße Blutkörperchen als Zeichen einer Organentzündung nachweisen. Neben der entzündlichen Veränderung der Schilddrüse liegt eine Aktivierung des Immunsystems vor. Es kommt zur Bildung von Abwehr-Eiweißen, die sich gegen Strukturen der Schilddrüse richten können – man spricht hier von einer Autoimmunreaktion. Die Folge kann dann eine Unterfunktion der Schilddrüse sein, die die typischen Beschwerden hervorruft.
1.1 In welchen Formen tritt Hashimoto auf?
Hashimoto beschrieb ursprünglich eine Schilddrüsenentzündung, die mit einer Vergrößerung des Organs einherging. Die autoimmun bedingte entzündliche Erkrankung der Schilddrüse, die wir in Deutschland mit dem Namen Hashimoto verbinden, wird im englischen Sprachraum meist nur als autoimmune Thyreoiditis bezeichnet. Dieser Begriff ist eigentlich treffender, da die Erkrankung nicht immer mit einer Schilddrüsenvergrößerung einhergeht. Viele Patienten mit einer Hashimoto-Thyreoiditis erleiden im Verlauf ihrer Erkrankung eine Unterfunktion der Schilddrüse. Das ist aber nicht immer so.
Bei einem Teil der Betroffenen werden nur die typischen Antikörper im Blut erhöht gemessen oder
es findet sich ein typischer Ultraschallbefund. Beide Gruppen haben meist keine Beschwerden.
Die Erkrankungsform, die Hakaru Hashimoto beschrieben hat, geht mit einer Struma (Schilddrüsenvergrößerung) einher. Sie kann bleibend sein oder im Verlauf dazu führen, dass die Schilddrüse schrumpft.
Die Form der autoimmunen Schilddrüsenerkrankung mit einer sich deutlich verkleinernden Schilddrüse wurde 1878 zuerst von William Miller Ord beschrieben. Der britische Arzt war also noch vor Hashimoto der eigentliche Erstbeschreiber der autoimmunen Schilddrüsenentzündung.
Zweifellos besteht eine Hashimoto-Thyreoiditis, wenn eine Unterfunktion bei gleichzeitig erhöhten Schilddrüsenantikörpern vorliegt. Aber auch bei normaler Schilddrüsenfunktion können die Antikörper erhöht sein. Von einer Hashimoto-Thyreoiditis spricht man erst, wenn die Antikörper ein Mehrfaches des oberen Normalwertes erreichen und gleichzeitig das typische Ultraschallbild vorhanden ist. Eine leichte Antikörpererhöhung allein kommt bei 5–7 % der Normalbevölkerung ohne Krankheitswert vor. Auch Menschen mit Schilddrüsenknoten weisen gelegentlich eine leichte Erhöhung der Antikörperwerte auf.
1.2 Wie häufig kommt Hashimoto vor?
Die Folge einer Hashimoto-Thyreoiditis ist oft die Unterfunktion der Schilddrüse. Die Hashimoto-Thyreoiditis ist fast die einzige Erkrankung, die bei Erwachsenen zu einer dauerhaften Unterfunktion der Schilddrüse führt. Andere Erkrankungen, die eine Unterfunktion verursachen, sind entweder angeboren und daher schon seit der Kindheit bekannt, oder sie sind absolute Raritäten. Insgesamt leiden in Deutschland zwischen 1 und 2 % der Bevölkerung an einer Schilddrüsenunterfunktion. Frauen sind etwa 10-mal häufiger von der Hashimoto-Thyreoiditis betroffen als Männer. Die Ursachen dafür sind nicht bekannt. Vor der Pubertät kommt die Hashimoto-Thyreoiditis bei Jungen und Mädchen etwa gleich häufig vor, nach der Pubertät sind deutlich mehr Mädchen betroffen. Dies gibt einen Hinweis darauf, dass die weiblichen Geschlechtshormone einen gewissen Einfluss auf die Auslösung der Erkrankung haben können. Allein können sie aber nicht der Grund sein, da ja auch Jungen und Männer erkranken.
Antikörper gegen Schilddrüsengewebe (TPO-, TG-Antikörper) sind typisch für die Hashimoto-Thyreoiditis. Untersuchungen an vielen Tausend Menschen zeigen, dass etwa 7 % der Gesamtbevölkerung messbare Antikörper haben, aber nur ein Teil der Menschen tatsächlich eine Hashimoto-Thyreoiditis im Verlauf des Lebens entwickelt. Je älter die Personen werden, desto häufiger werden Antikörper nachgewiesen. Bei über 60-jährigen Frauen ist dies bei über 10 % der Fall. Werden erhöhte Antikörper gemessen, ist allerdings das Risiko, im Lauf des Lebens eine Schilddrüsenunterfunktion zu erleiden, deutlich höher als bei Menschen ohne Antikörpernachweis. Für Schwangere mit nachweisbaren Antikörpern besteht ein deutlich höheres Risiko, dass es in den ersten Monaten nach der Geburt zu Funktionsstörungen der Schilddrüse kommen kann.
1.2.1 Gibt es heutzutage mehr Hashimoto-Erkrankungen?
Die Vermutung, dass die Hashimoto-Thyreoiditis in ihrer Häufigkeit zunimmt, lässt sich nicht bestätigen. Neuere Untersuchungen an einem großen Kollektiv von Menschen in Deutschland haben sogar gerade aufgezeigt, dass die Häufigkeit der Schilddrüsenantikörper in der Bevölkerung rückläufig ist. Während vor gut 10 Jahren bei über 4000 Personen der Normalbevölkerung bei 3,5 % der Untersuchten Schilddrüsenantikörper nachweisbar waren, waren es 10 Jahre später bei derselben Untersuchungsgruppe nur noch 2,9 %. Dies zeigt einerseits, dass die Hashimoto-Krankheit, die ja u. a. durch erhöhte Antikörperwerte diagnostiziert wird, nicht zunimmt und dass es bei einem Teil der Menschen zu einem spontanen Verschwinden der Antikörper kommen kann. Eine weitere Erklärung für die vermeintliche Zunahme der Hashimoto-Thyreoiditis ist die Tatsache, dass besonders in früheren Jahren die Patienten nicht so gut über ihre Erkrankungen aufgeklärt wurden. Viele Patienten erhielten die Diagnose »Schilddrüsenunterfunktion« und es wurde eine Therapie eingeleitet. Auch aus meiner täglichen Praxis weiß ich, dass viele Patienten erst nach z. T. jahrzehntelanger Schilddrüsenhormonbehandlung erfahren, dass die Ursache für ihre Schilddrüsenunterfunktion eine Hashimoto-Thyreoiditis ist.
1.2.2 Die häufigste Schilddrüsenerkrankung bei Kindern und Jugendlichen
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Schilddrüsenerkrankung im ▶ Kindesalter. Bei etwa 1–2 % der jüngeren Kinder und 4 % der Jugendlichen finden sich erhöhte Antikörperwerte ohne Nachweis einer Hashimoto-Erkrankung. Bei Erwachsenen sind Schilddrüsenknoten um ein Vielfaches häufiger als die Hashimoto-Erkrankung. Etwa 3,5 von 1000 Mädchen erkranken an einer Hashimoto-Thyreoiditis und 0,8 von 1000 Jungen. Nach der Pubertät überwiegen bei den neu erkrankten Kindern die Mädchen, und zwar im Verhältnis von 6,5:1. Bei Erwachsenen ist das Verhältnis von Frauen zu Männern über 10:1.
Früher häufiger als heute?
In Deutschland besteht seit einiger Zeit der Eindruck, dass mehr Jugendliche eine Hashimoto-Thyreoiditis haben könnten. Dies liegt aber vermutlich nicht an einer echten Zunahme der Erkrankungshäufigkeit, sondern an der Neueinführung einer Vorsorgeuntersuchung von Kindern und Jugendlichen zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr (sogenannte J1-Untersuchung). Früher sind nach den kindlichen Vorsorgeuntersuchungen (U1–U9) bis zum Erwachsenenalter keine weiteren Vorsorgeuntersuchungen gemacht worden. Mit Einführung der Jugendlichenvorsorge J1 sind viel mehr Jugendliche zum Arzt gegangen. Dabei sind dann manchmal im Ultraschall oder bei den Laboruntersuchungen Veränderungen aufgefallen, die zur Diagnose »Hashimoto« geführt haben. Diese vermeintliche Zunahme der Erkrankungen ist also eher auf die zusätzlich durchgeführten Untersuchungen zurückzuführen.
1.3 Wird Hashimoto vererbt?
Viele Patienten berichten über Verwandte mit einer Unterfunktion der Schilddrüse. Bei genauem Befragen stellt sich heraus, dass fast immer eine Hashimoto-Thyreoiditis die Ursache ist. Es gibt also ein gehäuftes Auftreten dieser Erkrankung bei Familienmitgliedern betroffener Menschen. Ein typischer Erbgang wie bei anderen Erkrankungen besteht aber nicht. Es lässt sich daher statistisch auch nicht berechnen, wie hoch das Risiko für den Einzelnen in der Familie ist, eine Hashimoto-Thyreoiditis zu entwickeln. Auffällig ist aber, dass es Familien gibt, in denen viele Mitglieder betroffen sind und fast in jeder Generation Erkrankte bekannt sind, während in anderen Familien nur wenige Personen betroffen sind und häufig auch ganze Generationen übersprungen werden und krankheitsfrei sind. Warum dies so ist, ist nicht bekannt.
Eine große Untersuchung an 2945 Zwillingspaaren (5890 Einzelpersonen) wurde in Dänemark durchgeführt. Das Risiko, überhaupt eine Schilddrüsenunterfunktion zu haben, betrug für alle untersuchten Personen 0,41 %. Das heißt: Weniger als jeder 200. Mensch (im Alter von 38–47 Jahren) entwickelte bis zu...