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E-Book

Geschichte der Pflege

AutorIrene Messner
VerlagFacultas / Maudrich
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl Seiten
ISBN9783990306345
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Die Erforschung der Geschichte der Pflege ist eine faszinierende Reise zu den Wurzeln heutiger Strukturen, die ihre Spannung über das Entdecken von Zusammenhängen bezieht und aus dem Verhältnis für einstige Bedingungen Konzepte für heute und morgen entwickeln kann. (Hilde Steppe) Erst die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit befähigt uns dazu, das Heute und Morgen mitzuentwickeln. Irene Messner gibt in diesem Buch einen Überblick über die Geschichte der Pflege von der Antike bis in die heutige Zeit. Eine Zeitreise, die neugierig macht, fasziniert und zum Nachdenken anregen soll.

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Leseprobe

2 Mittelalter

In der Geschichte Europas wird die Zeit zwischen dem Ende der Antike (um 500 n. Chr.) und dem Beginn der Neuzeit (um 1500 n. Chr.) allgemein als Mittelalter bezeichnet. Den Übergang ins Mittelalter bildet der Zerfall der griechisch-römischen Antike.

In alphabetischer Reihenfolge einige Begriffe, die untrennbar mit dem Mittelalter verbunden sind:

Buchdruck • Byzantinisches Reich • Christliche Geisteshaltung • Dreifelderwirtschaft• Frauenfeindlichkeit • Feudalismus • Geozentrisches Weltbild • Hundertjähriger Krieg • Investiturstreit • Judenprogrome • Islam • Jeanne d’Arc • Karl der Große • Klostergründungen • Kreuzzüge • Lehnswesen • Pestepidemien • Rittertum • Scholastik • Ständegesellschaft • Universitätsgründungen • Völkerwanderung • Zünfte

Durch den Zerfall des Römischen Reiches kam es im Mittelalter zu einem Verlust an Wissen. Neue Träger und Bewahrer von Gelehrsamkeit wurden die Klöster. Europa stand weiter unter dem Zeichen des Christentums, d. h. die Einstellung zu Gesundheit, Krankheit und Caritas hatte sich nicht geändert. Weiterhin war Gesundheit erstrebenswertes Gut und Notwendigkeit, um sich und seine Familie zu erhalten und auch, um den Dienst am Nächsten leisten zu können.

Die Behandlung des kranken Nächsten umfasst immer den ganzen Menschen:

„… es wird kein Unterschied gemacht zwischen einer höheren Seelsorge … und einer niedrigen Leibsorge. Da wird aber auch nicht unterschieden zwischen einem gemeinen ‚natürlichen‘ Leben und einem zu erstrebenden ‚höheren‘ Leben, nicht um ‚seelische‘ Bedürfnisse oder ‚geistige‘ Werte. Da gibt es kein so blasses wie häretisches ‚Rette deine Seele‘, sondern immer nur die alleinverbindliche gemeinsame Sorge um den ganzen Menschen! Es kann daher nicht ernst genug genommen werden, dass in ihrem Verwurzelungsgrund die Pflegedienste wie auch das theologische Amt aufs engste miteinander verbunden waren“ (Schipperges, 1990, S. 193).

Heilkunde und Lebenskunde waren in der Welt des Mittelalters ganz und gar eins; Heilkunde war eingewoben in das tägliche Leben mit seinen Grundbedürfnissen. Wir finden hier also wieder die Diätetik der Antike, erweitert und verbunden mit der christlichen Lehre: „In diesem Beachten des rechten Gleichgewichts liegt die Erhaltung der Gesundheit. Und die Entfernung dieser sechs Dinge vom rechten Gleichgewicht bewirkt die Krankheit, da Gott, der Herrlichste und Höchste, es so zulässt“ (Michael Herr, Arzt aus Kolmar [1533]; zit. nach Schipperges, 1990, S. 225).

Beruhend darauf entstand im 13. Jahrhundert ein volkstümliches Gesundheitsbuch, das „Regimen Sanitatis Salernitanum“. Es ist in Versen und humorvoll abgefasst, wurde in mehrere Sprachen übersetzt und konnte daher viele Menschen erreichen; es war weniger ein medizinisches Werk als eine Anleitung zur Selbsthilfe:

„Willst du dich tüchtig erhalten, gesund,

so höre, was wir dir künden itzund:

Fort mit den drückenden Sorgen: Zorn ist,

o glaub mir, gemein:

Nimmst du nur kargen Imbiss,

hüt’ dich vor starkem Wein:

Hast du gespeist, so erhebe dich gern:

halte den Schlaf dir um Mittag fern!

Halte den Harn zurück nicht lang,

regt sich’s im Darm, so folge dem Drang.

Tust du genau, wie wir es dir weisen,

wirst du lange durchs Leben reisen.“

Einige Aussagen daraus finden wir in Sprichwörtern wieder, z. B.: „Nach dem Essen sollst du ruhn/oder tausend Schritte tun“.

Während also der Dienst am Nächsten weiterhin die Grundlage in der Versorgung Kranker war, änderten sich die Einrichtungen, in denen Kranke versorgt wurden. Vor dem Hintergrund der Hilfeleistung am Nächsten entstanden dauerhafte Institutionen, die in der Lage waren, Notleidende aufzunehmen und Kranke zu pflegen. Es entwickelte sich ein komplexes System an Versorgungseinrichtungen, zunächst die Krankenpflege in den Klöstern, dann die Versorgung in den Hospitälern bis zur Entstehung der ersten bürgerlichen Krankenanstalten.

2.1 Geistliche Ordensgemeinschaften und Klöster

Bis zum 12. Jahrhundert waren die Ordensregeln der Benediktiner die Grundlage des Mönchtums. Die Benediktiner gehen zurück auf Benedikt von Nursia, geboren um 480 in der Nähe von Nursia in Umbrien und gestorben 547 auf dem Monte Cassino bei Neapel. Die Abtei von Monte Cassino wurde von ihm gegründet, sie ist auch das Mutterkloster der Benediktiner. Dieses Kloster wurde im Zweiten Weltkrieg bei der Schlacht um Monte Cassino zerstört und nach dem Krieg nach den Originalplänen wieder errichtet. Neben der bekannten Ordensregel „Ora et labora“ („Bete und arbeite“) übertrug Benedikt von Nursia seinen Mitbrüdern in Kapitel 36 der „Regula benedicti“ die Sorge über Gesunde und Kranke. Doch nicht nur die Pflege der Kranken und Armen war den Klostergemeinschaften wichtig, sondern auch die Ausbildung.

Kapitel 36: Die kranken Brüder

1. Die Sorge für die Kranken muss vor und über allem stehen: man soll ihnen so dienen, als wären sie wirklich Christus;

2. hat er doch gesagt: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“,

3. und: „Was ihr einem dieser Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“

4. Aber auch die Kranken mögen bedenken, dass man ihnen dient, um Gott zu ehren; sie sollen ihre Brüder, die ihnen dienen, nicht durch übertriebene Ansprüche traurig machen.

5. Doch auch solche Kranke müssen in Geduld ertragen werden; denn durch sie erlangt man größeren Lohn.

6. Daher sei es eine Hauptsorge des Abtes, dass sie unter keiner Vernachlässigung zu leiden haben.

7. Die kranken Brüder sollen einen eigenen Raum haben und einen eigenen

Pfleger, der Gott fürchtet und ihnen sorgfältig und eifrig dient.

8. Man biete den Kranken, sooft es ihnen guttut, ein Bad an; den Gesunden

jedoch und vor allem den Jüngeren erlaube man es nicht so schnell.

9. Die ganz schwachen Kranken dürfen außerdem zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit Fleisch essen. Doch sobald es ihnen besser geht, sollen sie alle nach allgemeinem Brauch auf Fleisch verzichten.

10. Der Abt sehe es als eine Hauptsorge an, dass die Kranken weder vom Cellerar noch von den Pflegern vernachlässigt werden. Auf ihn fällt zurück, was immer die Jünger verschulden.

Diese Ordensregeln bilden noch heute die Basis des Benediktinerordens (vgl. stiftmelk.at).

Im Konzil von Aachen (816) wurden die Domherren verpflichtet, Hospitäler zu errichten. Die Ausübung der Heilkunde und Krankenpflege wurde somit großteils in die Hände der Ordensgemeinschaften gelegt. Jedes noch so kleine Kloster sollte über ein eigenes Haus zur Krankenpflege verfügen. Im Jahr 830 entstand im Kloster St. Gallen ein Musterplan, der allerdings nie in dieser Weise verwirklicht wurde. Er enthielt Krankensäle, Badehaus, Latrinenanlagen, Ärztehaus, eine Apotheke, Ärztezimmer, einen Kräutergarten und natürlich eine Kirche.

Im sogenannten Hospitale pauperum kümmerte man sich um die Versorgung der Armen, im Hospitium kümmerte man sich um jene Hilfsbedürftigen, die aus den höheren Schichten stammten, oder um reiche Reisende. Für die Pflege und Behandlung kranker Klosterbrüder war das Infirmarium, das einen eigenen Vorstand hatte, vorgesehen. An das Infirmarium schlossen eine eigene Küche, Speiseraum, Badehaus, Behandlungsraum für den Aderlass, eine Kapelle und die Unterkünfte für den Arzt und Apotheker an.

Erkrankte ein Mönch, wurde er im Infirmarium für die Dauer seines Siechtums behandelt. Er war von sämtlichen Pflichten befreit und erhielt zudem noch eine besondere Behandlung. Um rasch wieder zu Kräften zu gelangen, stand z. B. Fleisch öfter am Speiseplan, und auch wohltuende Bäder sollte der Kranke regelmäßig nehmen. Wohl wissend, dass eine derartige Sonderbehandlung auch zu Missbrauch führen kann, mussten sich die kranken Brüder ob ihres Zustandes regelmäßig rechtfertigen.

Außerhalb der Klosteranlagen entstanden Leprosorien; diese Einrichtungen dienten zur Aufnahme Aussätziger, also Menschen, die an Lepra oder anderen mit Hautausschlägen verbundenen Erkrankungen litten. Die flächendeckende Errichtung von Leprosorien war eine der ersten durchgreifenden Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge.

2.2 Krankenpflege der Klostermedizin

In den Klöstern war ein Mönch mit der Verwaltung und Leitung der klösterlichen Spitalsanlagen betraut. Vom Titel dieser Funktion, „Servitor infirmorum“, stammt die Bezeichnung Infirmarius, der Krankenmeister. Er hatte dafür Sorge zu tragen, dass die Kranken alles hatten, was sie benötigten. In der Regel hatte er daher eine kleine Wirtschaft zur Verfügung, leitete eine kleine Apotheke, bereitete selbst Heiltränke und verfügte über jene Kompetenzen, die zur Ausübung der kleinen Chirurgie vonnöten waren. Das weibliche Pendant...

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