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E-Book

Drei Jahre China

Zuhause in einem fremden Land

AutorCarl Hertzer
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783746086644
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
Die Arbeit führt den Autor aus Deutschland ins Reich der Mitte. Drei Jahre lang lebt er mit seiner vierköpfigen Familie in China. Diese Zeit im flächengrößten ostasiatischen Staat sorgt für tiefgehende Einblicke in die exotische Kultur und Mentalität. Zahlreiche Reisen quer durch das Land von der Großen Mauer über die Seidenstraße bis nach Tibet zum Fuß des Mount Everest zeigen die atemberaubende Schönheit des Landes und die Besonderheit seiner Menschen. Dieses Buch schildert spannend, bildgewaltig und stets unterhaltsam die Abenteuer während des dreijährigen Chinaaufenthalts.

Carl Hertzer, Jahrgang 61, wurde in Amberg, Bayern geboren. Nach Abschluss des Gymnasiums dort ging er zum Studium nach Karlsruhe. Dabei entdeckte er erstmals seine Liebe für fremde Länder und Kulturen und verbrachte als Student über ein Jahr in Amerika, Australien und Neuseeland. Anschließend begann er bei einem großen deutschen Unternehmen zu arbeiten, dem er bis heute treu geblieben ist. Für den Aufbau einer Fertigung bekam er dort die Möglichkeit für 3 Jahre mit seiner Familie nach China zu gehen.

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Leseprobe

ANKOMMEN


1. Abflug

Der Wagen voll bis unters Dach. Klar, wir wandern aus, verlassen Deutschland für ein paar Jahre, da kommt schon eine Menge Gepäck zusammen. Ich arbeite für ein großes deutsches Unternehmen und habe einen Job im Ausland angetreten. In China.

Ich bin Anfang 40, mittelgroß, mittel-schlank, die Haare haben beschlossen, auszufallen, statt grau zu werden. Ich habe ein Allerweltsgesicht; das ist gut, wenn man nicht wiedererkannt werden will, allerdings blöd, wenn man sich das dritte Mal derselben Person innerhalb von zwei Wochen vorstellt. Im Grunde bin ich sehr durchschnittlich. Manche halten mich für eine graue Maus. Würde man zehn Leute fragen, welchen Beruf sie mir zutrauen, würden sieben garantiert auf Buchhalter tippen und die anderen drei auf Verwalter eines Archivs.

Ganz anders Anne, meine Frau. Sie ist der Paradiesvogel. Mit dem Erkanntwerden hat sie keine Probleme. Noch nach Jahren wird sie mit „Ich kenne Sie doch“ begrüßt. Sie ist 40, hat sehr hübsche und markante Züge, ihre Haare sind blond und kurz geschnitten und sie ist immer bereit für einen flotten Spruch und ein Gespräch. Sie ist zupackend und nicht etepetete. Wer das ist, sollte lieber nicht in den Flieger steigen, um in China ein paar Jahre zu verbringen. Abenteuerlustig ist sie, eine Eigenschaft, die sich auch hinter meiner grauen Fassade verbirgt und die viele überrascht. Und ein weiteres Talent bringt Anne mit, das in China äußerst nützlich ist und dort, dank der vielen Gelegenheiten, zur Perfektion entwickelt werden kann. Sie kann verhandeln wie keine zweite. Davon werden wir während unseres Aufenthalts noch oft profitieren.

Es ist meine erste Stelle im Ausland, allerdings habe ich ein Faible für fremde Kulturen und bin schon viel gereist. Das „Fremde“ ist mir also nicht ganz fremd. Meine Frau ist aus ähnlichem Holz geschnitzt. Sie ist eine ehemalige Reiseleiterin. Als wir darüber gesprochen haben, eventuell nach China zu gehen, war sie erst neugierig und anschließend ganz aufgeregt. Sie geht mit viel Vorfreude in das neue Land.

Und dann sind da zwei, die wurden nicht so richtig gefragt. Sie haben Bücher in englischer Sprache bekommen, Spiele in Englisch und Kinderbücher über die Chinesische Mauer und einen chinesischen Kaiser. Wir haben ihnen Bilder gezeigt und es geschafft, dass auch sie gespannt mitgehen. Alena ist sieben und ein hübsches Mädchen. Lorenz ist sechs, ein kleiner Hänfling, ebenfalls blond, ziemlich süß und meist gut gelaunt.

Drive-Through Check-in“, ruft Anne, als wir den Flughafen München erreichen und deutet auf ein Schild, das zu einem Schalter draußen weist.

Gott sei Dank, denke ich. Ich hatte nämlich nicht unbedingt Lust, die ganzen schweren Koffer und Taschen auf Trolleys zu laden und durch den Flughafen zu schieben, während die Kinder vorne draufsitzen, abhauen, weinen oder andere kindertypische Sachen machen würden.

Also nichts wie hin an den Schalter, ein Geschenk Gottes. Ja, Deutschland verabschiedet sich standesgemäß.

„Ich mach‘ zu“, brummt es hinter einem Bart hervor. Der Bart gehört zu einem Mann, der dort am Außenschalter steht und offensichtlich der Zuständige ist.

„Warum zu, was meinen Sie?“, frage ich.

„Ja, zu. Da steht`s: Schalter ist bis acht Uhr besetzt“, kommt es im schönsten bayerischen Dialekt zurück.

„Ja, aber es ist doch erst zehn Minuten vor acht Uhr!“

„Bis wir fertig sind, ist es nach acht Uhr und ich habe Dienstschluss.“

Das darf ja wohl nicht wahr sein. Da bin ich mit kleinen Kindern vor einem großen Schritt in meinem Leben, aufgeregt, ein bisschen müde, und der Typ erzählt mir, dass ich jetzt Sack und Pack durch den Flughafen schieben soll.

„Wir reisen aus, wir haben einen Haufen Sachen dabei, sehen Sie da auf den Wagen; Sie können nicht schließen!“

„Sage ich ja, viel zu viele Sachen, da werden wir nie bis um acht Uhr fertig. Gehen Sie zum Schalter sieben, ich mach zu.“ Sagt`s, geht und lässt uns einfach stehen.

„Danke München, danke Deutschland, dass du es uns einfach machst, zu gehen.“ Auch wenn nicht das ganze Land mit solchen Vollidioten bevölkert ist, erleichtert uns das den Abschied und gibt dem neuen Land gleich einen Bonuspunkt. Dass mir als Bayer dies ausgerechnet in Bayern passiert, kratzt etwas an meiner Ehre.

Die Abschiedsfeiern sind gefeiert, die Abschiedstränen sind geweint, jetzt am Flughafen sind nur noch meine Schwester, mein Schwager und meine Mutter für das finale Ade dabei. „Asiatisch oder bayerisch essen, zum Abschied?“, ist die wirklich ernst gemeinte Frage meiner Schwester. Die Wahl ist klar und die Leberkäsesemmel schlecht. Weich und fettig. Kein netter Gruß zum Abschied aus Bayern.

Dann die Passkontrolle, die Flugsicherheit – und ein neuer Lebensabschnitt beginnt.

Rein in den Flieger.

„Ihre Bordkarten, bitte“, flötet eine nette Stewardess. „Danke, bitte links zur Business Class.“ Ja, es geht komfortabel nach China. Die Firma lässt es sich einiges kosten, damit ihre Entsandten mit einem guten Gefühl in der neuen Heimat ankommen. Die Kinder waren schon Tage vorher aufgeregt und fühlen sich so richtig bedeutend, dass sie Business Class fliegen dürfen. Und so sitzen sie wie Prinz und Prinzessin in ihren großen Sitzen, fahren die Lehnen rauf und runter, schauen wichtig und sind absolut begeistert, ihren eigenen Fernseher für den ganzen Flug zu haben. Da hat das Zielland schon den nächsten Bonuspunkt gesammelt.

„Möchtet ihr etwas zu trinken?“ Für die nette Stewardess ist es vermutlich eine Abwechslung, nicht nur Männer zu bedienen, die überheblich schauen, ernst sind oder rumbaggern, sondern mal ein paar kleine Gäste, die das Verwöhnprogramm absolut genießen.

So verläuft der Flug für uns alle äußerst angenehm.

2. Ankunft in China

Gut geschlafen haben wir, und die Kinder sind fast enttäuscht, dass der Business Class-Aufenthalt schon vorbei ist. In Zukunft gibt es wieder Normalbehandlung.

Anne und ich kennen China schon. Vor der endgültigen Entscheidung, eine Auslandsstelle anzutreten, schickt einen die Firma zur sogenannten „Orientierungsreise“. Dabei lernt man die Arbeitsumgebung kennen, aber, genauso wichtig, die Lebensumstände, die Schulen, mögliche Häuser oder Wohnungen, Einkaufsläden und Restaurants. Ein bisschen wird dabei ebenfalls die Werbetrommel gerührt, man möchte den Mitarbeiter ja in der Regel gewinnen. Die Reise bietet die Chance, dass eine der beiden Seiten sagen kann: „Na ja, das ist nicht das, was wir uns vorgestellt haben.“ Wir haben den Ausflug gemacht und uns danach auf diesen Aufenthalt sehr gefreut, da wir China dabei als äußerst spannendes, interessantes Land erlebt haben.

Ich hatte darüber hinaus im Anschluss weitere Möglichkeiten, China kennenzulernen. Meine Aufgabe ist es, in China eine neue Fertigung für Automobilteile aufzubauen. Dazu bin ich im Laufe des vergangenen Jahres bereits einige Male dort gewesen, um den Start der neuen Fabrik vorzubereiten und Personal einzustellen.

Für Anne und mich sind die Eindrücke bei unserer Ankunft also nicht ganz neu. Für die Kinder schon.

Wenn man in die USA einreist und an die Immigration kommt, stellt sich meist ein sehr beklemmendes Gefühl ein. „Wird er mich reinlassen?“ – „Ob ich was Unerlaubtes dabeihabe?“ – „Hoffentlich sage ich nichts Falsches.“ Umso mehr ist man von Grund auf bei der Einreise nach China befangen, wenn man an die Schalter der Passkontrolle tritt. Der Staat, der alles kontrolliert. Kommunistisch. Meine Großmutter lebte in der DDR, ich habe genügend Einreisen in einen kommunistischen Staat hinter mir, um mir eine gewisse Befangenheit erlauben zu dürfen.

Ni hao! (Guten Tag) – Ni hao! Wir haben eine Beamtin erwischt (an der DDR-Grenze waren das meist die schlimmsten, weil sie wohl beweisen wollten, noch bissiger, noch härter als die männlichen Kollegen zu sein). Sie blättert durch unseren Pass, findet das Visum und scannt den Pass ein. Die Kinder lächelt sie breit an (das wird uns künftig oft passieren, da Chinesen sehr kinderlieb sind und es ihnen ganz besonders westliche, blonde Kinder angetan haben). Anschließend stempelt sie alle Pässe, sagt: „Danke, auf Wiedersehen“, lächelt erneut und wir dürfen einreisen. Es ist sogar ein Bewertungsknopf da, mit dem wir den Service beurteilen dürfen: Smiley, neutral, frowny. Das wäre mal ein Verbesserungsvorschlag für die deutsche Passkontrolle. In den kommenden Monaten und Jahren reise ich sehr oft ein und aus, und jedes Mal werde ich an der Immigration sehr freundlich behandelt.

Jetzt sind wir wirklich da. Wir laufen durch den Flughafen Shanghai, die Kinder ziehen die Handgepäckskoffer hinter sich her. Am Kofferband sind wir der absolute Spitzenreiter. Ich wünschte nur, das Band wäre ein Spielautomat. So viele Treffer: „Das ist auch unseres!“ 15...

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