Wie gezeigt werden konnte, hat der digitale Wandel den Konsumgütermarkt stark geprägt und den Handel mit B2C-Gütern verändert. Dieses Kapitel konzentriert sich darauf inwiefern der digitale Wandel in B2B-Handelsunternehmen Einzug gehalten hat bzw. welche Veränderungen er zukünftig mit sich bringt. Dabei liegt der Fokus auf den Veränderungen im strategischen Umfeld und im Vertrieb selbst.
Aus den vorangegangenen Kapiteln wird sehr deutlich, dass das gesamte Marktumfeld in Bewegung ist. Um am Markt bestehen zu können, müssen sich die Unternehmen den Herausforderungen stellen, die durch den digitalen Wandel entstehen. Es ist elementar zu erkennen, dass der Wandel hierbei „oben“, also im Management beginnt und strategische Veränderungen mit sich bringt. Für diese Arbeit soll daher das strategische Umfeld der B2B-Handelsunternehmen im Bereich Baumaschinen und -geräte dahingehend betrachtet werden.
Legt man die gängigen quantitativen Messgrößen wie Mitarbeiterzahl und Umsatz zu Grunde, so wird deutlich, dass nach den offiziellen Zahlen des Bundesverbandes der Baumaschinen,- Baugeräte und Industriemaschinen-Firmen e.V. (bbi) mehr als 85% der Baugeräte-Fachhändler in Deutschland in die Mittelstanddefinition fallen.[131] Der Mittelstand wird oft als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet. Neben diesen quantitativen Abgrenzungskriterien bestehen zahlreiche weitere, qualitative Kriterien die den Mittelstand ausmachen. Solche Kriterien sind unter anderem die maßgebliche Unternehmenslenkung durch die starke Persönlichkeit eines Unternehmers und das enge Netz von persönlichen Kontakten zwischen dem Unternehmer, seinen Angestellten, den Lieferanten und der Öffentlichkeit. Nicht zuletzt steht der Mittelstand durch seinen Aufbau und der Marktstellung aber auch für begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen.[132] Im Hinblick auf das Thema dieser Arbeit stellt das Internet, gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), eine kostengünstige Alternative dar, um Zugang zu neuen, unerschlossenen Marktpotenzialen zu erhalten.[133]
Ungeachtet dessen stellt sich die Frage, inwieweit der E-Commerce und die damit einhergehenden Strategien für die mittelständischen Firmen von Bedeutung sind. Während Großunternehmen sich das Thema bereits zu eigen gemacht haben, steht der Mittelstand der Thematik noch eher skeptisch gegenüber. Für die in dieser Arbeit betrachtete Branche wird dies alleine durch die geringen Onlineumsätze deutlich.[134] Werden diesem Sachverhalt die enormen Wachstumspotenziale entgegengestellt, die der Mittelstand durch den Einsatz von neuen, technologischen Instrumenten gewinnen könnte – auf der Vertriebsseite etwa durch den Verkauf der Waren und Dienstleistungen im Internet, auf der Einkaufsseite durch die Digitalisierung und Automatisierung der Beschaffungsprozesse – so zeigt sich, dass der Einstieg in den E-Commerce durchaus Potentiale bietet, Prozess effizienter zu gestalten und Mehr Umsätze zu generieren.[135]
Auch wenn Unternehmer sich dieser Tatsache bewusst sind, so stehen doch einige gewichtige Gründe einem Einstieg entgegen. Auf quantitativer Ebene ist besonders die Gefahr von Fehlinvestitionen sowie der verhältnismäßig lange Zeitraum des Return-on-Investment hinderlich. Aus qualitativer Sicht stehen einem Einstieg besonders das mangelnde Know-how sowie die gerade bei kleinen Unternehmen schwache Ressourcenausstattung entgegen.[136] Doch was viele Unternehmen bei ihrer Entscheidungsfindung nicht in Betracht ziehen, sind die enormen Risiken, die sich durch die Zurückhaltung beim Einstieg in den E-Commerce ergeben. Wird zu spät auf die Veränderungen in diesem Bereich reagiert, können sich Marktbegleiter durch ihren Vorsprung Wettbewerbsvorteile erarbeiten, die nur schwer wieder aufgeholt werden können. Auch die Gefahr von neuen Marktteilnehmern mit Know-how im Bereich E-Business steigt zunehmend, wie das Beispiel von Amazon Business zeigt.[137] Dies kann zu disruptiven Verdrängungen im eigenen Markt führen. Nicht zuletzt sind die Kostenvorteile, die die Digitalisierung mit sich bringt, nicht von der Hand zu weisen. Diese machen gerade bei wachsendem Margendruck oftmals den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg im Verkauf aus.[138]
Dieser Wandel, welcher durch den E-Commerce induziert wurde, führt zu Veränderungen im strategischem Umfeld und schafft neue Bedingungen im Unternehmensumfeld der Mittelständler.[139] Diese Veränderungen lassen sich im Wesentlichen auf vier Entwicklungen reduzieren, welche in der folgenden Grafik veranschaulicht werden:
Abbildung 6: Die vier veränderten Kräfte
Quelle: In Anlehnung an Opuchlik, A., Strategisches Umfeld (2005), S. 44.
Die erste wesentliche Veränderung im strategischen Umfeld ist die zunehmende Intensivierung des Wettbewerbs. Zusammengefasst lässt sich diese auf die gestiegene Markttransparenz, den Abbau von Marktfriktionen, die Verkleinerung von Markteintritts- und Wechselbarrieren und nicht zuletzt auf die Disintermediation der Handelskette zurückführen.[140] Der klassische Handel war vor der Etablierung des Internets von einer Informationsasymmetrie zwischen Verkäufer und Käufer geprägt. Der Verkäufer hatte einen Informationsvorsprung gegenüber dem Käufer. Dieser ermöglichte ihm, eine Preisdifferenzierung zu erreichen und somit eine höhere Marge für sich zu erwirtschaften. Die Omnipräsenz des Internets führte zu einer Reduktion dieses Vorsprungs durch die freie Verfügbarkeit von Informationen, die nahezu immer und überall abrufbar sind. Durch Preissuchmaschinen und sonstige Vergleichsportale wurde der Markt wesentlich transparenter und für den Kunden leichter erfassbar, gerade hinsichtlich sachlicher und preisbezogener Aspekte. [141] Dies führt dazu, dass der Konsument mit relativ wenig Zeit- und Kostenaufwand den Markt überschauen kann, und somit weniger auf die fachliche Beratung des Verkäufers angewiesen ist.
Steigt die Markttransparenz, geht dies auch mit einer Verringerung der Wechsel- und Eintrittsbarrieren einher.[142] Unter Wechselbarrieren versteht man solche „vom Unternehmen erzeugten bzw. durch systembedingte Eigenschaften von Märkten und Branchen hervorgerufenen Faktoren, die einen Kunden an einen bestimmten Anbieter binden sowie das problemlose Wechseln zu einem anderen Anbieter verhindern.“[143] Für die KMUs bedeutet dies, dass der Kunde mit geringerem Aufwand und somit auch schneller zu Marktbegleitern abwandern kann. Die gesunkenen Eintrittsbarrieren, welche als solche Eigenschaften eines Marktes definiert sind, neue Wettbewerber von einem Markteintritt abzuhalten oder zumindest deutlich zu erschweren[144], senken die Kosten eines Markteintritts und erhöhen damit die Chancen, dass der Einstieg für neue Wettbewerber lukrativ ist. Somit erhöht sich die Anzahl der Akteure am Markt und ebenso steigt der Wettbewerbsdruck.[145]
Die Disintermediation, also das Ausschalten oder Umgehen von bisherigen Zwischenstufen in der Distribution bzw. dem Handel[146], stellt eine weitere Herausforderung dar. Während es dem Handel in der Vergangenheit gelang, gegenüber dem Produzenten seine Machtposition aufzubauen und zu bestärken, indem es dem Produzenten oder Vorlieferanten damit drohte, den Zugang zum Kunden und dem regionalen Marktwissen zu verwehren, hat sich die Situation durch den E-Commerce verändert. Es lässt sich zunehmend beobachten, dass Produzenten und Vorlieferanten die Distribution zum Endkunden selbst übernehmen und somit den Fachhandel umgehen. Dies bedeutet, dass auf lange Sicht die Mittlerfunktion des Handels zwischen Kunden und Lieferanten bedroht ist, und somit der Druck auf den Händler weiter steigt. [147] Zwar müssen für diesen Schritt die Logistikprozesse der Produzenten angepasst werden, allerdings steht diesem Aufwand dafür der Gewinn von Endkundendaten entgegen. Diese Daten können im Rahmen des Marketing-Mix unter anderem für die Produktpolitik und für weitere Marketingzwecke genutzt werden. Der Wegfall einer Handelsstufe erhöht zudem die Marge für den Hersteller bzw. den Vorlieferanten, welche dem Kunden weitergegeben werden kann. Somit erhöht sich der Wettbewerb auch hinsichtlich des Preises zusätzlich.[148]
Die zweite sich verändernde Kraft stellt die Entwicklung der Virtualisierung von Produkten und Organisationen dar. Während für diese Arbeit die Virtualisierung von Produkten – aufgrund deren Eigenschaften als physische Güter – eine vernachlässigbare Rolle spielt, so ist die Virtualisierung von Unternehmen und Netzwerken doch höchst relevant. Es handelt sich hierbei um eine Kooperationsform unabhängiger Akteure, die eine Leistung aufgrund eines gemeinsamen Geschäftsverständnisses erbringen. Ein Beispiel hierfür wäre etwa der Zusammenschluss verschiedener Online-Händler zu einem gemeinsamen virtuellen Marktplatz oder aber auch die vertikale Integration verschiedener Akteure, welche für den gemeinsamen Erfolg ihre Kernkompetenzen...