2 Vollkostenrechnung
2.1 Vollkostenrechnung nach Kostenarten, Kostenstellen und Kostenträgern
Die klassischen Kostenrechnungssysteme und insbesondere die Vollkostenrechnung gliedern sich in drei Teile, die auch im Ablauf ihrer Durchführung in drei Schritte zeitlich hintereinandergeschaltet sind.
• Die Kostenartenrechnung, in welcher, ähnlich zu den GuV-Konten der Finanzbuchhaltung, die anfallenden Kosten nach Kostenarten erfasst werden. Dies können z. B. die Kosten für Löhne und Gehälter, die Kosten für Reparaturen, die Kosten für eingesetztes Material, Abschreibungen usw. sein. Die Frage, die hiermit beantwortet wird, lautet »Welche Kosten sind angefallen?«.
• Die Kostenstellenrechnung. Hier geht es darum, die Frage zu beantworten »Wo sind die Kosten angefallen?«, genauer gesagt, an welchen Stellen im Unternehmen. Das können unterschiedliche organisatorische Einheiten sein, wie z. B. die Abteilungen eines Unternehmens, etwa eine Werkstatt, eine Abteilung Vertrieb, eine Fertigungsabteilung oder das Lager.
• Schließlich dient die Kostenträgerrechnung zur Beantwortung der Frage »Wofür sind die Kosten angefallen?«. Damit ist gemeint, herauszufinden und darzustellen, für welche Leistungen d. h. Kostenträger, wie z. B. erzeugte Produkte, Produktgruppen, Aufträge oder Dienstleistungen die Kosten entstanden sind.
Der Ablauf und Zusammenhang dieser Teile innerhalb einer Vollkostenrechnung ist in der folgenden Abbildung 35 gezeigt.
Während die Kostenartenrechnung (im Rahmen der Kostenerfassung) meist simultan mit den Belegbuchungen aus der Finanzbuchhaltung gefüllt wird, bzw. nach den Berechnungen aus der Anlagebuchhaltung oder anderen Nebenbuchhaltungen mit zeitnahen Informationen versorgt werden kann, sind die Fragen, die sich innerhalb der Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung stellen, nicht immer sofort zu beantworten.
Abb. 35: System und Ablauf der Vollkostenrechnung
• Gemeinkosten, die mehrere Kostenstellen gleichzeitig betreffen, müssen nach ihrer Kostenerfassung erst einen Verteilungsprozess (eine Kostenverteilung) durchlaufen ( Kap. 1.4.1), um auf die verschiedenen Kostenstellen zugeordnet zu werden. So kann eine Rechnung für die jährlichen Heizkosten bspw. sowohl mehrere Kostenstellen der Verwaltung als auch der Fertigung oder des Lagers betreffen. Sollten z. B. noch innerbetriebliche Leistungsaustausche im Unternehmen hinzukommen, wie z. B. die Inanspruchnahme der Dienste einer EDV-Abteilung durch eine Lagerkostenstelle, dann werden die Kostenstellen noch nach Haupt- und Hilfskostenstellen (wie hier die EDV-Kostenstelle) unterteilt, um diesen Leistungsaustausch abzubilden ( Kap. 2.3.4).
• Einzelkosten hingegen können aufgrund ihres Charakters direkt den Kalkulationsobjekten, hier den Kostenträgern wie z. B. einzelnen Produkten oder Produktvarianten zugeordnet werden. Solche Kosten wären bspw. die Materialkosten.
• Die Vollkostenrechnung ist dadurch gekennzeichnet, dass alle Kosten, die in der Kostenrechnung erfasst werden, durch direkte Zuordnung oder über den Weg der Kostenstellenrechnung auch in der Kostenträgerrechnung ankommen. Es werden also Gesamtkosten erfasst, verrechnet und schließlich zur Ermittlung des Betriebsergebnisses, zur Preiskalkulation oder zu anderen Zwecken der Unternehmenssteuerung bereitgestellt. Andere klassische Systeme (der Teilkostenrechnung) laufen zwar auch nach demselben Schema ab, unterscheiden sich aber durch einen geringeren Verrechnungsumfang.
2.2 Kostenartenrechnung – Welche Art von Kosten sind angefallen?
Zur Beantwortung der Frage »Welche Kosten sind angefallen?« muss die Kostenartenrechnung eine Reihe von Anforderungen erfüllen:
• Die vollständige Erfassung sämtlicher Kosten für die Erstellung und Verwertung betrieblicher Leistungen innerhalb einer Periode: Hierzu kann in vielen Bereichen auf die Finanzbuchhaltung und deren Nebenbuchhaltungen aufgebaut werden wie die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung zur Erfassung der Personalkosten, die Anlagebuchhaltung zur Ermittlung und Erfassung der Abschreibungen, die Kreditorenbuchhaltung für die Kosten der Dienstleistungen, die Materialbuchhaltung des Materialwirtschaftssystems zur Erfassung des Materialverbrauchs und der Materialkosten ( Abb. 36).
Abb. 36: Die Erfassung der Kostenarten
• Es muss zusätzlich eine Abgrenzung durchgeführt werden und unterschieden werden zwischen Aufwendungen, welche betragsgleich übernommen werden können, solchen die auszuschließen sind (neutraler Aufwand), solchen Kosten, die hinzukommen (Zusatzkosten) und solchen, welche anders zu bewerten sind (Anderskosten). Da die Kostenrechnung oft kürzere Perioden als die Finanzbuchhaltung verwendet, ist auch eine detailliertere Periodenaufteilung und -abgrenzung notwendig.
• Die Kosten, die erfasst werden, müssen eindeutig und einheitlich sein. Das heißt die Kostenarten dürfen sich nicht überschneiden (wie z. B. Reparaturlöhne und Lohnkosten insgesamt).
• Die Gliederung der Kostenarten kann sich z. B. an den GuV-Konten der Finanzbuchhaltung orientieren. Diese werden üblicherweise nach der Art der eingesetzten Produktionsfaktoren (z. B. Personal, Material, Abschreibungen) gegliedert. Die Kostenarten sind aber nicht identisch mit den Finanzkonten. Zum einen führen insbesondere rechtliche und steuerrechtliche Aspekte dazu, dass in einer Finanzbuchhaltung in bestimmten Bereichen eine detailliertere Aufgliederung der Konten stattfindet. Zum anderen kommen für Zusatzkosten oder Verrechnungen zusätzliche Kostenarten hinzu, die kein Pendant in der Finanzbuchhaltung finden. Je nach Bedarf wird man Kostenarten deswegen nach Grundkosten ( Kap. 2.2.1) und kalkulatorischen Kosten ( Kap. 2.2.2) strukturieren. Eine weitere mögliche Gliederung ist diejenige nach Einzel- und Gemeinkosten, da dies für die weitere Verrechnung von Bedeutung ist.
• Wie viele verschiedene Kostenarten in der Kostenartenrechnung benutzt werden, richtet sich nach der Art der Informationsvielfalt und -tiefe, welche für die Unternehmenssteuerung benötigt wird. Dies hat aber auch etwas mit der Wirtschaftlichkeit der Ermittlung der Kosten und der Komplexität der Datenhaltung zu tun. Für manche Unternehmen mag z. B. die Kostenart »Ausgangsfracht« ausreichen, für andere mag es notwendig sein, diese in »Seefracht, Luftfracht, Bahntransport, LKW-Transport, Paketdienste« usw. zu unterteilen.
• Auch ist die Entscheidung zu treffen, ob grundsätzlich bestimmte Typen von Zusatzkosten (wie z. B. kalkulatorische Zinsen) überhaupt in Betracht gezogen werden sollen oder nicht.
• Wenn die Kostenarten und die Kostenartengliederung nach bestimmten Kriterien definiert wurden, sollte nach dem Prinzip der Kontinuität für eine längerfristige einheitliche Anwendung gesorgt werden, um Ergebnisse über mehrere Perioden vergleichbar zu halten.
Die Aufgaben der Kostenartenrechnung bestehen neben der Erfassung der gesamten Kosten in deren Aufbereitung zur weiteren Verarbeitung in der Kostenstellenrechnung. Somit bildet sie die Basis für die Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung und für die Entscheidungen, die damit getroffen werden. Deshalb ist bereits an dieser Basis mit entsprechender Sorgfalt und Weitsicht vorzugehen.
Schließlich ist die Kostenartenrechnung bereits selbst der Ausgangspunkt für viele kostenartenbezogene Planungen, Kontrollen und Analysen. Das können kostenartenbezogene Zeitvergleiche sein, z. B. die Entwicklung der Reparaturkosten eines gesamten Werkes über mehrere Jahre. Das können Soll-Ist-Vergleiche sein, wie z. B. der Vergleich der budgetierten und der tatsächlichen Aufwendungen für die externen Ausbildungskosten eines Unternehmens.
Des Weiteren lassen sich Benchmarking-Analysen sowie Analysen zur Struktur der Kostenarten durchführen (z. B. der Anteil und die Entwicklung der Personalkosten an den gesamten Kosten). Obwohl die Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung vielfach eine notwendige Präzisierung darstellen, um Kosten vergleichen und beurteilen...